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Branchen | Indien | Gesundheitswesen

Altenpflege wird in Indien zum Geschäftsmodell

Der Bedarf an altersgerechten Wohn- und Pflegeeinrichtungen steigt. Der Umsatz, der mit der Betreuung der Älteren generiert wird, soll sich bis 2030 vervierfachen.

Von Boris Alex | New Delhi

Mit einem Durchschnittsalter von rund 30 Jahren ist die indische Gesellschaft noch sehr jung. Doch der Anteil der älteren Bevölkerung wächst auch auf dem Subkontinent. Jeden Tag feiern rund 15.000 Inderinnen und Inder ihren 60. Geburtstag. Bis 2050 dürfte ein Fünftel der Bevölkerung etwa 320 Millionen Menschen älter als 60 sein. Aktuell sind es 10 Prozent. 

Mit dem demografischen Wandel ist in Indien eine neue Wachstumsbranche die "Silver Economy" entstanden. Die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen für Senioren wird in den nächsten Jahren stark steigen, prognostiziert die Association of Senior Living India (ASLI).

Indiens Gesellschaft wächst und altert – Indikatoren zu Indiens Demografie
 

2030

2050

Bevölkerung (in Milliarden)

1,4

1,6

Bevölkerung über 60 Jahre (in Mio.)

140

320

Anteil Bevölkerung über 60 Jahre (in Prozent)

10

20

Lebenserwartung (in Jahren)

67

74

Quelle: Association of Senior Living India (ASLI) 2024

Umsatz in der Altenpflege soll kräftig wachsen

Für die Anbieter von alters- und behindertengerechter Ausstattungen für Pflege- und Betreuungseinrichtungen bietet der indische Markt interessante Absatzchancen, so ASLI von medizinischer Ausrüstung für die Geriatrie über spezialisierte IT-Lösungen für ältere Anwender. Im Jahr 2022 lag das Marktvolumen hierfür zwischen 12 und 15 Milliarden US-Dollar (US$), schätzt der Verband. Bis 2030 könnte allein der Umsatz in der Altenpflege und -betreuung auf 40 bis 50 Milliarden US$ zulegen. 

40 - 50 Mrd. US$

Umsatz in der Altenpflege in Indien im Jahr 2030

Die steigende Zahl der Senioren ist aber nur ein Wachstumstreiber für die Branche. Noch stärker wirkt sich eine andere gesellschaftliche Veränderung aus. Traditionell übernehmen in Indien die Kinder die Betreuung der Eltern, meist in einem Mehrgenerationenhaushalt. Im Jahr 2023 waren weniger als 1 Prozent der über 60-Jährigen in staatlichen oder privaten Betreuungseinrichtungen untergebracht, so die Angaben des Immobiliendienstleisters JLL.

Doch vor allem in den Großstädten nehmen immer mehr Familien externe Betreuungsdienstleistungen für die Elterngeneration in Anspruch sei es aus Platzmangel, weil die Kinder berufstätig sind oder im Ausland leben. Das Angebot an Einrichtungen wie Altersheimen oder Anlagen für betreutes Wohnen ist in den letzten Jahren stark gewachsen. JLL schätzt, dass es Ende 2022 etwa 10.000 solcher Einrichtungen in Indien gab, der Großteil davon in den Metropolen Delhi, Mumbai, Bangaluru, Chennai und Kolkata.  

Anbieter von Seniorenresidenzen expandieren

Die Nachfrage nach Plätzen in Altersheimen und -wohnsitzen übersteigt das Angebot bei Weitem und die führenden privaten Anbieter dieser Einrichtungen wollen in den kommenden Jahren expandieren. Die zehn größten Betreiber im Privatsektor kommen, gemessen an den Wohneinheiten, auf einen Marktanteil von zusammen 50 Prozent, schätzt JLL. Zu den wichtigsten Anbietern zählen Columbia Pacific Communities aus den USA mit 18 Prozent sowie die indischen Unternehmen Vedaanta und Ashiana mit jeweils 13 Prozent. 

Der Marktführer hatte im Mai 2023 angekündigt, bis 2025 rund 24 Millionen US$ in neue Wohneinheiten mit einer Gesamtfläche von 186.000 Quadratmetern zu investieren. Die Seniorenresidenzen sollen in Chennai, Pune und Bangalore entstehen.

Der Süden Indiens ist wegen seines angenehmeren Klimas bereits heute der bevorzugte Altersruhesitz für viele Rentner. Gut 80 Prozent der Einrichtungen entfallen auf südliche Bundesstaaten wie Kerala, Tamil Nadu, Maharashtra und Karnataka. Der Trend dürfte sich in den nächsten Jahren weiter fortsetzen. Dabei wird er sich aber stärker hin zu mittelgroßen und kleineren Städten in Indien Tier-1 und Tier-2 Cities genannt verschieben. Dort waren Ende 2023 etwa 50 Projekte im Bau beziehungsweise in Planung, so die Aussage von ASLI. Der Verband beziffert den Bedarf in diesen Städten bis 2027 auf mindestens 200.000 Wohneinheiten.

Betreuungseinrichtungen oft nicht alters- und behindertengerecht

In vielen Fällen unterscheiden sich die Einrichtungen allerdings kaum von "normalen" Wohnungsbauprojekten. Sie bieten meist nur zusätzliche Betreuungsdienste, wie Pflege- und medizinisches Personal vor Ort oder Freizeit- und Gesundheitseinrichtungen für ältere Menschen, an. 

Beim alters- und behindertengerechtem Bauen steht Indien hingegen noch am Anfang. Dies eröffnet für Anbieter entsprechender Produkte und Lösungen Geschäftschancen. Die Möglichkeiten sind vielfältig: Angefangen von Betten und Sitzmöbeln für ältere Menschen oder Personen mit Pflegebedarf, über barrierefreie Badezimmereinrichtungen wie begeh- und befahrbare Duschen und Badewannen oder altersgerechte Toiletten, bis hin zu Treppenliften.

Auch der Absatz medizinischer Therapielösungen und von Geräten für die Geriatrie bergen Wachstumschancen, so die Aussage von ASLI. Die Zahl der indischen Demenzpatienten mit Pflegebedarf beziffert der Verband auf 10 Millionen bis 12 Millionen Personen. 

Die Anbieter müssen den medizinischen Betreuungsumfang in ihren Einrichtungen ausbauen und die Ausstattung der Alters- und Pflegeheime an die höheren Anforderungen der Senioren anpassen. In den nächsten Jahren wird eine ganze Generation indischer Auswanderer vor allem in den USA das Rentenalter erreichen. Viele davon wollen ihren Lebensabend in Indien verbringen. Diese verfügen oft auch über die finanziellen Mittel, um sich Plätze in Seniorenresidenzen im Premiumsegment leisten zu können.

Umsatz in der ambulanten Pflege wächst ebenfalls

Der Großteil der indischen Senioren wird aber auch in Zukunft innerhalb der Familie betreut werden. Etwa ein Drittel des Umsatzes in der Altenpflege und -betreuung entfällt auf ambulante Dienste zur Unterstützung und Entlastung der pflegenden Angehörigen. Hier wird die Nachfrage nach medizinischen Geräten und Hilfsmitteln für die ambulante Pflege bis 2030 um jährlich 15 bis 20 Prozent wachsen, so Branchenschätzungen. 

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