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Kasachstan bleibt weiter abhängig von Chemieimporten
Kasachstan importiert einen Großteil seines Bedarfs an chemischen Produkten. Ausbauprojekte zielen darauf ab, den Anteil am heimischen Markt zu erhöhen und mehr zu exportieren.
07.05.2025
Von Viktor Ebel | Almaty
Ausblick der chemischen Industrie in Kasachstan
Bewertung:
- Große Rohstoffvorkommen als Basis für die chemische Industrie.
- Steigende Nachfrage im Inland und den Nachbarländern.
- Staatlich unterstützte Diversifizierung der Produktion.
Anmerkung: Einschätzung des Autors für die kommenden zwölf Monate auf Grundlage von prognostiziertem Umsatz- und Produktionswachstum, Investitionen, Beschäftigungsstand, Auftragseingängen, Konjunkturindizes etc.; Einschätzungen sind subjektiv und ohne Gewähr; Stand: April 2025
Markttrends
Kasachstans verarbeitende Industrie ist noch im Aufbau. Gerade bei technologisch anspruchsvollen Produkten ist das Land stark auf Importe angewiesen. Besonders deutlich zeigt sich dies bei chemischen Erzeugnissen. Laut dem staatlichen Zentrum für Industrie und Exporte, entfielen 96 Prozent des Marktvolumens 2024 auf Einfuhren aus dem Ausland. Etwas besser sieht es bei Plastik- und Gummierzeugnissen aus, wo lokale Produkte einen Marktanteil von 21 Prozent haben. Die Importe dieser beiden Produktkategorien, die in der kasachischen Außenhandelsstatistik zusammengefasst werden, steigen von Jahr zu Jahr und erreichten 2024 den Rekordwert von 9,5 Milliarden US-Dollar (US$).
Deutschland ist der drittwichtigste Lieferant
Aus Russland und China führt Kasachstan traditionell die meisten Chemie-, Plastik- und Gummierzeugnisse ein. An dritter Stelle folgte 2024 Deutschland mit Importen von 543 Millionen US$. Fast 40 Prozent davon entfällt auf Medikamente und pharmazeutische Produkte. Danach folgen Kunststoffwaren sowie Chemikalien für den Bedarf der Industrie, Landwirtschaft und Labore, so Zahlen des statistischen Bundesamtes.
Chemieindustrie wächst schneller als andere Branchen
Trotz einiger Schwächen wie veralteter Technik und die Anfälligkeit für externe Schocks wie beispielsweise den Ukrainekrieg ist die kasachische Chemieindustrie im Aufwind. Im Jahr 2024 stieg der Ausstoß der Branche auf über 2,2 Milliarden US$. Preisbereinigt wuchs die Chemieindustrie laut kasachischem Statistikamt mit 7,7 Prozent schneller als die Industrie (2,8 Prozent) im Durchschnitt. Am stärksten nahm die Produktion von Phosphatdüngern, Phosphor und Schwefelsäure zu. Rückgänge gab es bei Stickstoffdünger, Ammoniak und Baustoffchemikalien. Die in der Industriestatistik separat erfasste Sparte Kunststoff- und Gummierzeugnisse schrumpfte real um 0,8 Prozent.
Ein großer Standortvorteil ist der Zugang zu Rohstoffen wie Öl, Gas, Phosphor, Chrom und weiteren Ausgangsstoffen der chemischen Industrie, die in Kasachstan reichlich vorhanden sind. Hinzu kommt eine durch die brummende Wirtschaft getriebene Inlandsnachfrage nach chemischen Produkten. Auch die Nähe zu China, Russland und dem Wachstumsmarkt Zentralasien liefert Impulse, wo insbesondere kasachische Düngemittel gefragt sind. Die Regierung hat in Atyrau (Gebiet Atyrau) und Taras (Gebiet Schambyl) auch bereits zwei Sonderwirtschaftszonen (SWZ) mit Schwerpunkt Chemie geschaffen.
Investoren winken in Sonderwirtschaftszonen Präferenzbedingungen
- Befreiung von der Körperschaftssteuer, Grundsteuer sowie Eigentumssteuer
- Mehrwertsteuerbefreiung auf Verkäufe von Waren, die während des Produktionsprozesses vollständig im Gebiet der SWZ verbraucht werden
- Zollvergünstigungen beim Import von Waren in das Gebiet der SWZ
- Befreiung von Zollgebühren
- Vereinfachtes Verfahren zur Einstellung ausländischer Arbeitskräfte
Milliardenschwere Investitionen geplant
Der Aufschwung dürfte mit der Eröffnung mehrerer neuer Produktionsstandorte zusammenhängen. Darunter ist auch der milliardenschwere Gaschemiekomplex Kazakhstan Petrochemical Industries (KPI) in der SWZ Atyrau, der vom staatlichen Wohlstandsfonds Samruk Kazyna initiiert wurde. Der Gaschemiekomplex ging 2022 an den Start und produziert 500.000 Tonnen Polypropylen pro Jahr. Dabei kommt auch deutsche Technologie zum Einsatz, wie Germany Trade & Invest bei einer Unternehmensbesichtigung im Frühjahr 2025 beobachten konnte. Neben Gasturbinen von Siemens setzt KPI auch auf Abfüll- und Verpackungsanlagen von Haver & Boecker sowie auf Prüf- und Messanlagen von Möllers.
