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Branchen | Marokko | Verarbeitendes Gewerbe

Verarbeitendes Gewerbe zeigt sich verhalten optimistisch

Hohe Kosten für Energie, Rohstoffe und Logistik belasten Marokkos Industrie. Auch die CO₂-Ausgleichsabgabe der EU macht Druck. Am besten ist die Kfz-Branche aufgestellt.

Von Michael Sauermost | Casablanca

Das international verflochtene und von Rohstoffimporten abhängige Marokko leidet unter den wirtschaftlichen Folgen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine. Laut Wirtschaftsbarometer der Confédération Générale des Entreprises du Maroc (CGEM) vom April 2023 zeigen sich marokkanische Wirtschaftsvertreter besorgt über die allgemeine Wirtschaftslage. Allerdings blicken mittlerweile die rund 1.200 branchenübergreifend befragten Firmen im Durchschnitt verhalten optimistisch in die Zukunft.

Gedämpftes Investitionsklima

Etwa zwei Drittel von ihnen gehen davon aus, in den kommenden sechs Monaten Investitionen zu tätigen. Diese Pläne bleiben jedoch im Regelfall überschaubar. Lediglich jedes zwölfte anvisierte Vorhaben überschreitet das Volumen von 5 Millionen US-Dollar (US$). Der Industrie-Dachverband kritisiert, nur ein Drittel der Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes habe sich bisher Gedanken über die in der EU eingeführte CO₂-Ausgleichsabgabe ("Carbon Tax") gemacht, so das Ergebnis der CGEM-Umfrage.

Gutes Zeugnis für Tanger Med

Die Betreiber der Industrieplattform Tanger Med, die sowohl einen modernen Hafen als auch mehrere Industriezonen umfasst, wären zufrieden, wenn sie 2023 das Wachstum aus dem Vorjahr wiederholen könnten. Insgesamt 35 neue Industrieprojekte wurden 2022 an Land gezogen – sieben mehr als 2021. Dies war mit Investitionen von rund 220 Millionen US$ verbunden. Gegenüber dem Vorjahr bedeutete das ein Plus von etwa 83 Prozent. Inzwischen haben sich in der Region Tanger in den speziellen Industriezonen rund 1.200 Unternehmen aus den Bereichen Kfz, Luftfahrt, Nahrungsmittel, Textilien und Logistik angesiedelt.

Nahrungsmittelindustrie hofft auf Expansion

Marokkos Nahrungsmittelindustrie bleibt im Fokus der Regierung. Für 2023 erwartet die Branche – angeschoben durch ein ansprechendes Ernteergebnis – ein zufriedenstellendes Wachstum von 6 bis 8 Prozent. Allerdings beklagt die Fédération Nationale de l´Agroalimentaire (FENAGRI) regelmäßig, dass der Sektor sein Potenzial längst nicht abruft: Während der Agrarsektor einen Anteil von 12 bis 14 Prozent am Bruttoinlandsprodukt ausmacht, kommt die Nahrungsmittelverarbeitung lediglich auf etwa 5 Prozent.

Diese Lücke soll kleiner werden. Derzeit liegt der Verarbeitungsgrad landwirtschaftlicher Produkte bei knapp 20 Prozent und soll im Rahmen der Strategie "Generation Green" auf 70 Prozent steigen. Fenagri ist der Ansicht, dass die derzeitige Industriestruktur in der Lage ist, diese Quote zu erreichen. Der Anteil des Nahrungsmittelsektors von circa 15 Prozent an den gesamten Ausfuhren des verarbeitenden Gewerbes soll künftig gesteigert werden.

Textilsektor steht unter Druck

Marokkos Textilbranche schickt sich an, internationale Wettbewerbsfähigkeit zurückzuerlangen. Die Association Marocaine des Industries du Textile et de l´Habillement (AMITH) sieht das Königreich dabei auf einem guten Weg. Positiv entwickle sich das relativ neue Wachstumssegment technischer Textilien.

Die Exporte von Bekleidung und Textilien erreichten laut Office des Changes 2022 rund 4 Milliarden US$. Das waren immerhin 30 Prozent mehr als im Vorjahr. Die AMITH-Vision für das Jahr 2035 beinhaltet eine Zielmarke von 6 Milliarden US$. Dafür müssten allerdings bisherige Defizite beseitigt werden. Der Branchenverband beklagt, dass gegenwärtig etwa 85 Prozent der Vorprodukte für die industrielle Fertigung importiert werden müssten. Dies reduziere die Konkurrenzfähigkeit und erhöhe zudem das Risiko von Lieferengpässen.

CO₂-Ausgleichsabgabe erfordert nachhaltige Produktion

Neben der Entwicklung eines Ökosystems steht die Einführung von Industrie 4.0 in die Verarbeitungsprozesse an. Dafür sei staatliche Unterstützung erforderlich. Dies gilt ebenso für nachhaltige Produktionsverfahren. Ohne Bemühungen um Dekarbonisierung könne die lokale Textilindustrie aufgrund der CO₂-Ausgleichsabgabe bei Exporten in die EU nicht konkurrenzfähig bleiben. Diese Herausforderung ist auch ein Schlüsselthema beim im April 2023 unterzeichneten Abkommen zur Umstrukturierung der Textilindustrie zwischen AMITH, dem Industrieministerium sowie der International Finance Corporation.

Kfz-Sektor legt einen Gang zu

Marokkos Automobilbauer wollen bis zum Jahr 2025 ihre Kapazitäten auf jährlich 1 Million Fahrzeuge ausweiten. Bis 2030 soll die Marke sogar 2 Millionen erreichen. Gegenwärtig belaufen sich die Kapazitäten auf 700.000 Kfz. Laut Industrieministerium wurden 2022 rund 480.000 Fahrzeuge sowie Zubehör und Teile in 180 Fabriken mit insgesamt 220.000 Angestellten produziert. Als Meilenstein für den Kfz-Sektor gilt die Produktion des ersten Pkw aus rein marokkanischer Fertigung: Etwa 3.000 Fahrzeuge des Herstellers Neo Motors sollen ab 2024 im Werk Ain Aouda vom Band laufen.

Die Exporte erreichten im Jahr 2022 Statistiken des Office des Changes zufolge einen Umfang von rund 11 Milliarden US$. Gegenüber dem Vorjahr entsprach das einem Plus von etwa einem Drittel. Im Wettrennen um die Pkw-Lieferungen in die EU habe Marokko mittlerweile China, Japan, Südkorea und die Vereinigten Staaten überholt. Während die Gesamtnachfrage in der EU im Jahr 2022 um 26 Prozent zurückging, konnten marokkanische Hersteller ihre Pkw-Lieferungen nach Europa um etwa die Hälfte erhöhen.

Elektromobilität verlässt die Startrampe

Auch im Bereich Elektromobilität ist Bewegung: Gegenwärtig belaufen sich die Kapazitäten zur Herstellung von Elektrofahrzeugen auf rund 50.000 Stück im Jahr. Inwieweit sich die Entwicklung in den kommenden Jahren beschleunigt, dürfte unter anderem von der Nachfrageentwicklung in Europa abhängen. Auch die Fertigung von Elektrobatterien für die Automobilproduktion wird angesteuert: Das Industrieministerium kündigte zwei größere Investitionsvorhaben aus China an. Hinter dem ersten in Höhe von 6 Milliarden US$ steht der Batteriehersteller CALB. Rund 4 Milliarden US$ will das Unternehmen Svolt Energy Technology investieren.

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