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Katar: LNG-Boom kurbelt Investitionen kräftig an
Hohe Investitionen in die Gasförderung befeuern die Ausschreibung von Projekten in Katar. Energievorhaben dominieren, Bau- und Infrastrukturvorhaben legen dagegen nur selektiv zu.
12.11.2025
Von Heena Nazir | Dubai
Katar gehört 2025 zu den wenigen Ländern der Golfregion, in denen öffentliche Auftragsvergaben wieder zunehmen. Nach Angaben der Marktbeobachtungsplattform MEED Projects belief sich das Volumen der neu vergebenen Aufträge in den ersten zehn Monaten des Jahres 2025 auf rund 20 Milliarden US-Dollar (US$). Gegenüber dem Vorjahreswert von 18 Milliarden US$ entspricht das einem Zuwachs von 10,3 Prozent. Die Finanzierung der Vorhaben gilt als solide. Dank hoher Einnahmen aus dem Export von Flüssiggas (LNG, Liquefied Natural Gas) verfügt der Staat über große fiskalische Puffer.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) prognostiziert für Katar im Jahr 2025 einen weitgehend ausgeglichenen Staatshaushalt mit einem Defizit von rund 0,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Ein Leistungsbilanzüberschuss von über 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und Währungsreserven von mehr als 55 Milliarden US$ unterstreichen die robuste Finanzlage des Landes.
Von Januar bis Oktober 2025 entfielen rund 9,3 Milliarden US$ auf Gasprojekte und 6 Milliarden US$ auf den Ölsektor. Strom- und Energievorhaben erreichten ein Volumen von 2,6 Milliarden US$, während Bau- und Transportprojekte deutlich geringere Werte verzeichneten.
Energiewirtschaft ist der Motor der katarischen Wirtschaft
Erdgas ist die Grundlage der katarischen Wirtschaft. Das Land verfügt über North Field, das größte Erdgasfeld der Welt. Seit Jahren baut die staatliche QatarEnergy dort ihre Produktionskapazitäten aus. Herzstück dieses Vorhabens ist die "North Field Expansion", mit der die jährliche Exportkapazität von rund 79 auf 110 Millionen Tonnen steigen soll, ein Zuwachs von über 35 Prozent. Das Vorhaben ist Teil der langfristigen Entwicklungsziele der Qatar National Vision 2030. Dafür laufen Großprojekte mit einem Wert von mehr als 43 Milliarden US$. Im Teilprojekt North Field East (NFE) lag der Baufortschritt laut dem staatlichen Energiekonzern QatarEnergy Anfang Oktober 2025 bei über 60 Prozent.
Erfolgsfaktoren für deutsche Unternehmen:
- Stark staatlich gesteuert, aber mit stabilem Finanzrahmen:
Fast alle Großprojekte werden von staatlichen Auftraggebern wie QatarEnergy, Ashghal oder Kahramaa vergeben. Durch hohe Haushaltsüberschüsse ist Finanzierungssicherheit gegeben, aber der Zugang erfordert formale Registrierung - Diversifizierung wächst langsam:
Kurz- bis mittelfristig bleibt der Gassektor der dominierende Wachstumstreiber des Projektmarktes. Rund 45 Prozent des Projektvolumens entfallen auf Energie- und Gasvorhaben wie die North Field Expansion oder neue LNG-Train-Projekte. Langfristig gewinnen jedoch auch der Transport- und Bausektor an Bedeutung – gestützt durch Infrastrukturinvestitionen im Rahmen der Qatar National Vision 2030. - Strukturierter, aber weniger dynamisch:
Der Markt ist kleiner und berechenbarer als der der VAE, mit weniger privaten Entwicklern. Ausschreibungen laufen formalisiert und strikt nach Regierungsprotokoll, weshalb Kontinuität, Compliance und gute Kontakte zu Staatsunternehmen entscheidend sind.
