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Branchen | Kirgisistan | Erneuerbare Energien

Im Land der Wasserkraft wird der Strom knapp

In Kirgisistan herrscht seit Sommer 2023 Energienotstand. Der Klimawandel gräbt den Wasserkraftwerken das Wasser ab. Die Stromversorgung muss breiter aufgestellt werden.

Von Viktor Ebel | Bonn

Auf den ersten Blick ist Kirgisistan ein Vorreiter der Energiewende: Fast 90 Prozent des Stroms stammte in den letzten Jahren aus Wasserkraft. Die Abhängigkeit von einem einzigen Energieträger wird dem Land aber zunehmend zum Verhängnis. Aufgrund des Klimawandels sinken die Wasserstände in den Reservoirs seit Jahren, und damit auch die Stromerzeugung in den Wasserkraftwerken. Im Sommer 2023 wurde der kritische Punkt erreicht, weshalb die Regierung bis Ende 2026 den Energienotstand ausgerufen hat. Der Bau von neuen Anlagen zur Stromerzeugung wird nun intensiver verfolgt und gefördert. Auch ausländische Investoren sind dazu aufgerufen, sich in der Energiewirtschaft zu engagieren. Die Branche lockt mit Vorzugsbedingungen.

Kirgisistan taucht auf Radar ausländischer Energieriesen auf

Internationale Firmen spielen in Kirgisistans Energiemarkt noch keine Rolle. Das soll sich bald ändern. Erste namhafte Energiekonzerne aus dem Ausland haben Abkommen mit der Regierung geschlossen und wollen bald in den kirgisischen Markt eintreten. So das französische Unternehmen TotalEnergies Renewables, welches grüne Kraftwerke finanzieren, entwickeln und betreiben will. Mit Masdar Clean Energy aus Abu Dhabi ist auch ein Konzern an Bord, der bereits kräftig bei Solar- und Windstrom in Zentralasien mitmischt. In Kirgisistan will das Unternehmen in den nächsten Jahren Projekte mit einer Gesamtkapazität von 3,6 Gigawatt realisieren. Insgesamt will Masdar sein Portfolio an erneuerbaren Quellen bis 2030 von 20 auf 100 Gigawatt ausbauen.

Vorzugsbedingungen für Erneuerbare-Energien-Projekte

  • Befreiung von der Einkommenssteuer für fünf Jahre;
  • Befreiung von der Mehrwertsteuer beim Import von Ausrüstung, die für Bau und Betrieb der Anlagen benötigt wird;
  • Entfall der Lizenzpflicht für den Stromverkauf für Betreiber von Kraftwerken auf Basis erneuerbarer Energien;
  • Beschleunigte Vergabe von Grundstücken im Zuge des Energienotstandes bis Ende 2026.

Laut dem kirgisischen Energieministeriums sollen 2024 insgesamt 20 Solar- und Windfarmen an den Start gehen, was allerdings deutlich übertrieben sein dürfte. Zwar gibt es Bewegung in diesen Sparten: So ist das deutsche Unternehmen W. Hass Future im Gespräch, einen Solarpark für 300 Millionen US-Dollar (US$) in Kirgisistan zu entwickeln, berichtet die Nachrichtenagentur Kabar. Doch der Schwerpunkt bei der Stromerzeugung ist und bleibt die Wasserkraft. Bis zum Ablauf des Notstands Ende 2026 sollen laut Präsident Japarov 48 neue Kleinwasserkraftwerke an den Start gehen, um die Energiesicherheit zu gewährleisten. Auch mit dem Nachbar China hat das kirgisische Energieministerium vereinbart, für bis zu 3 Milliarden US$ das Wasserkraftwerk Kazarman am Fluss Naryn zu bauen.

Regierung und Geber halten trotz Klimawandel an Wasserkraft fest

Ob Wasserkraftwerke auf lange Sicht die Antwort auf Kirgisistans Energiekrise sind, bleibt fraglich. In den letzten 70 Jahren hat der Klimawandel den Vereinten Nationen (UN) zufolge dazu geführt, dass die Gletscherfläche im Land um 16 Prozent zurückgegangen ist. Das heißt, die Flüsse führen weniger Schmelzwasser, welches in den Wasserkraftwerken für die Stromproduktion benötigt wird. Laut Prognosen der UN könnte sich die Gletscherfläche bis 2050 sogar halbieren, wenn nicht gegengesteuert wird. Damit würde in Zukunft nicht genug Wasser in den Rückhaltebecken angestaut, welches die Turbinen im Herbst und Winter antreibt. Genau das hat sich im Falle der Toktogul Talsperre bewahrheitet - dort erzeugt Kirgisistan 40 Prozent seines Stroms. Das Resultat waren Stromabschaltungen im Winter 2023/2024.

