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Special Marokko Stromübertragung, -verteilung, Netze

Marokko auf dem Weg vom Stromimporteur zum Großexporteur

Das Land ist stark auf Energieimporte angewiesen. In Zukunft dürfte allerdings die Versorgung Europas mit grünem Strom an Bedeutung gewinnen.

Von Michael Sauermost | Casablanca

Marokkos importabhängiger Energiesektor steht vor großen Herausforderungen. Die Regierung hat vor allem im Bereich der erneuerbaren Energien gezeigt, was sie im Rahmen internationaler Kooperationen leisten kann.

Maßnahmen zur Erhöhung der Versorgungssicherheit

Derzeit importiert das Königreich den Angaben des Energieministeriums zufolge etwa 90 Prozent seines Primärenergiebedarfs. Der gesamte Energieverbrauch ist seit 2004 um etwa 5 Prozent jährlich gestiegen. Die Regierung versucht, die Versorgungssicherheit zu erhöhen, indem sie die Abhängigkeit von Energieimporten in Form von fossilen Brennstoffen verringert.

Mit der Low Carbon Strategy 2050 legt sich das Ministère de l'Énergie et des Mines, de l'Eau et du Développement Durable eine ehrgeizige Messlatte: Bis 2040 sollen 70 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien stammen, bis zum Jahr 2050 sogar 80 Prozent. Durch Energieeffizienzmaßnahmen soll der landesweite Energieverbrauch bis 2030 um 15 Prozent gegenüber dem Niveau von 2016 schrumpfen. Aufgrund internationaler Klimaverpflichtungen entsteht der Druck zur Dekarbonisierung der Industrie.

Strommix Marokkos und der benachbarten Partnerländer für Konnektoren 2020

Marokko

Spanien

Portugal

Jährlich produzierte Elektrizität (in Terawattstunden)

40,4

262,3

53,6

Anteil der Stromproduktion auf Grundlage von Kohle (in Prozent)

67,3

2,3

0,1

Anteil der Stromproduktion auf Grundlage von Flüssiggas (in Prozent)

8,6

26,5

33,7

Anteil der Stromproduktion auf Grundlage von Windkraft und Solar (in Prozent)

15,1

29,3

26,0

Spannung der Höchstspannungsleitung beim Übertragungsnetzbetreiber (in Kilovolt)

225-400

220-400

220-400

Quelle: International Energy Agency, nationale Stromübertrager (Spannung)

Regionale Vernetzung wird immer wichtiger

Allgemein setzen die Maßnahmen auf Stärkung der regionalen Kooperation. Die Vernetzung regionaler und interkontinentaler Märkte gilt neben der Förderung von grüner Energieproduktion vor Ort als Pfeiler für die Verwirklichung der Energiesicherheit. Zudem setzt die Regierung in Zukunft weiterhin auf die Förderung ausländischer Investitionen.

Allerdings haben die Akteure im Bereich erneuerbarer Energien auch andere Ambitionen. Mit mittelfristigem Fokus gewinnen afrikanische Auslandsmärkte an Bedeutung. Außerdem steht die Produktion für den Export von grünem Wasserstoff im Rahmen von Marokkos Power-to-X-Strategie immer stärker im Fokus. Des Weiteren wird grüner Strom zunehmend exportiert. Hatte Marokko im Jahr 2018 noch Strom im Wert von umgerechnet knapp 200 Millionen Euro aus Spanien importiert, so mutierte das Königreich im Jahr 2019 zum Nettostromexporteur. Auch 2021 überwogen die Ausfuhren. Sie legten gegenüber 2020 um mehr als ein Drittel zu und erreichten rund 850 Gigawattstunden.

Dienten die bestehenden Interkonnektoren ursprünglich Stromimporten und der damit verbundenen höheren Versorgungssicherheit, so dürften bei zukünftigen Vorhaben generell marokkanische Stromexporte stärker im Vordergrund stehen. Dies gilt vor allem dann, wenn diese vom Ausland aus finanziert wurden. Auf der anderen Seite bleibt die Versorgungssicherheit vor Ort eine Priorität.

