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Special | Indien | LkSG | Umsetzungshilfe Risikoanalyse

Missachtung von Arbeitsschutz und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren

Der Länderbericht Umsetzungshilfe Risikoanalyse Indien unterstützt bei der Ermittlung und Vermeidung menschenrechtlicher Risiken gemäß dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz.

(Vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 5 LkSG)

Maßgeblich ist das Recht des Beschäftigtenortes. Verstöße gegen das national anwendbare Arbeitsschutzrecht sind verboten, wenn dadurch die Gefahr von Unfällen bei der Arbeit oder arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren entstehen. Dies kann durch ungenügende Sicherheitsstandards, Fehlen geeigneter Schutzmaßnahmen und ungenügende Ausbildung und Unterweisung verursacht werden.

Gesetzliche Grundlagen

Indien ist Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation (International Labour Organization; ILO), hat aber die hier relevanten Übereinkommen über Arbeitsschutz und Arbeitsumwelt (ILO-Übereinkommen Nr. 155) und über den Förderungsrahmen für den Arbeitsschutz (ILO-Übereinkommen Nr. 187) nicht ratifiziert (Stand: Juli 2023). Informationen zu Mitgliedschaften in internationalen Abkommen sind in der Datenbank NORMLEX (Information System on International Labour Standards) der ILO verfügbar: Ratifications by country.

In Indien gibt es derzeit im Bereich des Arbeitsrechts und insbesondere auch des Arbeitsschutzes eine Vielzahl von Gesetzen, auf zentraler und lokaler Ebene. Daneben bestehen zahlreiche Spezialregelungen für bestimmte Branchen. Aktuell erfolgt eine Reform des Arbeitsrechts: Vier neue Gesetzbücher, die insgesamt 29 Einzelgesetze aufheben sollen, wurden bereits in den Jahren 2019 und 2020 verabschiedet. Dazu gehört auch der den Arbeitsschutz betreffende Occupational Safety, Health and Working Conditions Code, 2020 (OSH Code) vom 28. September 2020. Diese Kodifikation wird, wenn sie in Kraft tritt, 13 bisher bestehende Einzelgesetze in diesem Bereich ersetzen. Welche das im Einzelnen sind, kann man der Auflistung in Sec. 143 des neuen Gesetzbuches entnehmen. Dazu zählen unter anderem ältere Gesetze wie der Factories Act, 1948, der den Bergbausektor betreffende Mines Act, 1952 oder auch der Dock Workers (Safety, Health and Welfare) Act, 1986 hinsichtlich der Arbeitssicherheit von Hafenarbeitern.

Wann die neuen Codes in Kraft treten, ist noch nicht bekannt (Stand: April 2023). Die Bundesstaaten erstellen derzeit die notwendigen Implementierungsregelungen. Nachfolgend wird sowohl beispielhaft auf einige bislang bestehende Bestimmungen eingegangen, als auch mit Blick in die Zukunft der neue OSH Code kurz beleuchtet.

Arbeitszeitregelungen variieren je nach Bundesstaat und/oder Tätigkeit. Nach dem Factories Act, 1948 zum Beispiel beträgt die tägliche Arbeitszeit für erwachsene Arbeiter in Fabriken grundsätzlich nicht mehr als neun Stunden und die wöchentliche Regelarbeitszeit 48 Stunden. Einschließlich Überstunden sind maximal 60 Arbeitsstunden pro Woche gestattet, in einem Quartal höchstens 50 Überstunden. Grundsätzlich besteht ein Anspruch auf eine Pause von mindestens einer halben Stunde nach je fünf Stunden Arbeitszeit. Frauen dürfen keinesfalls nachts zwischen 22 Uhr und 5 Uhr in Fabriken arbeiten; auch lokale Shops and Establishment Acts enthalten aus Sicherheitsgründen Vorgaben zu nächtlichen Arbeitszeiten von Frauen.

