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Verstoß gegen das Verbot von Kinderarbeit
Der Länderbericht Umsetzungshilfe Risikoanalyse Tunesien unterstützt bei der Ermittlung und Vermeidung menschenrechtlicher Risiken gemäß dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz.
27.11.2024
(Vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 LkSG)
Kurzbeschreibung: Verbot der Beschäftigung eines Kindes unter dem zulässigen Mindestalter. Das zulässige Mindestalter richtet sich grundsätzlich nach dem Recht des Beschäftigtenortes und darf ein Alter von 15 Jahren nicht unterschreiten. Ausnahmen sind unter bestimmten Voraussetzungen möglich (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1 LkSG). Darüber hinaus sind schlimmste Formen der Kinderarbeit verboten. Hier sind vor allem Sklaverei und sklavereiähnliche Praktiken sowie Arbeiten gemeint, die für die Gesundheit, Sicherheit oder Sittlichkeit des Kindes schädlich sind.
Gesetzliche Grundlagen
Tunesien ist Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation (International Labour Organization; ILO) und hat neun von zehn Kernübereinkommen ratifiziert (Stand: September 2024). Dazu gehören die hier relevanten Übereinkommen über das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung (ILO-Übereinkommen Nr. 138) und über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen von Kinderarbeit (ILO-Übereinkommen Nr. 182).
Die jeweiligen nationalen gesetzlichen Vorgaben für das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung der Mitgliedstaaten des ILO-Übereinkommens Nr. 138 sind in der Datenbank NORMLEX abrufbar: Übersicht. Das gesetzlich festgelegte Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung beträgt in Tunesien 16 Jahre (Art. 53 des tunesischen Arbeitsgesetzbuchs code du travail). Es sind jedoch Ausnahmeregelungen für mithelfende Familienangehörige in der Landwirtschaft ab 13 Jahren vorgesehen. Informationen zu Mitgliedschaften in internationalen Abkommen sind in der Datenbank NORMLEX (Information System on International Labour Standards) der ILO verfügbar: Ratifications by country.
Informationen zu einschlägigen nationalen Policies und zum anwendbaren nationalen Recht sind in der Datenbank NATLEX (Database on national labour, social security and related human rights legislation) der Internationalen Arbeitsorganisation (International Labour Organization; ILO) verfügbar: Browse by country.
Weiterführende Informationen zu Definition und rechtlichen Instrumenten bezüglich des Verbots von Kinderarbeit bietet der Praxislotse Wirtschaft & Menschenrechte.
Risiken
Tunesien belegt nach dem Children`s Rights und Business Atlas 2023 den Workplace Index 3,7 von 10 Punkten. Bewertet werden rechtliche Rahmenbedingungen, deren administrative Durchsetzung und Ergebnisindikatoren, darunter Anteil und Prävalenz von Kinderarbeit. Der Children´s Rights and Business Atlas orientiert sich an den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Je höher der Wert, desto höher fällt das Risiko in Bezug auf Anfälligkeit für Kinderarbeit aus und desto höhere Anforderungen sind an die gebotene Sorgfalt von Unternehmen zu stellen, um die Rechte der Kinder zu respektieren und zu unterstützen.
Unternehmen wird für Tunesien ein erhöhtes Maß (Kategorie: enhanced) an Sorgfalt empfohlen, um mögliche nachteilige Auswirkungen des eigenen Engagements auf die Rechte von Kindern zu identifizieren und zu vermeiden. Das Land liegt mit 3,7 von 10 Punkten über dem weltweiten Durchschnitt (4,4/10). Anhand des Workplace Index wird Tunesien ähnlich eingeschätzt wie die regionalen Vergleichsländer Marokko (3,6/10) und Algerien (3,9/10).
Innerhalb der Unterkategorien des Index wird vor allem die administrative Durchsetzung (Enforcement score) der gesetzlichen Regeln mit 5,2 von 10 Punkten defizitär bewertet, der Rechtsrahmen an sich (Legal frame score) erreicht hingegen 3,88 von 10 Punkten. Die Regierung hat im Jahr 2022 zwar institutionelle Mechanismen zur Durchsetzung von Gesetzen und Vorschriften zur Kinderarbeit nach Angaben des Child Labor and Forced Labor Report vom U.S. Departement of Labour eingerichtet, aber es bestehen noch Lücken. Im März 2022 verabschiedete die Regierung beispielsweise einen Leitfaden für Arbeitsinspektoren, wenn sie unter anderem auf Kinderarbeit stoßen. Der Anteil arbeitender Kinder wird vom Institut für Statistik der UNESCO für das Jahr 2021 im Alter zwischen 5 und 14 Jahren mit 3 Prozent (50.364) angegeben (Vergleichsländer in Afrika: Algerien 3,6 Prozent, Ägypten 3,3 Prozent, Südafrika 15 Prozent).
In den für die deutsche Wirtschaft vor allen relevanten exportorientierten Betrieben der Elektro- und Bekleidungsindustrie sowie der Textilindustrie ist Kinderarbeit eher kein Thema. Der Schwerpunkt von Kinderarbeit liegt vor allem im informellen Sektor, darunter in der Landwirtschaft und Fischerei, der durch Kontrolldefizite geprägt ist. Der informelle Sektor wird auf rund ein Drittel des tunesischen Bruttoinlandsprodukts geschätzt. Es gibt immer wieder Meldungen, dass auch Kinder als Erntehelfer eingesetzt werden. Über das genaue Alter ist aber nichts bekannt.
Um mögliche Kinderarbeitsrisiken in anderen Branchen Tunesiens zu ermitteln, können Unternehmen auf den CSR Risiko-Check zurückgreifen.
Präventions- und Abhilfemaßnahmen
Die AHK Tunesien ist Teil des weltweiten Netzwerkes der deutschen Auslandshandelskammern (AHK) zur Förderung der deutschen Außenwirtschaftsbeziehungen. Sie bietet praxisbezogene Marktinformationen, konkrete Geschäftspartnervermittlungen, umfassende Investitionsberatung sowie Fachveranstaltungen.
Am 23. April 2024 wurde der Responsible Business Helpdesk (RBH) in Tunesien offiziell eingerichtet. Der Helpdesk wird vom tunesischen Arbeitgeberverband Union Tunisienne de l'Industrie, du Commerce et de l'Artisanat (UTICA) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) betrieben.
Das Netzwerk wird von der Initiative für globale Solidarität (IGS) im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) unterstützt. Für Beratungen kann die Koordinatorin des Zentralbüros des RBH und Verantwortliche in der Zentraldirektion für soziale Angelegenheiten bei der UTICA, Manel Zawali, kontaktiert werden: +216 98 692 604 beziehungsweise zawalimanel@yahoo.fr.
Für Präventions- und Abhilfemaßnahmen im Bereich Kinderarbeit in Unternehmen steht die Eliminating and Preventing Child Labour: Checkpoints app der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zur Verfügung. Für den Austausch von Unternehmen in Lieferketten und dem Aufsetzen gemeinsamer Programme bietet sich die Child Labour Plattform an. Weiterführende Informationen zu Präventions- und Abhilfemaßnahmen hinsichtlich des Verbots von Kinderarbeit können über den Praxislotsen Wirtschaft & Menschenrechte unter Kinderarbeit im Sorgfaltsprozess adressieren eingesehen werden.