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Israels Baugewerbe stürzt ab

Seit Oktober 2023 lassen Arbeitskräftemangel und Zurückhaltung bei den Käufern die Bautätigkeit einbrechen. Die Aussichten für 2024 sind trübe. Auch Zulieferer sind betroffen.

Von Wladimir Struminski | Jerusalem

Der Gaza-Krieg seit Oktober 2023 trifft das Baugewerbe besonders hart. Die Krise dürfte 2024 weiter andauern. Im Wohnungsbau droht sich die Zahl der Neubauprojekte gegenüber dem Vorkrisenjahr 2022 zu halbieren. 

Die Baubranche hatte bereits vor der Eskalation des Konflikts unter dem Anstieg des Zinsniveaus gelitten. Die hohen Zinsen erhöhten die Finanzierungskosten für Bauunternehmen wie für Käufer und senkten damit die Zahl der geplanten Neubauprojekte. 

Arbeitskräftemangel legt die Baubranche weitgehend lahm

Sofort nach dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 verhängte die Regierung eine Einreisesperre gegen Arbeitskräfte aus den Palästinensischen Gebieten. Das betraf rund 80.000 Bauarbeiter. Zudem verließen mehrere Tausend Beschäftigte des Baugewerbes aus Übersee Israel. 

Nach Berechnungen der Wirtschaftszeitung Calcalist lag die Beschäftigtenzahl der Baubranche Mitte Dezember 2023 bei nur noch 41.000 gegenüber 124.000 unmittelbar vor dem Krieg. Der Arbeitskräfteengpass betrifft alle Bereiche der Baubranche. Die Arbeit auf vielen Baustellen kam nahezu zum Stillstand.

Die Regierung will eine höhere Zahl von Bauarbeitern aus Übersee anwerben, jedoch wird es sich dabei um eine langfristige Maßnahme handeln. Unklar ist auch, wann und in welchem Umfang palästinensischen Arbeitnehmern die Rückkehr an ihre Arbeitsplätze in Israel genehmigt wird. 

Zurückhaltung beim Wohnungskauf 

Auf der Nachfrageseite herrscht ebenfalls Flaute. Nach einer Erhebung des Finanzministeriums konnten Bauunternehmen im Oktober 2023 nur noch 930 neue Wohnungen verkaufen. Das waren 59,2 Prozent weniger als im Vormonat und 55,6 Prozent weniger als im Oktober 2022. 

Mitte Dezember 2023 schätzte Calcalist, dass 2023 mit dem Bau von rund 45.000 Wohnungen begonnen worden sei. Eine erste Prognose für 2024 gehe vom Baubeginn für nur noch 30.000 Wohnungen aus. Zum Vergleich: 2022 betrug diese Zahl noch 67.000. Der Wohnungsbau ist für die Gesamtentwicklung des Baugewerbes entscheidend. Im Jahr 2022 entfielen 69 Prozent aller Investitionen des Gebäudebaus auf Wohnungen. 

Auch bei den Investitionen in Wirtschafts- und öffentliche Gebäude haben sich sich die Aussichten eingetrübt. Zudem bremsen die Abkühlung der Konjunktur und die ungewissen Zukunftsaussichten die Investitionen der Unternehmen. 

Im Gebäudemarkt außerhalb des Wohnungsbaus spielen Bürohäuser die größte Rolle. Im Jahr 2022 entfielen auf sie 30,3 Prozent der gesamten Baufläche in der Realisierungsphase des Marktsegments. Es folgten die Kategorien Industrie und Lagerhaltung mit 24,6 Prozent sowie Handel mit 13,4 Prozent.

Fachverband warnt vor Pleiten 

Im November 2023 zeichnete die monatliche Erhebung des Zentralamts für Statistik zur Konjunktur für das Baugewerbe ein stark negatives Bild. Der Anteil der Bauunternehmen, die einen Rückgang der laufenden Geschäftstätigkeit verbuchten, lag 52,5 Prozentpunkte über dem Anteil der Firmen mit einer positiven Entwicklung. Im September 2023 hatte dieser Überhang noch 2,8 Prozentpunkte betragen. Das illustriert die deutliche Verschärfung im Bausektor.

Im Dezember 2023 warnte Raul Srugo, Präsident des Bauunternehmerverbands (Israel Builders Association) vor gravierenden Konsequenzen der Krise. Selbst etablierte Baufirmen, so Srugo, seien unsicher, ob sie neue Projekte starten sollten. Ein Teil von ihnen könnte sogar kollabieren. 

Branche fordert Hilfsprogramme 

Angesichts der ernsten Lage ruft die Branche zu staatlichen Hilfsmaßnahmen auf. Auch der Regierung ist der Handlungsbedarf bewusst. Diskutiert werden laut Tageszeitung Yedioth Ahronot Abnahmegarantien für unverkaufte Neubauwohnungen, eine Förderung des Mietwohnungsbaus, Entschädigungen für kriegsbedingte Arbeitsausfälle sowie beschleunigte Investitionen in Infrastrukturprojekte. 

Die Nachrüstung älterer Wohnungen mit eigenen Luftschutzräumen gilt angesichts des Raketenbeschusses großer Teile des Landes als dringend erforderlich. Für Neubauwohnungen sind Luftschutzräume seit 1992 Pflicht, in älteren Häusern fehlen sie aber weitgehend. Durch die aktuellen Kriegshandlungen werden diese Wohnungen für viele Käufer unattraktiv. Ein umfassendes Programm zur Nachrüstung mit Einzel- oder zumindest Etagenschutzräumen wäre eine weitere Möglichkeit, die Baubranche zu stützen.

Krise im Bau schwächt Gesamtkonjunktur 

Die Baukrise hat erhebliche Folgen für die Gesamtkonjunktur. Im Jahr 2022 hatten Investitionen in Wohnhäuser und andere Gebäude mit umgerechnet 57,8 Milliarden US-Dollar (US$) 47,9 Prozent aller Bruttoanlageinvestitionen gestellt. Von der Bauflaute sind deshalb auch Zulieferer einer breiten Palette von baurelevanten Investitions- und Produktionsgütern betroffen.

Das gilt in hohem Maß auch für ausländische, darunter auch deutsche Unternehmen. So lagen die israelischen Importe deutscher Baustoffe 2022 bei 104,6 Millionen US$ und die Einfuhr deutscher Baumaschinen bei 72,5 Millionen US$. Der Import von Armaturen aus der Bundesrepublik belief sich auf 60,3 Millionen US$. Naturgemäß dürften Einfuhren der Baubranche dieser und weiterer Positionen in der Krise zurückgehen und erst bei einer Erholung wieder anziehen.

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