Das Offshore-Projekt COMP4, Teil des Programms North Field Production Sustainability, umfasst den Bau von zwei großen Kompressionsplattformen im Wert von rund 4 Milliarden US$. Die Detailplanung übernimmt Technip Energies im Auftrag von L&T Energy Hydrocarbon. Parallel dazu entstehen in Ras Laffan weitere LNG-Züge (Produktionslinien zur Verflüssigung von Erdgas), um die Gesamtkapazität schrittweise zu erhöhen.
Auch der Stromsektor profitiert von dieser Entwicklung. Neue Gaskraftwerke, Leitungsnetze und Smart-Grid-Komponenten sollen die Versorgung der LNG-Anlagen und der Industrieparks absichern. Im Mittelpunkt stehen Effizienzsteigerungen, Lastmanagement und die Einbindung erneuerbarer Energiequellen, betonen Analysten von MEED Projects.
Bausektor stabilisiert sich auf niedrigerem Niveau
Abseits der Energieindustrie bleibt der Bausektor mit einer Projektvergabe von rund 1,1 Milliarde US$ in den ersten zehn Monaten des Jahres 2025 vergleichsweise klein. Nach dem Abschluss der Infrastrukturprojekte für die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 konzentrieren sich die Investitionen nun auf die Nachnutzung, Stadtentwicklung und Modernisierung. Besonders in Doha und Lusail werden neue Wohn- und Geschäftsflächen geschaffen. Bestehende Sportstätten und Hotelanlagen werden umgebaut oder erweitert.
Transportsektor wird wichtiger
Die Projektvergabe in Katar bleibt auch mittelfristig auf hohem Niveau. Nach Angaben von MEED Projects befanden sich im November 2025 Vorhaben im Gesamtwert von rund 141 Milliarden US-Dollar (US$) in der Vorbereitung, Genehmigung oder Umsetzung.
Von Januar bis Oktober 2025 dominierten Gasprojekte die Ausschreibungen. Der größte Anteil der neu vergebenen Aufträge entfiel auf LNG- und Pipelinevorhaben. Bezieht man die geplanten Projekte ein, zeigt sich ein breiteres Bild: Laut MEED Projects standen im November 2025 im Transportsektor Vorhaben im Wert von rund 54,8 Milliarden US-Dollar in Planung oder Umsetzung. Mit einem Anteil von etwa 40 Prozent bildet er das aktuell wichtigste Segment. Es folgen der Bausektor mit rund 28 Prozent und der Gassektor mit etwa 22 Prozent des gesamten Projektvolumens.
| Projektname | Branche | Projektstatus | Projektwert (Mrd. US$) | Beschreibung |
|---|---|---|---|---|
| QatarEnergy – North Field West Development: Upstream | Gas | Technische Vorplanungsphase | 9 | Upstream-Projekt zur Erweiterung der Gasförderkapazitäten im North Field West; zielt auf langfristige Produktionssteigerung. |
| QatarEnergy – North Field West Development: Downstream | Gas | Studie | 9 | Downstream-Komponente des North Field West-Projekts, inklusive Gasverflüssigungs- und Verarbeitungseinheiten. |
| QRAIL – QIRP: Freight Rail Line 2 (RA-02) | Transport | Studie | 6,1 | Teil des Qatar Integrated Rail Project (QIRP); Ausbau einer Güterzugstrecke zur besseren Anbindung der Industriegebiete. |
| QRAIL – QIRP: Passenger Rail Line 1 (RA-01) | Transport | Studie | 5,1 | Personenverkehrsstrecke im Rahmen des nationalen Schienenprogramms QIRP. |
| QatarEnergy LNG – North Field Production Sustainability: Phase 2 (COMP5) | Gas | Angebotsbewertung | 5 | Projekt zur Sicherung der Gasproduktion im North Field; umfasst Offshore-Kompressionseinheiten. |
| Qatari Diar / FTG Development – Simaisma Development: Land of Legends | Bau / Tourismus | Designphase | 3 | Freizeit- und Tourismusentwicklung nördlich von Doha, angeführt von Qatari Diar in Kooperation mit FTG Development. |
