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Special | Kolumbien | LkSG | Umsetzungshilfe Risikoanalyse

Missachtung von Arbeitsschutz und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren

Der Länderbericht Umsetzungshilfe Risikoanalyse Kolumbien unterstützt bei der Ermittlung und Vermeidung menschenrechtlicher Risiken gemäß dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz.

(Vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 5 LkSG)

Kurzbeschreibung: Maßgeblich ist das Recht des Beschäftigtenortes. Verstöße gegen das national anwendbare Arbeitsschutzrecht sind verboten, wenn dadurch die Gefahr von Unfällen bei der Arbeit oder arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren entstehen. Dies kann durch ungenügende Sicherheitsstandards, Fehlen geeigneter Schutzmaßnahmen und ungenügende Ausbildung und Unterweisung verursacht werden.

Gesetzliche Grundlagen

Kolumbien ist Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation (International Labour Organization; ILO), hat aber die hier relevanten Übereinkommen über Arbeitsschutz und Arbeitsumwelt (ILO-Übereinkommen Nr. 155) sowie über den Förderungsrahmen für den Arbeitsschutz (ILO-Übereinkommen Nr. 187) nicht ratifiziert (Stand: Juli 2023). Allerdings hat Kolumbien das Übereinkommen über die betriebsärztlichen Dienste (ILO-Übereinkommen Nr. 161) und das Übereinkommen über industrielle Störfälle (ILO-Übereinkommen Nr. 174) ratifiziert. Informationen zu Mitgliedschaften in internationalen Abkommen sind in der Datenbank NORMLEX (Information System on International Labour Standards) der ILO verfügbar: Ratifications by country.

Kolumbien ist Mitglied der Andengemeinschaft (Comunidad Andina; CAN), die mit dem CAN-Beschluss 584 vom 7. Mai 2004 Regeln zur Verbesserung der Bedingungen für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz in den Mitgliedsländern verabschiedet haben.

Kolumbien ist ein Land, das über einen sehr umfassenden Rechtsrahmen für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz verfügt. In der kolumbianischen Verfassung von 1991 (Constitución Política de la República de Colombia de 1991) finden sich mehrere Normen zu diesem Thema. Artikel 25 der Verfassung, in dem das Recht auf Arbeit verankert ist, und Artikel 48 über die soziale Sicherheit bilden den wichtigsten normativen Verfassungsrahmen. Er bildet die Grundlage für das so genannte kolumbianische Arbeitsschutzmanagementsystem (Sistema de Gestión de Seguridad y Salud en el Trabajo; SG-SST).

Das Recht auf Arbeit genießt in Kolumbien einen besonderen Schutz durch den Staat. Seine Ausübung setzt würdige und faire Bedingungen voraus. Daher kommt dem SG-SST eine grundlegende Rolle zu, das darauf abzielt, durch die Arbeitsbedingungen verursachte Unfälle und Krankheiten zu verhindern. Die Vorschriften zu diesem System sind weit verstreut und bestehen aus Gesetzen, verschiedenen Arten von Dekreten und Resolutionen, die von unterschiedlichen Stellen erlassen wurden. Dies kann es den Unternehmen erschweren, alle Normen für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit zu kennen und folglich auch einzuhalten.

Das wichtigste Rechtsinstrument für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz in Kolumbien ist das Arbeitsgesetzbuch (Código Sustantivo de Trabajo; CST), in dem die Dekrete 2.663 von 1950 und 3.743 von 1950 zusammengefasst sind. Es wurde durch mehrere nachfolgende Gesetze reformiert. Das Gesetz 9 von 1979, das heute als Nationales Gesundheitsgesetzbuch (Código Nacional Sanitario) bekannt ist, ist das erste Gesetz, das die gesundheitlichen Aspekte am Arbeitsplatz regelt. In diesem Gesetz wurden fünf Aspekte des Gesundheitsschutzes festgelegt: Prävention von durch die Arbeitsbedingungen verursachten Schäden, Risikoschutz, Eliminierung und Kontrolle von Schadstoffen, besonderer Schutz von Personen, die Strahlungen ausgesetzt sind, und Schutz vor gefährlichen Substanzen. Mit diesem Gesetz wurde das Gesundheitsministerium (Ministerio de Salud y Protección Social) als zuständige Stelle für die Organisation dieser Fragen ermächtigt. Allerdings ist diese Zuständigkeit mit dem Gesetz 1444 von 2011 auf das Arbeitsministerium (Ministerio de Trabajo) gewechselt.