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Dennoch halten Regierung und auch internationale Geberbanken an der Wasserkraft fest. Erst kürzlich hat die Weltbank 5 Millionen US$ bewilligt, um die Machbarkeitsstudie für das Milliardenprojekt Kambar-Ata-1 zu aktualisieren. Lange Zeit wurde der Bau der Talsperre von Streitigkeiten mit den Nachbarländern Kasachstan und Usbekistan überschattet, die das anzustauende Wasser für ihre Landwirtschaft benötigen.

Nachdem sich die Anrainer 2023 geeinigt hatten, ist der Weg für den Staudamm und das dazugehörige 2-Gigawatt-Kraftwerk nun frei. Die Weltbank wird das Vorhaben in der ersten Phase mit bis zu 200 Millionen US$ unterstützen, wie der für Kirgisistan zuständige Ländermanager Naveed Hassan Naqvi in einem Interview mit Kabar bekannt gab. Die Gesamtkosten werden auf bis zu 4,5 Milliarden US$ geschätzt.

Stabile Stromversorgung ist wichtig für wirtschaftliche Entwicklung

19.000 GWh

Strom sollen in Kirgistan 2026 verbraucht werden.

Auch wenn die Projekte umstritten sind, ist der Ausbau der Kapazitäten dringend. Laut einem aktuellen Bericht des Entwicklungsprogramms der UN (UNDP) hatten 2021 nur 70 Prozent der Bevölkerung eine gesicherte Elektrizitätsversorgung. Der Strommangel schmälert nicht nur die Lebensqualität, sondern bremst auch die wirtschaftliche Entwicklung. Stillstehende Maschinen sind Gift für das verarbeitende Gewerbe, das in dem Land gerade erst Fuß fasst. Die Stromnachfrage im schnell wachsenden Kirgisistan nimmt seit Jahren kontinuierlich zu, während die Stromerzeugung rückläufig ist. Neben Abschaltungen hat dies auch relativ teure Stromimporte zur Folge.

Die rückgängige Stromerzeugung ist unter anderem auch auf die verschlissene Technik zurückzuführen. Laut Weltbank-Experte Naqvi hat mehr als die Hälfte der Wasserkraftwerke und der Verteilernetze ihre Lebensdauer überschritten und muss instandgesetzt oder ersetzt werden. Die Asian Development Bank unterstützt Kirgisistan bei der Sanierung der Wasserkraftwerke Uch-Kurgan und Toktogul, wo unter anderem elektrische und mechanische Ausrüstung sowie ganze Turbinen-Generatorblöcke ausgetauscht werden.

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Klimaziele geben Energiewirtschaft klare Richtung vor

Neben den Wasserkraftwerken hat Kirgisistan auch erhebliche Kohlevorkommen und zwei Wärmekraftwerke. Ein Ausbau in diesem Segment würde jedoch im Widerspruch zu den Klimazielen des Landes stehen: Reduktion der Treibhausgasemissionen um 44 Prozent bis 2030 und Klimaneutralität bis 2050. Im Gegenteil, die Kohlekraftwerke müssen mit der Zeit stillgelegt werden, da der Energiesektor laut UNDP 60 Prozent der Emissionen verursacht und damit die wichtigste Stellschraube bei der Dekarbonisierung ist. Am Ausbau der Erneuerbaren, vor allem bei Fotovoltaik- und Windparks, führt in Kirgisistan daher kein Weg vorbei.

Noch viele Hürden beim Ausbau der Erneuerbaren

  1. Nationaler Plan für Erneuerbare Energien: Ein Dokument, dass die aktuellen Potenziale beziffert und die Ziele bis 2035 absteckt, ist in Arbeit. Die Veröffentlichung steht noch aus.
  2. Erhöhung der Strompreise: Niedrigste Strompreise in der Region, die nicht kostendeckend sind und zu Defiziten und Investitionsstau führen.
  3. Verbesserung der Investitionsbedingungen: Attraktivere Einspeisetarife und Implementierung von öffentlich-privaten Partnerschaften.
  4. Einführung von Auktionsmodellen: Schafft Wettbewerb und Transparenz bei Vergabe von Kapazitäten an Investoren.
  5. Regionale Kooperation: Ausbau der grenzüberschreitenten Zusammenarbeit für ein stabiles und effizientes zentralasiatisches Stromnetz. 

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