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Special | Japan | Klimawandel lokal

Klimaneutraler Stahl ist das Ziel

Die japanischen Stahlkonzerne wollen dekarbonisieren. Dies erfordert hohe Ausgaben. Zusammen mit anderen Investitionen und unerwarteten Preisanstiegen steigt der Kostendruck.

Von Jürgen Maurer | Tokyo

Japans Stahlindustrie investiert in neue Ausrüstungen und Technologien. Ziel ist es, klimaneutrale Branchenerzeugnisse herstellen zu können. Die Japan Iron and Steel Federation (JISF) hat im Februar 2021 die Absicht erklärt, bis 2050 das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen. Der Verband vertritt über 100 Branchenfirmen. Laut Umweltministerium war die Stahlindustrie im Jahr 2020 für 13 Prozent der CO2-Emissionen des Landes verantwortlich.

Stahlerzeugung in Japan (in Millionen Tonnen; Veränderung in Prozent) *

2019

2020

2021

Veränd. 2021/20

Roheisenproduktion

74,9

61,6

70,3

14,2

Rohstahl

99,3

83,2

96,3

15,8

  Massenstahl

75,6

65,8

73,9

12,4

  Spezialstahl

23,7

17,4

22,4

28,6

Warmgewalzte Stahlerzeugnisse

87,7

73,8

84,4

14,4

*jeweils KalenderjahrQuelle: Japan Iron and Steel Federation 2022

Japan ist nach China und Indien der drittgrößte Stahlproduzent weltweit und gilt als der energieeffizienteste Wettbewerber. Die japanischen Branchenunternehmen forschen intensiv an Lösungen, wie sie die Stahlproduktion noch klimafreundlicher gestalten können. Dazu sind neue Verfahren gefragt, etwa der Einsatz von Wasserstoff und die Abscheidung von Kohlendioxid. Allerdings gibt es hierfür keine Ausrüstung von der Stange. Gegenwärtig fehlt es auch an ausreichendem Wasserstoff zu "akzeptablen" Marktpreisen.

Stahlindustrie rechnet mit hohen Kosten

Um den CO2-Fußabdruck zu senken, verfolgt die Stahlindustrie diverse Strategien. Zusätzlich zu neuen Produktionstechnologien wollen die Unternehmen unter anderem höherwertige Kokskohle verwenden und den Elektrizitätsverbrauch zunehmend durch erneuerbare Energien decken. Allerdings ist es essenziell, die hochwertige Qualität der Stahlerzeugnisse zu halten.

Die Transformation gelingt nur im Zusammenspiel von Politik und Industrie. Alle wissen: Die Investitionen in neue Technologien für den großindustriellen Einsatz werden hoch sein. Japans Stahlindustrie rechnet bis zum Fiskaljahr 2030 (1. April bis 31. März) mit Kosten für Dekarbonisierungsmaßnahmen von umgerechnet 72 Milliarden US-Dollar (US$). Noch sind nur Pilotprojekte geplant.

Neue Technologien sind noch in Pilotphase

Wie diese Umrüstung aussehen kann, testen Japans Stahlkocher mit verschiedenen Prototypen von Hochöfen. Sie ersetzen dabei Kokskohle durch unterschiedlich hohe Anteile von Wasserstoff. Der größte japanische Stahlhersteller Nippon Steel hat im Mai 2022 an seinem Produktionsstandort Eastern Nippon Works in der Präfektur Chiba den Prototyp eines Hochofens mit teilweiser Wasserstoffnutzung vorgestellt.

Zudem arbeiten Nippon Steel und Kobe Steel gemeinsam an Elektroöfen, die vollständig auf Wasserstoffbasis funktionieren sollen und damit kein Kohlendioxid erzeugen. Japans zweitgrößter Stahlkonzern JFE Steel will das im Hochofenprozess ausgestoßene Kohlendioxid abscheiden und dieses für andere Verwendungen einsetzen. Ein Versuchsprojekt für einen CO2-Recycling-Hochofen soll 2025 starten.

