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Branchen | Marokko | Textil-, Ledermaschinen

Textilsektor will erforderliche Modernisierung vorantreiben

Die marokkanische Textil- und Bekleidungsindustrie will sich neu positionieren. Das könnte Chancen für Textilmaschinen aus Deutschland bieten.

Von Michael Sauermost | Casablanca

Marokkos Textilindustrie hat zuletzt schwere Zeiten durchlebt. Die Abhängigkeit von teuren Rohstoffen sowie die internationale Konkurrenz, vor allem aus der Türkei, machten der Branche zu schaffen. Um Boden wiedergutzumachen, muss in die Wettbewerbsfähigkeit investiert werden. Ein Vorteil könnte die Nähe zu Europa sein. Zuletzt haben eine Reihe von Unternehmen angekündigt, ihre Lieferketten neu zu gestalten. Dadurch könnte der Bedarf an modernen Ausrüstungen steigen.

Verband schneidert ambitionierte Zukunftspläne

Vor diesem Hintergrund erarbeitete der Branchenverband AMITH (Association Marocaine des Industries du Textile et de l´Habillement) eine Vision für das Jahr 2035. Unter anderem lauten die Ziele, den Marktanteil im Inland von derzeit rund 20 auf dann 40 Prozent zu erhöhen. Die Exporte sollen im Vergleich zu 2020 verdoppelt werden.

Bereits für den Zeitraum 2022 bis 2025 sind mehrere Reformen geplant. AMITH hat diese in sieben Zielvorgaben aufgeteilt. Zunächst sollen die organisatorischen Abläufe des Verbands transparenter und effizienter gestaltet werden.

Das zweite Ziel ist es, die Textil- und Bekleidungsindustrie beim Marktzugang im Ausland zu unterstützen. Dabei geht es beispielsweise um Informationen über Freihandelsabkommen, Ursprungsregeln und allgemeinen Zugangsbedingungen. Auch verspricht AMITH Unterstützung beim Zugang zum öffentlichen Beschaffungswesen.

Der Aktionsplan sieht außerdem vor, die Investitionsbedingungen für die Zulieferindustrie zu verbessern. Das soll auch die Ausbildung von Fachexperten umfassen. Ein weiteres Ziel des Verbands ist es, durch öffentliche Kampagnen lokale Marktanteile zurückzugewinnen. Nationale Marken sollen gestärkt und lokale Lieferketten gefördert werden.

Deutsche Unternehmen könnten profitieren

Weitere Ziele könnten sich positiv auf die Geschäftschancen für deutsche Unternehmen auswirken. Denn das Strategiepapier sieht auch vor, in der Textilbranche die Industrie 4.0 einzuführen. Prozesse könnten optimiert und digitalisiert werden. Bei der Einführung der neuen Technologien sollen Textil- und Bekleidungsfirmen unterstützt werden. Zunächst sind Schulungen und die exemplarische Einrichtung einer Smart Factory geplant.

Zusätzlich steht die Dekarbonisierung der Industrie im Fokus. Eine möglichst CO₂-neutrale Produktion ist nach Ansicht des Verbands nicht mehr nur eine Option oder ein Plus, sondern zunehmend eine Notwendigkeit. Nicht zuletzt dürfte auch die bevorstehende CO₂-Grenzabgabe, die zukünftig beim Export in die EU fällig werden soll, für diesen Schwerpunkt verantwortlich sein. Das ambitionierte siebte Ziel richtet den Blick in Richtung Süden. Neben Europa soll die Branche auch Subsahara Afrika nicht aus den Augen verlieren.

Textilindustrie gilt noch als Schlüsselsektor

Trotz schwieriger Jahre bezeichnet das Industrieministerium den Bekleidungs- und Textilsektor weiterhin als eines der Rückgrate der marokkanischen Industrie. Mehr als 1.600 Branchenunternehmen sorgten 2021 für knapp 190.000 Arbeitsplätze. Die Umsätze beliefen sich auf etwa 5 Milliarden US-Dollar (US$). Für das spanische Unternehmen Inditex, das auch die Marke Zara im Portfolio hat, ist Marokko einer der wichtigsten Fertigungsstandorte. Neben Spanien ist auch Frankreich ein wichtiger Absatzmarkt für Hersteller in Marokko.