In den nächsten Jahren soll die Produktpalette um Butadien und Polyethylen erweitert werden, wie die Leitung der SWZ bestätigte. Die Vorhaben werden von Samruk Kazyna Ondeu (SKO), einer Tochtergesellschaft des Staatsfonds für die Entwicklung der Chemieindustrie, in Kooperation mit ausländischen Investoren umgesetzt. Alleine bei dem 2024 gestarteten Polyethylen-Projekt ist mit milliardenschweren Investitionen zu rechnen, von denen auch deutsche Unternehmen profitieren könnten. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Düngemittelproduktion, die in mehreren Landesteilen hochgefahren werden soll.
Investitionen zeigen weiter nach oben
Laut dem Branchenverband Kazkhimiya nahmen die Bruttoanlageinvestitionen in der Chemieindustrie im Jahr 2024 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 21,1 Prozent auf etwa 410 Millionen US$ zu, während die Investitionen der Kunststoff- und Gummiproduzenten um 54,2 Prozent auf 96 Millionen US$ sanken. Zusammen standen sie für 3,3 Prozent der Bruttoanlageinvestitionen der kasachischen Industrie im Jahr 2024.
Bezeichnung | Investitionen | Projektstand/Realisierungszeitraum | Projektträger/Partner |
---|---|---|---|
Bau eines Gaschemiekomplexes zur Produktion von jährlich 1,25 Mio. t Polyethylen in der Sonderwirtschaftszone Atyrau | 7,4 | Projektfrühstadium (2024-2029) | Samruk Kazyna Ondeu; Silleno (China) |
Aufbereitungs- und Produktionskomplex zur Herstellung von Kaliumsalzen in der Region Westkasachstan | etwa 3,5 | Volle Inbetriebnahme im Jahr 2035 | Qazaq Kalium; KfW Bankengruppe; Euler Hermes Group |
Bau einer Anlage zur Herstellung von Harnstoff und Ammoniak in der Region Mangistau (in der Nähe des Seehafens Kuryk) | etwa 1,35 | Unterzeichnung eines Investitionsabkommens; Inbetriebnahme 2028 | Kaz Azot; Wuhuan Engineering (China) |
Bau einer Anlage zur Herstellung von Mineraldüngern und Abbau von Lagerstätten im Karatau-Phosphoritbecken | mehr als 1,0 | 2. Phase im Gange (2025-2027) | EuroChem Group (Schweiz) |
Bau einer Anlage zur Harnstoffproduktion mit einer Kapazität von bis zu 1,5 Millionen Tonnen pro Jahr in der Sonderwirtschaftszone Seaport Aktau | 1,0 | Projektfrühstadium (2023-2028) | KazMunayGas |
Bau einer Anlage zur Herstellung von Butadien in der Sonderwirtschaftszone Atyrau | etwa 0,86 | Bau bis 2028 | Samruk Kazyna Ondeu, Tatneft (Russland); China Tianchen Engineering Corporation |
Bau einer Anlage für die Produktion von bis zu 1 Mio. t Natriumkarbonat jährlich in der Region Schambyl | etwa 0,44 | Bau bis 2026 | Yildirim Holding (Türkei) |
Branchenstruktur und Rahmenbedingungen
Zum 1. Februar 2025 waren in Kasachstan 1.136 Unternehmen in der Chemiebranche und 1.460 in der Kunststoff- und Gummiproduktion aktiv, gegenüber 1.086 beziehungsweise 1.465 ein Jahr zuvor. Bis auf wenige Ausnahmen handelt es sich dabei um Kleinbetriebe. Auf mittlere und große Unternehmen entfielen zu diesem Stichtag nur etwa 3 Prozent der Gesamtzahl. Knapp über 10 Prozent sind ausländische Unternehmen. Insgesamt sind in der Chemie-, Kunststoff- und Gummiproduktion 23.900 Menschen beschäftigt. Am stärksten ist die Chemiebranche im Gebiet Schambyl vertreten, das 2024 für ein Viertel des Ausstoßes stand. An zweiter und dritter Stelle folgen die Gebiete Ostkasachstan und Atyrau.
Der Anteil der Chemieindustrie am Bruttoinlandsprodukt lag in den vergangenen Jahren bei rund 1 Prozent. Das soll sich aber in Zukunft ändern, denn die Regierung sieht in der Chemieindustrie einen Schlüsselbereich für die Diversifizierung der kasachischen Wirtschaft und strebt einen Anteil von bis zu 3 Prozent an.
Neue Entwicklungsstrategie gibt die Richtung vor
SKO hat für die Jahre 2023 bis 2032 eine Strategie veröffentlicht, die die Ziele für die nächsten Jahre absteckt. So soll die kasachische Chemieindustrie durch gezielte Investitionen weiterentwickelt und zum führenden Hersteller chemischer Produkte mit hoher Wertschöpfung in Zentralasien werden. Neben einer breiten Produktpalette soll auch ein Fokus auf Nachhaltigkeit gelegt werden. Die Produktion ist sowohl für den Export als auch den heimischen Markt gedacht. Schwerpunkte sind:
Agrochemie (Stickstoff- und Phosphatdünger),
Petrochemie (chemische Grundstoffe und Weiterverarbeitung),
Spezialchemie (Feinchemikalien, pharmazeutische Wirkstoffe).