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Für Kanadas Wasserstoffoffensive ist deutsche Technik gefragt
Von Kavernenspeichern bis Systemintegration: Kanadas Wasserstoffstrategie schafft neue Märkte für deutsche Mittelständler mit Spezialisierung auf Speichertechnik und Engineering.
06.08.2025
Von Heiko Steinacher | Toronto
- HTEC und Hydra bauen Wasserstoffnetz für den Schwerlastverkehr aus
- Westkanada: Großer Speicherbedarf durch lokale Nutzung
- Kanada erwägt Salzkavernenlösungen als unterirdische Speicher
- Wasserstoffbasierte Lösungen für abgelegene Minenstandorte
- Ostkanada: Temporäre Pufferspeicher dürften an Bedeutung gewinnen
Kanada zählt zu den ambitioniertesten Ländern weltweit, wenn es um den Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur geht. Die Speicherung spielt dabei oft eine Schlüsselrolle. Für deutsche Anbieter eröffnen sich dadurch neue Märkte in den Bereichen Speichertechnik, Sicherheit und Systemintegration.
HTEC und Hydra bauen Wasserstoffnetz für den Schwerlastverkehr aus
Mit über 346 Millionen US-Dollar (US$) verfolgt das Unternehmen HTEC eines der größten Wasserstoffprojekte Kanadas: In den Provinzen Alberta und British Columbia entstehen mehrere Produktionsanlagen für kohlenstoffarmen Wasserstoff – teils aus Nebenprodukten, teils aus elektrolytischer Erzeugung. Hinzu kommen eine Verflüssigungsanlage zur späteren Speicherung und Verteilung sowie bis zu 20 Wasserstofftankstellen.
"Diese Investition bestätigt unsere Vision eines robusten, kohlenstoffarmen Wasserstoffökosystems und beschleunigt die Umgestaltung des kanadischen Schwerlasttransportsektors",
erklärt Colin Armstrong, Präsident und CEO von HTEC gegenüber dem Portal CleanEnergy.ca.
Auch das Unternehmen Hydra Energy treibt in British Columbia den Ausbau wasserstoffbasierter Schwerlastinfrastruktur voran. Seit 2022 entsteht in Prince George die weltweit größte Wasserstofftankstelle für Lkw. Sie ist Teil eines Konzepts mit mobilen Speicherlösungen entlang stark frequentierter Güterverkehrsrouten zwischen Industriestandorten und Häfen. Hydra deckt die gesamte Kette ab: Wasserstoffversorgung, Betankung und Speichertechnik. Für deutsche Anbieter von Hochdrucktanks, Kompressoren, Kryotechnik, Sensoren und Sicherheitssystemen ergeben sich daraus vielversprechende Chancen auf Zulieferverträge.
Westkanada: Großer Speicherbedarf durch lokale Nutzung
In Westkanada geht es hauptsächlich um Wasserstoff für den einheimischen Markt – neben dem Schwerlastverkehr auch für die Dekarbonisierung der Industrie (Stahl, Chemie) und die Energieversorgung abgelegener Regionen. Hier ist Speicherung essenziell, um Versorgungssicherheit und Netzstabilität zu gewährleisten.
Ein Beispiel aus der Provinz Alberta verdeutlicht dies: Das Unternehmen Ayrton Energy entwickelt dort ein Speichersystem auf Basis sogenannter Liquid Organic Hydrogen Carrier (LOHC), die Wasserstoff in einer organischen Flüssigkeit binden. Das Speichersystem ist ideal geeignet zur Pufferung von Produktionsspitzen, etwa in der Stahl- und Metallverarbeitung.