Das Fabrikgesetz enthält jeweils eigene Kapitel bezüglich Gesundheit (Sec. 11 ff.) und Sicherheit (Sec. 21 ff.). Darin sind beispielsweise Vorschriften zur Bereitstellung von Trinkwasser und zur Einrichtung sanitärer Anlagen enthalten, ferner insbesondere Vorgaben zum Betrieb von Maschinen, etwa bei der Bedienung von gefährlichen Anlagen durch junge Angestellte, oder auch zu Anforderungen an Böden, Treppen etc. in den Fabriken. Angestellte dürfen keine so schweren Lasten heben, dass sie sich wahrscheinlich verletzen; entsprechende Maximalgewichte geben die Bundesstaaten vor. Bei Produktionsprozessen, die das Risiko einer Augenverletzung durch Partikel oder Licht beinhalten, können die Bundesstaaten Vorgaben bezüglich Ausstattung zum Schutz der Augen aufstellen. Zudem gibt es Bestimmungen hinsichtlich Vorbeugemaßnahmen bei gefährlichen Gasen oder auch entzündlichen oder explosiven Gasen, die bei Herstellungsprozessen in Fabriken entstehen. Ferner sind Brandschutzvorschriften und Inspektionen der Gebäudesicherheit gesetzlich vorgeschrieben. Je nach Fabrikgröße oder Produktionsprozessen sind Sicherheitsbeauftragte anzustellen. In Bezug auf gefährliche Prozesse sind weitere Vorschriften im Fabrikgesetz enthalten, eine Liste betroffener Industrien findet sich im Anhang des Gesetzes. Jede Fabrik hat Erste-Hilfe-Kästen (mindestens einen pro 150 Angestellte) bereitzuhalten, die während der Arbeitszeit leicht zugänglich sind, und bei über 500 Angestellten ein ausgestattetes Krankenzimmer. Auch sind unter anderem ab einer bestimmten Mitarbeiterzahl Rückzugs- oder Ruheräume und Räume für das Mittagessen vorzusehen.

Nach dem neuen OSH Code (Sec. 6) haben Arbeitgeber unter anderem sicherzustellen, dass der Arbeitsplatz keine Gefahren bereithält, die Verletzungen oder Berufskrankheiten der Arbeitnehmer verursachen können. Sie haben – soweit möglich – ein sicheres Arbeitsumfeld ohne Gesundheitsrisiken zu schaffen und bestimmten Angestellten jährliche Gesundheitsuntersuchungen kostenfrei anzubieten. In Bezug auf beispielsweise Fabriken oder Bauarbeiten müssen Arbeitgeber unter anderem Arbeitssicherheitsmaßnahmen gewährleisten und durch entsprechende notwendige Information, Unterweisungen, Schulungen und Überwachungen für die Sicherheit und Gesundheit aller Angestellten bei der Arbeit sorgen. Arbeitnehmer sollen sich nach Sec. 13 OSH Code insbesondere an die Sicherheitsvorschriften halten, mit angemessener Sorgfalt auf die eigene Gesundheit und Sicherheit sowie die anderer Personen, die von ihren Handlungen am Arbeitsplatz betroffen sein könnten, achten und unsichere Situationen, die sie bemerken, dem Arbeitgeber melden. Grundsätzlich soll die maximale Arbeitszeit sechs Tage pro Woche betragen. Das neue Gesetzbuch sieht ferner vor, dass Frauen nunmehr in allen Bereichen und auch – ihr Einverständnis vorausgesetzt – in der Nacht arbeiten dürfen. Außerdem ist auf nationaler sowie auf Ebene der Bundesstaaten die Einrichtung eines Occupational Safety and Health Advisory Board zur Beratung der Regierungen in Bezug auf die Umsetzung des OSH Code vorgesehen. Informationen zu einschlägigen nationalen Policies und zum anwendbaren nationalen Recht sind in der Datenbank NATLEX (Database on national labour, social security and related human rights legislation) der ILO verfügbar: Browse by country.

Weiterführende Informationen zu Definition und rechtlichen Instrumenten bezüglich Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz bietet der Praxislotse Wirtschaft & Menschenrechte.

Risiken

Laut Regierungsangaben aus dem Jahr 2021 starben in den fünf vorangegangenen Jahren mindestens 6.500 Arbeiterinnen und Arbeiter an ihrem Arbeitsplatz, die meisten von ihnen in Fabriken. Für Minen, Häfen und Baustellen wurden ebenfalls tödliche Unfälle verzeichnet. Allerdings handelt es sich hierbei um Angaben, die nur offiziell registrierte Fabriken und ähnliche Anlagen umfassen. Zwischen 80 und 90 Prozent der Arbeitskräfte sind jedoch im informellen Sektor beschäftigt, sodass die eigentliche Fallzahl höher liegen dürfte. Genaue Daten liegen nur sporadisch vor und sind oft veraltet. Als Beispiel können jedoch Angaben des Directorate General, Factory Advice and Labour Institutes zu Vorfällen in Fabriken für die Jahre 2017 und 2018 dienen. Aus diesen ist ersichtlich, dass die Anzahl der nichttödlichen Arbeitsunfälle pro Jahr rund viermal so hoch ist, wie die Anzahl der tödlichen Unfälle. Auch wird ersichtlich, dass stärker industrialisierte Bundesstaaten wie beispielsweise Gujarat, Maharashtra oder auch Tamil Nadu mehr Arbeitsunfälle ausweisen. Das liegt zu einem Großteil daran, dass es in diesen Bundesstaaten mehr formelle Fabriken gibt. Weiterhin zeigen die Unterlagen ein grundsätzliches Problem: Es fehlt an Personal, um Unternehmen zu prüfen. Nur ein Bruchteil an zuständigen Inspektorenstellen ist besetzt. Diese haben kaum genügend Kapazitäten, um neue Untersuchungen vorzunehmen oder die Masse an alten Fällen abzuarbeiten. Ebenfalls aus dem Jahr 2017 stammt eine Analyse des British Safety Councils. Experten stellten darin fest, dass jedes Jahr rund 48.000 Personen aufgrund von Arbeitsunfällen und arbeitsbezogenen Erkrankungen im Land sterben.