| QRAIL – QIRP: Doha Metro Phase 2 – Blue Line Tunneling Works | Transport | Studie | 3 | Tunnelarbeiten der Blue Line als Teil der zweiten Ausbaustufe der Doha Metro. |
| Amiri Flight / OTHH – Amiri Flight Facilities | Bau / Infrastruktur | Angebotsbewertung | 2 | Modernisierung und Erweiterung der VIP-Luftfahrtanlagen am Hamad International Airport. |
| QRAIL – QIRP: Passenger & Freight Rail (Masterplan) | Transport | Studie | 2,3 | Übergeordneter Masterplan für den kombinierten Personen- und Güterverkehr im nationalen Schienennetz. |
| QAPCO – Propane Dehydrogenation (PDH) & Polypropylene (PP) Plant | Chemie | Präqualifikation Hauptvertrag | 1,5 | Neues Chemiewerk zur Herstellung von Propylen und Polypropylen in Mesaieed; stärkt Katars industrielle Wertschöpfungskette. |
Markteintritt und harte Konkurrenz bleiben große Herausforderung
Der katarische Projektmarkt bietet deutschen Unternehmen ein dynamisches, aber anspruchsvolles Umfeld. Die Regierung investiert kontinuierlich in Energie, Verkehr und Bauwesen. In diesen Bereichen genießen deutsche Technologie und Ingenieurleistungen einen hervorragenden Ruf. "Projekte wie die Erweiterung der Doha Metro oder großangelegte Stadtentwicklungen in Lusail und Simaisma eröffnen konkrete Geschäftsmöglichkeiten für Anbieter aus Deutschland, etwa in Planung, Steuerung und Stadttechnik", erklärt Ilef Ajra, Leiterin der AHK-Repräsentanz in Doha. "Erfolgreich sind deutsche Anbieter, die frühzeitig Präsenz zeigen, technologische Alleinstellungsmerkmale hervorheben und langfristige Partnerschaften aufbauen. Ihre Stärken liegen in Ingenieurqualität, Innovationskraft und nachhaltigen Konzepten, die in Katar zunehmend nachgefragt werden."
Zugleich bleibt der Marktzugang herausfordernd. Der Wettbewerb ist intensiv, insbesondere durch Anbieter aus China, Südkorea, der Türkei und Indien, die den Projektmarkt dominieren. Genehmigungs- und Registrierungsverfahren unterscheiden sich je nach Behörde, und Verzögerungen können bei Projekten mit engen Zeitplänen rasch zu Mehrkosten oder Vertragsstrafen führen, berichten deutsche Unternehmen gegenüber Germany Trade & Invest.
| Aspekt | Beschreibung |
|---|---|
| RHQ-/Präsenzpflicht für öffentliche Aufträge | Es besteht keine formale Niederlassungspflicht, doch eine lokale Registrierung beim Finanzministerium wird vorausgesetzt. Eine Präsenz vor Ort erleichtert die Kommunikation mit Behörden und verbessert die Chancen bei öffentlichen Aufträgen. |
| Zentrale Vergabestellen | Öffentliche Ausschreibungen werden zentral über das Government Procurement Regulatory Department (GPRD) des Finanzministeriums abgewickelt. Das nationale E-Vergabesystem ist unter monaqasat.mof.gov.qa zugänglich. |
| Typische Vergabeverfahren | Standardisierte öffentliche Ausschreibungen mit festen Fristen und digitaler Angebotsabgabe. Verfahren laufen meist in englischer Sprache und sind transparent über das GPRD-Portal abrufbar. |
| Besonderheiten für ausländische Anbieter | Ausländische Unternehmen müssen sich vor Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen im GPRD-Register eintragen. Die Zusammenarbeit mit lokalen Partnern oder Agenten wird empfohlen, um administrative Abläufe zu beschleunigen. |
| Lokalisierungsquote / Local Content (Qatarisation) | Nach Gesetz Nr. 12/2024 soll der Anteil katarischer Staatsbürger im privaten Sektor bis 2030 deutlich steigen (Ziel: ca. 20 %). Auftraggeber bevorzugen Anbieter, die lokale Beschäftigung fördern oder Schulungsprogramme anbieten. Eine feste ICV-Quote besteht derzeit nicht. |