Kanada erwägt Salzkavernenlösungen als unterirdische Speicher
Kanada prüft auch die unterirdische Speicherung von Wasserstoff in Salzkavernen – eine Technologie, die sich bereits in Deutschland bewährt hat. Unternehmen wie Air Products, ATCO, Shell und Entropy Inc. treiben gemeinsam mit der Alberta Utilities Commission die Entwicklung entsprechender Speicherlösungen voran. Im Fokus stehen geologische Formationen, die sich bereits als Speicher für Erdgas bewährt haben und nun für Wasserstoff ertüchtigt werden sollen. Neben Lieferpotenzialen bei Dichtungssystemen und Technik eröffnene sich auch Kooperationschancen für Engineering-Dienstleister im Kavernenbau.
Einen alternativen Ansatz verfolgt das Unternehmen Proton Technologies, das Wasserstoff direkt in ehemaligen Ölfeldern erzeugt und speichert – ein Verfahren mit großem Potenzial für kostengünstige, großvolumige Speicherlösungen. Es eröffnet zusätzliche Liefermöglichkeiten, etwa für Anbieter von Membran- und Filtertechnik, Hochdruckkomponenten und Prozessautomatisierung.
Wasserstoffbasierte Lösungen für abgelegene Minenstandorte
Auch in der Rohstoffindustrie rückt Wasserstoff zunehmend in den Fokus – nicht zuletzt mit Blick auf Speicherlösungen für abgelegene Standorte. So plant Hy2gen Canada, die kanadische Tochter der deutschen Hy2gen AG, mit dem Projekt Courant die Produktion von grünem Ammoniak in der Provinz Québec. Ziel ist es, die Bergbauindustrie zu dekarbonisieren. Angedacht ist der Einsatz in ammoniumnitratbasierten Sprengstoffen.
Die Anlage in Baie-Comeau soll ab 2030 in Betrieb gehen. Sie setzt auf eine Kombination aus Elektrolyse und großvolumiger Speicherung, um eine kontinuierliche Versorgung sicherzustellen. Für deutsche Mittelständler mit Know-how in für mit Ammoniak geeignete Speichertechnik, Sicherheitsüberwachung, Sensorik oder Steuerungssystemen bestehen gute Chancen, sich frühzeitig als Technologiepartner zu positionieren – insbesondere mit Blick auf die Prozesssicherheit und die Logistik in abgelegenen Regionen.
Ostkanada: Temporäre Pufferspeicher dürften an Bedeutung gewinnen
Während sich die westkanadischen Provinzen auf Wasserstofflösungen für den lokalen Bedarf konzentrieren, bei denen Speichertechnologien eine Schlüsselrolle spielen, setzen die Atlantikprovinzen vorrangig auf die Produktion von grünem Wasserstoff für den Export. Projekte wie das Green Energy Hub von North Atlantic in Placentia Bay (Provinz Neufundland) oder ein E-Fuel-Vorhaben der Simply Blue Group in Goldboro (Provinz Nova Scotia) zielen auf die Herstellung von Wasserstoff ab, der direkt in Ammoniak umgewandelt und nach Deutschland verschifft werden soll.
Die Speicherung vor Ort spielt dabei bislang nur eine untergeordnete Rolle. Doch mit wachsender Elektrolyseleistung und wetterbedingten Schwankungen könnten temporäre Pufferlösungen künftig an Bedeutung gewinnen, etwa bei Produktionsspitzen. Ein Beispiel ist das Projekt Robinsons River Salt von Vortex Energy Corp. gemeinsam mit der Universität Alberta, das die Eignung eines Salzkomplexes in Neufundland für die Wasserstoffspeicherung untersucht. Auch lokale Industrien wie Chemie und Bergbau könnten künftig Wasserstoff nachfragen und damit dezentrale Speicherlösungen erforderlich machen.
Die Vielfalt der Speicheransätze in Kanada bietet deutschen Mittelständlern gute Anknüpfungspunkte. Besonders gefragt sind skalierbare und wartungsarme Lösungen, die sich in abgelegenen Regionen ebenso bewähren wie in industriellen Großanlagen. Die Deutsch-Kanadische Wasserstoffallianz und Initiativen wie der Transatlantische Dialog zu Wasserstoff-Hubs fördern gezielt den Austausch zwischen deutschen und kanadischen Akteuren.
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