Das Gesetz 100 von 1993 hat das Allgemeine Sozialversicherungssystem (Sistema General de la Seguridad Social) geschaffen. Außerdem wurden dem Präsidenten der Republik außerordentliche Befugnisse erteilt, der mit dem Gesetzesdekret 1295 von 1994 die Organisation und Verwaltung des Systems der Arbeitsrisiken (Sistema de Riesgos Laborales) festgelegt hat. Das Gesetz 1.562 aus dem Jahr 2012, bekannt als Gesetz über Arbeitsrisiken (Ley de Riesgos Laborales), gab diesem System ein neues Gesicht und enthielt ein umfassenderes Arbeitsschutzkonzept. Sein Ziel ist die Verbesserung der Arbeitsbedingungen, was die Förderung und Aufrechterhaltung des körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens der Arbeitnehmer in allen Berufen beinhaltet.

Das Dekret 1072 aus dem Jahr 2015 ist das Rechtsinstrument, mit dem das SG-SST in Kolumbien eingeführt wurde. Der Beschluss 0312 von 2019 des Arbeitsministeriums legt die Mindeststandards für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz fest. Dieser Beschluss verpflichtet Unternehmer zur Einhaltung von mehr als 60 Mindeststandards, die je nach Produktionssektor und Anzahl der Beschäftigten variieren.

Im Wesentlichen ist der Arbeitgeber unter anderem für Folgendes verantwortlich: Festlegung und Bekanntgabe der Richtlinien für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz an die Arbeitnehmer; Durchführung von Maßnahmen zur Vermeidung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten; mindestens einmal jährliche Überprüfung dieser Maßnahmen; Aufbewahrung von Unterlagen über die Gesundheit der Arbeitnehmer, wie zum Beispiel die Ergebnisse der ärztlichen Untersuchungen für die Zulassung, die regelmäßigen Untersuchungen und die Ruhestandsuntersuchungen sowie Unterlagen über Unterweisungen der Arbeitnehmer in Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, für einen Zeitraum von 20 Jahren.

Zu den wichtigsten Pflichten des Arbeitnehmers gehören: Bereitstellung klarer, wahrheitsgemäßer und vollständiger Informationen über seinen Gesundheitszustand; Einhaltung der Regeln des SG-SST; rechtzeitige Meldung latenter Gefahren und Risiken am Arbeitsplatz an den Arbeitgeber; Teilnahme an den im Unterweisungsplan. Kommt der Arbeitnehmer diesen Pflichten nicht nach, kann er für jeden Unfall verantwortlich gemacht werden, was die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen erschwert. Informationen zu einschlägigen nationalen Policies und zum anwendbaren nationalen Recht sind in der Datenbank NATLEX (Database on national labour, social security and related human rights legislation) der ILO verfügbar: Browse by country.

Weiterführende Informationen zu Definition und rechtlichen Instrumenten bezüglich Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz bietet der Praxislotse Wirtschaft & Menschenrechte.

Risiken

Nach den letzten verfügbaren Zahlen der ILO aus dem Jahr 2017 lag die Zahl der Arbeitsinspektionen bei 8.494 und die Zahl der nichttödlichen Arbeitsunfälle bei 3,7 pro 100.000 Beschäftigte. Arbeitsunfälle ereignen sich in Kolumbien vor allem im Baugewerbe, in der Industrie und im Bergbau. Gewerkschaftsvertreter von Bergbauunternehmen im Bundesstaat Cesar kritisierten in der Vergangenheit unzureichenden Arbeitsschutz und ein mangelndes Verantwortungsbewusstsein der Unternehmen. Laut der nationalen Bergbauagentur ANM starben 55 Menschen bei Bergbauunfällen im Jahr 2022. Im März 2023 starben mehr als 20 Menschen bei Gasexplosionen in Kohlebergwerken im Bundesstaat Cundinamarca.

