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Die Regierung des Landes möchte die schlechte Stromversorgung des Inselstaates deutlich verbessern. Großprojekte bieten ebenso Chancen wie Lösungen für Inselnetze.
22.10.2020
Von Carsten Ehlers | Nairobi
Madagaskars Stromsektor dürfte deutschen Unternehmen in den kommenden Jahren diverse Geschäftsmöglichkeiten bieten. Dazu zählen technische Beratung, Zulieferung von technischen Komponenten sowie Beteiligung am Aufbau von Inselnetzen in entlegenen Regionen. Der Bedarf an zusätzlichem Strom ist hoch und steigend. Die Insel im Indischen Ozean hat weltweit mit den geringsten Zugang zu Elektrizität. Schätzungen variieren zwischen 17 und 23 Prozent der Bevölkerung. Auf dem Land liegt die Rate deutlich darunter.
Die von 2009 bis 2014 andauernde politische Krise hat auch die Weiterentwicklung des Stromsektors verzögert. Viele Reformen und Investitionen sind ausgeblieben und sollen nun nachgeholt werden. Die Dringlichkeit der Maßnahmen steigt, da zu den derzeit etwa 27,3 Millionen Einwohnern jährlich 700.000 Menschen hinzukommen.
Bei allem Potenzial sind die Möglichkeiten zu investieren seitens des madagassischen Staates und privater Akteure begrenzt. Die Aussichten für die Konjunktur sind angesichts der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie bis mindestens zum Jahr 2021 nicht gut. Immerhin hat sich das Land unter Präsident Andry Rajoelina nach der Phase der politischen Instabilität zuletzt beruhigt.
Der Staat ist mit Unterstützung ausländischer Geber der größte einzelne Investor im Stromsektor des Landes. Leitfaden für seine Ziele ist das im September 2015 veröffentlichte Weißbuch zur neuen Energiepolitik (La Nouvelle Politique de l’Energie, NPE), das die Elektrizitätsversorgung von 70 Prozent der Bevölkerung bis 2030 zum Ziel erklärt. Laut der NPE-Strategie sollen bis zum Jahr 2030 etwa 3.400 Megawatt an Wasserkraft installiert sein.
Jedoch gilt der staatliche Stromversorger Jirama als marode und ist ohne fremde Hilfe kaum in der Lage zu investieren. Der Staat öffnet sich daher für privates Engagement in Form von Independent Power Producer (IPP) oder Public Private Partnership (PPP). Zwei größere Wasserkraftwerke, die in das Jirama-Netz einspeisen sollen, werden derzeit von IPP-Konsortien geplant und sollen von diesen auch gebaut und betrieben werden. Gleiches gilt für kleinere Wasser- und solarbetriebene Anlagen. Derartige Anlagen, die ins Netz einspeisen sollen, werden von Jirama ausgeschrieben, ab einer gewissen Größe auch vom Energieministerium MEH.
Da es kein landesweites Stromnetz gibt, spielen Insellösungen eine wichtige Rolle. Beim Ausbau der häufig mit Diesel betriebenen Anlagen wünscht die Regierung den Einsatz von erneuerbaren Energieträgern, wie Wasser, Solar und Wind. Bevorzugt werden komplette Lösungen inklusive Finanzierung, Installierung und Betrieb im Rahmen von PPP (Build-Operate-Transfer (BOT)-Verfahren). Die Ausschreibungen erfolgen meistens durch die Agentur ADER. Kleinere Kraftwerke mit einer Kapazität von weniger als 5 Megawatt können ohne Ausschreibung direkt vergeben werden. Mitunter ist es auch möglich, proaktiv Projektvorschläge einzureichen.
Nachfrage nach Lösungen im Bereich der Energieversorgung kommt auch von privater Seite. Neben wohlhabenden Haushalten, die sich eine eigene Versorgung leisten können, investieren Industrie, Landwirtschaft, Tourismus und Bergbau in eine autarke Stromversorgung. Überwiegend wird dies noch mit Dieselgeneratoren erledigt, verstärkt werden aber auch erneuerbare Energien, allen voran Fotovoltaik eingesetzt. Wer hier Gesamtkonzepte inklusive Finanzierung und Betrieb anbieten kann, verfügt über gute Chancen.
Größter Einkäufer von Komponenten und Dienstleistungen ist der staatliche Stromversorger Jirama, bislang Monopolist beim nationalen Stromnetz (Erzeugung, Übertragung und Verteilung). Eine längst überfällige Restrukturierung und Kommerzialisierung der maroden Organisation verzögerte sich auch durch die politische Instabilität und wird von diversen Gebern wie der Weltbank (Projekt „Pagose“) und AfDB (Projekt „PARSE“) nun vorangetrieben.
Jirama verfügt derzeit über eine Erzeugungskapazität von etwa 550 Megawatt, davon etwa 160 Megawatt Wasserkraft. Die Kapazität thermischer Energie liegt zurzeit mit rund 390 Megawatt recht hoch. Insbesondere als während der Stromknappheit im Jahr 2016 schnelle Lösungen gefragt waren, wurden mehrere Schweröl- und Dieselkraftwerke im Rahmen von IPP gebaut.
Für Unternehmen, die im madagassischen Energiesektor aktiv werden möchten, ist lokale Präsenz wichtig. Aufgrund der geringen Marktgröße sind viele Firmen noch nicht selbst, sondern über einen lokalen Partner vor Ort, der über gute Beziehungen in die Institutionen des Stromsektors verfügt. In Madagaskar etabliert sind unter anderem Henri Fraise Fils & Cie., Electricité de Madagascar (EDM) und Oceantrade.
Nur wenige ausländische Unternehmen sind mit einem eigenen Büro vor Ort, wie die französische Schneider Electric. Aus Deutschland sind Zulieferer, wie die beiden Turbinenhersteller Voith und Andritz regelmäßig im Rahmen von Projekten in Madagaskar aktiv, betreiben dort aber kein eigenes Büro. Gleiches gilt für die Ingenieurberater von Lahmeyer und Fichtner. Im Bereich der ländlichen Elektrifizierung betätigt sich unter anderem Autarsys.
Die deutsche Bundesregierung als größter bilateraler Geber im madagassischen Energiesektor setzt sich im Rahmen des EZ-Programms „Nachhaltige Stromversorgung durch Erneuerbare Energien“ für die Förderung von Investitionen in erneuerbare Energien ein. Über die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) unterstützt die Bundesregierung darüber hinaus die Institutionen vor Ort bei der Konzipierung eines modernen, internationalen Standards entsprechenden regulatorischen Rahmens sowie der Einführung technischer Normen für die Netzanschlüsse neuer Großkraftwerke wie Volobe und Sahofika.
Bezeichnung | Anmerkungen |
Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft | |
Anlaufstelle für deutsche Unternehmen | |
Portal der Exportinitiative des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie | |
EDBM ist die staatliche Investitionsfördergesellschaft. Menja Andriamampianina ist der Energieexperte. | |
Energieministerium. Das MEH koordiniert die Entwicklung und die operativen Tätigkeiten im Bereich Energie. | |
Staatliche Agentur für die Förderung der ländlichen Elektrifizierung | |
Staatlicher Stromversorger | |
Stromregulierungsbehörde. Soll im Jahr 2021 in die Arelec umgewandelt werden. |