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Branchen | Grönland | Energiewirtschaft, Wasserstoff

Grönland will zum Energieexporteur werden

Mit Hilfe neuer Kraftwerke soll in Grönland langfristig eine grüne Wasserstoffwirtschaft entstehen. Dafür werden Investoren und Technikausstatter gesucht.

Von Michał Woźniak | Stockholm

Der grönländische Energieversorger Nukissiorfiit betreibt aktuell fünf Wasserkraftwerke mit Kapazitäten von 1 bis 45 Megawatt. Dank der insgesamt 91 Megawatt installierter Leistung generierten sie 2021 etwa 435 Gigawattstunden Strom. Das grönländische Energiewirtschaftsunternehmen NunaGreen plant, mit neuen Wasserkraftwerken die Stromproduktion auf der Insel in Zukunft erheblich zu steigern. "Wir könnten aus größeren Anlagen - also mit einer installierten Leistung von mindestens 100 Megawatt - langfristig bis zu 20.000 Gigawattstunden jährlich generieren", unterstreicht Rasmus Wendt, Chief Growth Officer bei dem staatlichen Energieproduzenten.

NunaGreen will weitere Wasserkraftwerke bauen

NunaGreen wurde Anfang 2023 von der Regierung mit der Realisierung zweier Hydro-Projekte beauftragt. Für umgerechnet etwa 415 Millionen Euro soll ein neues Wasserkraftwerk in Aasiaat/Qasigianngui entstehen und die Anlage in Nuuk ausgebaut werden. "Wir hoffen, die Ausschreibungen für Bau und Technologie im Herbst dieses Jahres auf dem offiziellen Wasserkraftportal Grönlands zu veröffentlichen", berichtet Wendt. Beide Anlagen werden hauptsächlich den inländischen Bedarf decken. In Zukunft sollen aber auch solche entstehen, die für den Energieexport genutzt werden. 

"Ende 2023 werden wir Wasserkraftwerksstandorte für private Investoren ausschreiben“, verspricht Wendt.

Die Angebote werden neben dem Bau von Wasserkraftwerken auch Power-to-X-Anlagen sowie Hafeninfrastruktur zur Verschiffung von Wasserstoff und seiner Derivate beinhalten müssen. "Nach unseren Berechnungen könnten bis zu 10.000 Gigawattstunden Wasserstoff jährlich hergestellt werden", prognostiziert Wendt. "Um die nötigen Anreize zu schaffen, arbeitet die grönländische Regierung bereits an einer Novelle des Steuergesetzes. Genaueres sollte im Frühherbst bekannt sein". Einen gewissen Risikofaktor stellt der Klimawandel dar. "Die Folgen können wir nicht genau voraussehen. Wenn die Eisdecke um Kilometer zurückgeht, könnten sich beispielsweise Strömungsrichtungen ändern", gibt Wendt zu.

Ausländische Fachkräfte für Wasserstoffwirtschaft gesucht

Der grönländische Arbeitsmarkt ist mit etwa 27.000 Berufstätigen sehr überschaubar. Jeder siebte davon kommt aus dem Ausland. Es fehlt jedoch an technischen Fachkräften. Um dem Mangel besonders in der Wasserstoffwirtschaft entgegenzuwirken, sollen NunaGreen, Nukissiorfiit und der Telekommunikationsanbieter Tusass nun ein Bildungsprogramm starten, das von der EU gefördert wird. Bis es lokale Fachkräfte hervorbringt, müssen potenzielle Investoren allerdings weiterhin auf ausländische Arbeitskraft setzen. 

Neuer Windpark soll Ammoniakproduktion ankurbeln

Auch ein Gemeinschaftsprojekt des norwegischen H2Carrier mit dem grönländischen Windenergieunternehmen Anori zielt auf Energieexport ab. Sie unterzeichneten erst kürzlich eine Absichtserklärung zum Bau eines Windparks mit einer Leistung von 1,5 Gigawatt. "Wir haben Platz und das Projekt wird andere Aktivitäten nicht behindern. Grönland verfügt außerdem über attraktive Windressourcen und einen guten Zugang zu sauberem Wasser", erklärt Palle Christiansen, der Chef von Anori.