Die genannten Demonstrationsinitiativen laufen zwischen den Fiskaljahren 2021 und 2030 und werden mit Geldern aus dem staatlichen "Green Innovation Fund" mitfinanziert. Das Budget beträgt circa 150 Millionen US$. Es ist daher nur eine Anschubfinanzierung. Die Stahlkocher müssen den Großteil aus eigenen Mitteln bestreiten. Ziel ist es, die CO2-Emissionen des Herstellungsprozesses um mehr als 50 Prozent zu verringern.

Stahlbranche investiert in Wettbewerbsfähigkeit

Abgesehen von den Dekarbonisierungsaktivitäten läuft das Tagesgeschäft der Stahlunternehmen weiter. Die Produktionskapazitäten müssen aufgrund einer veränderten Nachfrage immer wieder angepasst und Anlagen gewartet oder modernisiert werden. Nippon Steel als größtes Branchenunternehmen des Archipels hat im Jahr 2022 mehrere Investitionsvorhaben angekündigt.

Laut Unternehmensmeldung ist geplant, ein Warmbandwalzwerk der nächsten Generation zu errichten. Dort sollen ultrahochfeste Stahlbleche entstehen. Diese fragt insbesondere die Automobilindustrie für leichtere Karosserien nach. Nippon Steel investiert rund 210 Millionen US$ in das Werk, das 2026 den Betrieb aufnehmen soll. Die derzeit bestehende Warmbandstraße wird dann stillgelegt.

Zudem will Nippon Steel auch im Ausland neue Investitionen tätigen. Aufgrund des steigenden Stahlbedarfs in Südostasien hat Nippon Steel im Januar 2022 angekündigt, die beiden thailändischen Flachstahlhersteller G Steel und GJ Steel mehrheitlich zu übernehmen. Beide haben zusammen genommen eine Produktionskapazität von rund 3,1 Millionen Tonnen. Diese Investition soll ungefähr 344 Millionen US$ betragen.

Der zweitgrößte japanische Stahlhersteller JFE hat Mitte 2021 gemeldet, an seinem Standort West Japan Works in der Präfektur Okayama eine Fertigung für Monopiles zu errichten. Da Japan die Offshore-Windkraft stark ausbauen will, zieht die Nachfrage nach Bauteilen für Windräder an. JFE wird mit seiner Fertigung der erste Monopile-Hersteller in Japan sein. Das neue Werk hat eine jährliche Kapazität von 80.000 Tonnen bis 100.000 Tonnen und soll 2024 an den Start gehen.

Kfz-Industrie ist wichtigster Kunde

Im Jahr 2021 importierte Japan 7,5 Millionen Tonnen Eisen und Stahl. Das waren 9,2 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Ausfuhr von Branchenprodukten betrug 34,4 Millionen Tonnen, was einen Zuwachs von 7 Prozent bedeutete. Die japanischen Stahlkocher exportierten 36,5 Prozent ihrer Produktion. Dabei gehen die Ausfuhren von Branchenerzeugnissen zumeist an die Automobilindustrie.

Die Kfz-Branche ist auch im Inland der größte Abnehmer von Stahl. Aufgrund von Lieferkettenproblemen geht die Kfz-Produktion 2022 jedoch zurück. Das bremst die Stahlnachfrage. Allerdings hat sich im Gegenzug ein anderes Problem gelöst: Im April 2022 haben die USA die Sonderzölle auf Stahl japanischer Herkunft wieder abgeschafft. Diese hatte die Trump-Regierung zuvor erlassen.

Die Preise für Energie, Kokskohle, Eisenerze und Zusatzmaterialien zur Stahlherstellung sind 2022 in der Folge von geopolitischen Krisen jedoch in die Höhe geschossen. Gepaart mit einem abgewerteten Yen haben sich die Kosten für die japanischen Stahlkocher signifikant erhöht. So steigt der Kostendruck und die Stahlunternehmen geben diesen an ihre Kunden weiter. All das hat den internationalen Wettbewerbsdruck mit anderen Produzenten verstärkt.

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