Im Frühjahr 2022 unterzeichnete die damalige Regierung das Dekret 539, das eine neue Hygiene- und Sicherheitsverordnung für den Tagebau erlässt. Die Verordnung verpflichtet die Betreiber unter anderem dazu, Verfahrensprotokolle zu erstellen und die Mitarbeitenden zu schulen. Im Mai 2023 kündigten das kolumbianische Bergbauministerium und die ANM mehrmonatige Inspektionen in verschiedenen Bundesstaaten an. Zudem arbeiten das Ministerium und die ANM an der Umsetzung eines nationalen Bergbausicherheitssystems.

Laut der ILO zählt die Landwirtschaft weltweit zu den gefährlichsten Sektoren für Arbeitsunfälle, vor allem aufgrund von parasitären Krankheiten und Chemikalien. Berichten zufolge arbeiten nicht gewerkschaftlich organisierte Beschäftigte in Kolumbien, insbesondere in der Landwirtschaft, zum Teil unter gefährlichen Bedingungen, weil sie befürchten, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, wenn sie Missstände melden. Laut Bibian García, Agrarexpertin beim Globalen Pakt der Vereinten Nationen in Kolumbien, mangelt es Arbeitenden und Kleinbetrieben zudem oft an Wissen und Aufklärung über die Notwendigkeit eines angemessenen Arbeitsschutzes.

Um mögliche Risiken bei der Missachtung von Arbeitsschutz und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren Kolumbiens zu ermitteln, können Unternehmen auf den CSR Risiko-Check zurückgreifen.

Präventions- und Abhilfemaßnahmen 

Neben themenspezifischen Initiativen und Nichtregierungsorganisationen gibt es in Kolumbien verschiedene übergreifende Programme, die versuchen, Lieferketten menschenwürdiger und nachhaltiger zu gestalten. Die Binationale Arbeitsgruppe Mexiko-Kolumbien zu Menschenrechten in Lieferketten mit Beteiligung der Deutsch-Kolumbianischen Industrie- und Handelskammer (AHK Kolumbien) und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) startete im März 2023. Das Projekt findet im Rahmen der trilateralen Zusammenarbeit zwischen Deutschland, Kolumbien und Mexiko zum Schutz der Menschenrechte in Lieferketten statt. Die Arbeitsgruppe zielt unter anderem darauf ab, Unternehmen für menschenrechtliche Themen im Agrar-, Rohstoff- und Energiesektor zu sensibilisieren sowie Präventions- und Abhilfemaßnahmen zu entwickeln. Seit 2019 ist die GIZ mit Programmen zu nachhaltigen Agrarlieferketten in den kolumbianischen Bundesstaaten Caquetá und Meta aktiv. Das Projekt INCAS Global+ arbeitet in den Lieferketten von Kaffee, Kakao, Naturkautschuk, Palmöl und Bananen. Neben Schulungen zu nachhaltigen Anbaupraktiken entwickelt das Programm digitale Lösungen, mit denen Unternehmen die Nachhaltigkeit der Produzenten nachverfolgen können.

Der Vision Zero Fund ist eine Multi-Stakeholder-Plattform, die gemeinsam mit Experten Trainings für Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit in verschiedenen Lieferketten anbietet. Weiterführende Informationen zu Präventions- und Abhilfemaßnahmen hinsichtlich des Verbots der Missachtung des Arbeitsschutzes können über den Praxislotsen Wirtschaft & Menschenrechte unter Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz eingesehen werden. Zudem ist die International Commission on Occupational Health in Kolumbien vertreten.

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