Drittes interkontinentales Stromkabel

Zwei 400-Kilovolt-Verbindungsleitungen mit Spanien regeln derzeit Marokkos Stromaustausch mit Europa. Dieser läuft seit 1998, als die erste 28 Kilometer lange Unterwasserverbindung mit einer technischen Kapazität von 700 Megawatt den kommerziellen Betrieb aufnahm. Seitdem konnten bilaterale, kurzfristige Stromverträge abgeschlossen werden. Eine zweite 31,3 Kilometer lange Stromverbindung mit der gleichen technischen Kapazität ist seit dem Sommer 2016 in Betrieb.

Ein dritter Interkonnektor ist geplant. Die Verhandlungen sowie Planungen zwischen dem Office National de l'Electricité et d l'Eau Potable (ONEE) sowie dem spanischen Netzwerkbetreiber Red Electrica sind fortgeschritten. Die Kosten in Höhe von rund 150 Millionen bis 170 Millionen Euro sollen jeweils zur Hälfte von Marokko und Spanien übernommen werden. Red Electrica verspricht sich durch die dritte Leitung die Einspeisung erneuerbarer Energien, hauptsächlich Photovoltaik, in das europäische Netz. Allerdings soll das Projekt im Rahmen einer strategischen Energiepartnerschaft verwaltet werden, um eine ineffiziente, einseitige Nutzung auszuschließen.

Portugalverbindung kommt hinzu

Marokko und Portugal einigten sich bereits 2015 auf Pläne für eine 1.000-Megawatt-Verbindung. Machbarkeitsstudien wurden 2016 gestartet. Das Projekt, das noch vor 2030 in Betrieb gehen soll, dürfte Investitionen zwischen 600 Millionen bis 700 Millionen Euro erfordern. Europäische und afrikanische Fonds sollen zur Kostendeckung beitragen. Auch mit Portugal soll der Austausch in beide Richtungen erfolgen, wobei zu Beginn ein Überschuss von Portugal in Richtung Marokko erwartet wird.

Längstes Unterwasserkabel der Welt angedacht

Ein marokkanisch-britisches Stromvorhaben der Extraklasse plant das Unternehmen Xlinks. Das Megaprojekt soll knapp 22 Milliarden US-Dollar verschlingen. Xlinks will dazu in Marokko Kapazitäten von 7 Gigawatt an Solar- und 3,5 Gigawatt an Windenergie sowie einen Batteriespeicher mit 20 Gigawattstunden und 5 Gigawatt einrichten. Der dafür geplante Solar- und Windpark soll 1.500 Quadratkilometer in der marokkanischen Region Guelmim Oued Noun umfassen.

Über zwei 1,8-Gigawatt-Hochspannungs-Gleichstrom-Unterseekabel (HGÜ) mit einer Länge von rund 3.800 Kilometern soll dann das Vereinigte Königreich mit sauberer Energie versorgt werden. Das geplante Xlinks-Projekt wird aufgrund seiner einseitigen Ausrichtung mit einer Neuauflage der im Sande verlaufenen Desertec-Initiative verglichen. Die vorgeschlagene Kabeltrasse soll in flachen Gewässern entlang der Küste Nordmarokkos, Portugals und Nordspaniens verlaufen. Der Unterseekabelhersteller XLCC könnte in einer neuen Fabrik in Hunterston (Schottland) das Unterseekabel produzieren.

Verbindungen Richtung Süden

Marokkos Strombehörde ONEE weitet ihre Aktivitäten auch in Westafrika aus. Diese reichen von technischer Hilfe bis zu weiterführenden Maßnahmen. Dadurch entstehen Geschäftschancen für Branchenunternehmen, die in Marokko bereits erfolgreich aktiv sind. Durch ein von Dakhla aus gestartetes Elektrifizierungsprojekt im Gebiet der Westsahara soll eine Verbindung nach Mauretanien geschaffen werden. So könnte ein nordafrikanisch-westafrikanischer Knotenpunkt entstehen. Insbesondere das problematische Verhältnis Marokkos zu Algerien steht dem Aufbau eines integrierten Strommarktes in Nordafrika entgegen.

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