Die Exporte von Textilien und Leder sanken im ersten Coronajahr 2020 unter die 3-Milliarden-Dollarschwelle. Allerdings kehrten sie 2021 laut Office des Changes mit einem Volumen von 3,65 Milliarden US$ nahezu wieder auf das Vor-Corona-Niveau zurück. In den ersten vier Monaten 2022 erzielten die Branchenausfuhren sogar eine Steigerung von 33 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum, meldet die Direction des Etudes et des Prévisions Financières.

Öffentlicher und privater Sektor kooperieren

Der Branchenverband AMITH zieht seinen Optimismus ausgerechnet aus der Coronazeit. Da zeigte die Textilindustrie Flexibilität und nutzte die frei gewordenen Kapazitäten für die Maskenproduktion. Sie war der Einstieg in das neue, ausbaufähige Segment der technischen Textilien. Mittlerweile fallen rund 17 Prozent der Brancheninvestitionen laut AMITH in diese Sparte. Fast Fashion und Bekleidung machen zusammen etwas mehr als die Hälfte des Umsatzes aus. Kleinere Segmente sind dagegen Strickwaren und Heimtextilien.

Öffentliche und private Aufträge stabilisierten gleichermaßen die Branche. Die Regierung startete die Initiative "Eine Million Schultaschen". Ranzen, die vorher hauptsächlich aus Asien importiert wurden, kommen seit 2021 vollständig aus marokkanischer Fertigung - einschließlich der Komponenten. AMITH hofft nun, dass sich diese Initiative auch auf anderen Segmente überträgt.

Mit Unterstützung des Industrieministeriums hat die marokkanische Einzelhandelskette Marjane begonnen, ihre Beschaffung auf lokale Textilunternehmen auszurichten. Von dem Trend zu lokalen Erzeugnissen profitieren auch ausländische Textilunternehmen, die in Marokko investieren.

Importe von Textilmaschinen sind ausbaufähig

Je stärker die lokale Textilfertigung expandiert, umso mehr dürften sich die Chancen für Zulieferer von Textil- und Bekleidungsmaschinen erhöhen. Dazu gehören auch Gebrauchtmaschinen, die derzeit eine wichtige Rolle spielen. Vor allem die Exportindustrie dürfte jedoch den Fokus auf moderne Ausrüstungen legen, um sich wieder stärker auf den internationalen Märkten zu etablieren. Regelmäßige Messen sind der von AMITH organisierte "Le salon international de l’habillement et du textile" (Maroc in Mode) und die "Morocco Fashion & Tex", über welche auch der Verband der deutschen Messewirtschaft AUMA informiert.

Im Jahr 2021 hielten bei den marokkanischen Importen von Maschinen für die Textil- und Lederindustrie (SITC 724) Lieferanten aus China einen Anteil von knapp 50 Prozent. Italien kam im Länderranking auf 10,7 Prozent; gefolgt von Deutschland (6,9), Spanien (5,2) sowie Frankreich mit einem Anteil von 4,1 Prozent.

Marokkos Importe von ausgewählten Textil- und Bekleidungsmaschinen (in Mio. US$)

SITC* / Kategorie

2018

2019

2020

2021

2021/20**)

724 / Maschinen für die Textil- und Lederindustrie (incl. Teilen)

108,00

106,92

83,27

106,37

27,7

darunter

724.3 / Nähmaschinen

27,79

28,42

20,94

27,48

31,2

724.5 / Maschinen zum Weben, Stricken, Heften etc.

22,00

26,41

27,26

34,16

25,3

724.7 / Maschinen zum Waschen, Reinigen, Trocknen etc.

37,72

34,43

23,67

27,58

16,1

*) SITC = Standard International Trade Classification; **) Veränderung 2021/20 in ProzentQuelle: UN Comtrade 2022


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