Bei dem Projekt soll durch 200 geplante Windturbinen Strom generiert werden. Damit können bis zu 1 Millionen Tonnen Ammoniak im Jahr hergestellt werden. Das Besondere: Die Umwandlung soll nicht an Land, sondern auf einem Schiff stattfinden. Die dafür notwendige Technologie namens P2XFloater steuert H2Carrier bei.

Hohe Anforderungen an Windkrafttechnik

Das genannte Vorhaben wäre die erste kommerzielle Windkraftanlage auf Grönland. Das raue Klima und die wechselhaften, teilweise sehr starken Winde stellen hohe Anforderungen an die Technik. Nukissiorfiit musste wegen eines zerstörerischen Sturms bereits eines seiner beiden Pilot-Windräder austauschen. Die Vereisung von Rotorblättern und der dadurch entstehende Flexibilitätsverlust machen Windturbinen noch anfälliger. Und nicht zuletzt erschweren die kleinen lokalen Stromnetze das Verwalten dieser Energiequelle.

Die Entscheidungsträger lassen sich dadurch jedoch nicht entmutigen. Momentan werden Vorarbeiten für Untersuchungen der Windstärken durchgeführt. Bis die Windmessungen nächstes Jahr starten, muss entschieden werden, auf welchen Gebieten der Insel sie stattfinden und von wem sie durchgeführt werden sollen. Die entsprechende Ausschreibung dürfte noch in diesem Jahr auf den EU-Portal TED erscheinen, da die Arbeiten von der EU mitfinanziert werden.

Auch für die technischen Probleme sehen Experten Lösungsansätze. Die bisher installierten Windräder sind älter, kleiner und deshalb anfälliger. Neue und größere Anlagen sind weitaus resistenter gegen starke Winde. Der Vereisung der Rotorblätter kann mit einer eingebaute Heizung entgegengewirkt werden, wie Beispiele aus Norwegen oder Finnland zeigen. Und Stromspeicher oder Power-to-X könnten die instabile Stromerzeugung ausgleichen.

So versorgt Nukissiorfit Grönland mit Energie

Derzeit wird in 91 Anlagen Strom und in 23 Anlagen Wärme erzeugt. Bis 2030 soll die Energieversorgung auf der Insel nahezu gänzlich fossilfrei werden. Jedes Jahr investiert Nukissiorfit dafür umgerechnet 15 bis 30 Millionen Euro. Die zu erwartenden Ausschreibungen werden vor allem auf Lösungen aus den Bereichen Solar, Wärmepumpen oder Kleinstwasserkraft abzielen. Ebenfalls angekündigt wurde der Ausbau der Übertragungsnetze. Wegen der Entfernungen zwischen einzelnen Siedlungen gibt es kaum übergreifende Infrastruktur.

Sonnenenergie weiter bevorzugt

Nukissiorfiit gibt derzeit der Solarenergie den Vorzug vor Windenergie, da sie einfacher zu betreiben ist. Im Jahr 2021 verdoppelte sich die installierte Leistung der Solarpanele. Um den Einschränkungen der lokal aufgebauten Netzübertragung gerecht zu werden, basieren die etwa 600 Kilowatt Produktionskapazitäten vor allem auf kleineren Anlagen. Die größte Anlage in Grönland dürfte die 2017 gebaute in Igaliku darstellen. Mit 400 Panels kommt sie auf insgesamt 100 Kilowatt Leistung. Typisch sind jedoch eher kleinere Anlagen wie zum Beispiel die Mitte 2022 in Betrieb genommene Dachanlage in Alluitsup. Sie hat eine Kapazität von knapp 18 Kilowatt.

Wie Nukissiorfiit unterstreicht, zeigen auch immer mehr Privateigentümer Interesse an Solar-Investitionen. Mit LSG haben sie einen einheimischen Installateur. Überschüssiger Strom kann auch ins lokale Stromnetz eingespeist werden, solange entsprechende Richtlinien erfüllt sind und eine Genehmigung eingeholt wurde.

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