Indiens Regierung versucht, die Lage zu verbessern. Seit 2009 existiert eine eigene nationale Policy on Safety, Health and Environment. Dadurch sollen Unfälle am Arbeitsplatz verringert und das Wohlergehen von Arbeitnehmern erhöht werden. In 2014 stellte das zuständige Ministerium außerdem ein Onlineportal rund um das Thema Arbeitsgesetze in Dienst. Hinzu kommen Unterstützungsleistungen wie beispielsweise das 2008 eingeführte Rashtriya Swashtya Bima Yijna. Das Programm soll armen Menschen den Zugang zur Gesundheitsversorgung erleichtern. Zudem existiert seit 2015 das Pradhan Mantri Suraksha Bima Yojana, ein staatlich unterstütztes Unfallversicherungsprogramm. Weiterhin unterzeichnete Indien im Dezember 2022 das Decent Work Country Programme (DWCP) for India 2023-27 der ILO. Zudem wird die Vision Zero Kampagne der International Social Security Association regelmäßig vor Ort beworben. Die Kampagne soll dabei helfen, bessere Arbeitsbedingungen zu schaffen und zu einer Vermeidung von Arbeitsunfällen beizutragen.

Risiken in ausgewählten Branchen

Allgemein gilt, dass der Arbeitsschutz im informellen Sektor geringer ist als im formellen. Allerdings sind zwischen 80 und 90 Prozent der Arbeitnehmer im informellen Sektor tätig und mehr als die Hälfte der Wertschöpfung findet dort statt. Dementsprechend sind der Dienstleistungssektor und die Landwirtschaft stark betroffen. Das betrifft beispielsweise die Arbeit auf Feldern oder die Baubranche. Allerdings ist der Arbeitsschutz auch in stärker formalisierten Sektoren wie der Industrie nicht immer ausreichend gewährleistet. Es ist kompliziert, hier einzelne Branchen herauszustellen, denn die Risiken sind oft allgemeiner Art. Zu ihnen zählen unter anderem unzureichende Ausbildung im Umgang mit Maschinen oder Substanzen, fehlende oder ungenügende Schutzkleidung oder auch ungenügend eingerichtete Arbeitsplätze, in denen es beispielsweise an ausreichender Beleuchtung oder passender Belüftung fehlt. 

Um mögliche Risiken bei der Missachtung von Arbeitsschutz und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren in Indien zu ermitteln, können Unternehmen auf den CSR Risiko-Check zurückgreifen.

Präventions- und Abhilfemaßnahmen 

Die Deutsch-Indische Handelskammer (AHK Indien) befasst sich mit ihrem Geschäftsbereich SustainMarkets auch mit dem Thema Lieferketten. Darüber hinaus besteht beispielsweise die Möglichkeit, gezielt Schulungen für Zulieferer in Auftrag zu geben.

Die Handelsorganisation amfori ist ein weiterer möglicher Ansprechpartner vor Ort und berät Unternehmen. Außerdem ist der TÜV mit einer lokalen Niederlassung in Indien vertreten und bietet die Möglichkeit, dass Unternehmen sich nach dem Sozialstandard SA 8000 zertifizieren. Die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) kann ebenfalls kontaktiert werden. Indo-German Focal Point India stellt einen weiteren relevanten Kontakt dar. Die Initiative geht auf die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung zurück und fördert das Thema Sicherheit am Arbeitsplatz in Indien. Zudem gibt es die Nichtregierungsorganisation Safe in India. Sie ist eine von vielen, die sich mit dem Thema Arbeitssicherheit befasst.

Ebenfalls kann es sinnvoll sein, sich zum Thema eines angemessenen Lohns mit dem Büro der ILO in Indien in Verbindung zu setzen. Auch Arbeitgeberorganisationen wie die Handelsvertretung Federation of Indian Chambers of Commerce & Industry (FICCI) oder der Industriedachverband Confederation of Indian Industry sind mögliche Ansprechpartner. Gleiches gilt für unterschiedliche Gewerkschaftsverbände und Arbeitnehmerrechtsvertretungen.

Der Vision Zero Fund ist eine Multi-Stakeholder-Plattform, die gemeinsam mit Experten Trainings für Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit in verschiedenen Lieferketten anbietet. Weiterführende Informationen zu Präventions- und Abhilfemaßnahmen hinsichtlich des Verbots der Missachtung des Arbeitsschutzes können über den Praxislotsen Wirtschaft & Menschenrechte unter Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz eingesehen werden.

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