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Markets International 2/25 I Mercosur I Handelsabkommen

Fast fertig!

Ein Vierteljahrhundert nach Aufnahme der Verhandlungen haben im Dezember 2024 die Spitzen von EU und den vier Mercosur-Staaten ihre Unterschrift unter das Assoziierungsabkommen zwischen den beiden Wirtschaftsblöcken gesetzt. Bevor es in Kraft tritt, müssen noch die einzelnen EU-Mitgliedsländer zustimmen.

Von Andrea González Alvarez, Fabian Nemitz, Gloria Rose | Bonn

Mit dem EU-Mercosur-Abkommen entsteht eine der größten Freihandelszonen der Welt. Mehr als 715 Millionen Einwohner beiderseits des Atlantiks erwirtschaften ein Viertel der globalen Wirtschaftsleistung. Die Einigung kommt zur rechten Zeit: Verschiebungen im weltweiten Machtgefüge, Sorgen um die US-Handels- und Zollpolitik sowie der zunehmende Wettbewerb aus China setzen Europa unter Druck.

Markets International Ausgabe 2/25

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Dieser Beitrag stammt aus der Zeitschrift Markets International, Ausgabe 2/2025 mit dem Schwerpunkt China. Erfahren Sie, welche weiteren Beiträge die Ausgabe für Sie bereit hält.

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Kein Zweifel: Der alte Kontinent braucht neue Partner. Mit den Ländern in Südamerika besteht eine besonders enge Verbindung – historisch, kulturell und auch in Bezug auf gemeinsame Werte. Auch in wirtschaftlicher Hinsicht ergänzen sich die beiden Blöcke: Europa als Lieferant von Industriewaren, Mercosur als Exporteur von Rohstoffen und Agrarprodukten. Aber nicht nur. Besonders bei grüner Energie und Wasserstoff hat Südamerika viel zu bieten.

Der Wert der EU-Exporte in die Mercosur-Staaten summierte sich im Jahr 2024 auf 55,2 Milliarden Euro. Allein Deutschland lieferte Waren im Wert von 16,1 Milliarden Euro. Das Gros der deutschen Exporte, nämlich 82 Prozent, geht nach Brasilien, gefolgt von Argentinien mit 14 Prozent, Uruguay (2,3 Prozent) und Paraguay (1,5 Prozent). Kommissionspräsidentin von der Leyen erhofft sich vom Abkommen erhebliche Vorteile für Verbraucher und Unternehmen, unter anderem für die Sicherung und Diversifizierung von Lieferketten. Da auf rund 85 Prozent der EU-Ausfuhren in den Mercosur Abgaben entfallen, könnten EU-Firmen pro Jahr Ausfuhrzölle in Höhe von vier Milliarden Euro einsparen. Dies sollte ihre Wettbewerbssituation erheblich verbessern.

Zölle und Handelshemmnisse abbauen

Mit dem Handelsabkommen würden die Mercosur-Staaten voraussichtlich rund 90 Prozent der EU-Importe aus dem Industriebereich liberalisieren. Insbesondere der Abbau der bisher hohen Zölle auf Kraftfahrzeuge, Kfz-Teile, Maschinen, chemische Produkte, Arzneimittel sowie Bekleidung und Schuhe dürfte den EU-Export künftig ankurbeln. Darüber hinaus könnte der EU-Nahrungsmittelsektor von einem Abbau hoher Zölle profitieren. Für diese Branchen gelten teilweise Übergangsfristen. Im Gegenzug würde das Handelsabkommen die Zölle auf rund 90 Prozent der in die EU exportierten Mercosur-Waren schrittweise beseitigen. Besonders umstritten sind dabei landwirtschaftliche Waren. Darunter zum Beispiel Rind- und Geflügelfleisch, Zucker, Honig und Reis – diese sollen teilweise durch Kontingente liberalisiert werden. 

Fünf Branchen, die profitieren!

 

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Chemie (Anteil der EU-Exporte 2024: 14,1 %): Das Abkommen begünstigt EU-Hersteller. Der gemeinsame Zolltarif der Südamerikaner liegt bislang bei bis zu 18 Prozent. Die Mercosur-Länder sind wichtige Abnehmer für Agrar- und Industriechemikalien.

 

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Pharma (12,4 %): Auf EU-Exporte in die Mercosur-Staaten fallen heute Zollsätze von bis zu 14 Prozent an. Einen freien Zugang zu Aufträgen des öffentlichen Gesundheitswesens erhalten europäische Hersteller jedoch nicht. 

 

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Kfz (8,7 %): Der gemeinsame Mercosur-Tarif liegt bei 35 Prozent auf Kfz-Importe und bei 14 Prozent bis 18 Prozent auf Kfz-Teile. Aufgrund der langen Übergangsfristen sind keine drastischen Änderungen zu erwarten. Doch die Perspektiven verbessern sich. Das ist wichtig, da der Wettbewerbsdruck in Südamerika mit dem Markteinstieg chinesischer Autobauer massiv steigt.

 

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Maschinenbau (21,5 %): Die Zölle der Mercosur-Staaten auf Maschinenimporte liegen zwischen 14 Prozent und 20 Prozent. Damit gehören sie zu den höchsten Zöllen weltweit, so der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). Um den großen brasilianischen Markt zu bearbeiten, produzieren mehrere deutsche Maschinenbauer vor Ort und werben Fachkräfte dort an.

 

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Nahrungsmittel (4,2 %): Das Abkommen schützt die geografische Herkunftsbezeichnung von 357 europäischen Nahrungsmitteln und Getränken. Der Zollabbau verspricht große Vorteile, da die Zölle des Mercosur zum Beispiel auf Schokolade bei 20 Prozent, auf Wein zwischen 20 Prozent und 27 Prozent, auf Spirituosen bei 35 Prozent und auf Käse bei 28 Prozent liegen.
 

Das Handelsabkommen sieht zudem eine verstärkte Zusammenarbeit zur Beseitigung technischer Handelshemmnisse vor, zum Beispiel doppelte Zertifizierungen. Im Bereich des öffentlichen Auftragswesens würden EU-Unternehmen in nennenswertem Umfang gleichwertigen Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen in den Mercosur-Staaten erhalten und lokalen Unternehmen gleichgestellt. Des Weiteren verpflichten sich die südamerikanischen Staaten mit ihrer Unterschrift, geografische Herkunftsbezeichnungen von 357 europäischen Nahrungsmitteln zu schützen, darunter fallen zum Beispiel Tiroler Speck, Münchner Bier oder Prosciutto di Parma.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron posiert auf einer Landwirtschaftsausstellung mit Lämmchen: In Frankreich wehrt sich die mächtige Bauernlobby gegen das Freihandelsabkommen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron posiert auf einer Landwirtschaftsausstellung mit Lämmchen: In Frankreich wehrt sich die mächtige Bauernlobby gegen das Freihandelsabkommen. | © picture alliance/SIPA/JEANNE ACCORSINI

Frankreich in Aufruhr

In seltener Einigkeit versucht das gesamte politische Spektrum des Landes, die anstehende Verabschiedung des Mercosur-Freihandelsabkommen zu verhindern. 

Das Thema Mercosur ist in Frankreich von sozialer Sprengkraft. Die politische Führung befürchtet landesweit Proteste, sollte das Abkommen durchgesetzt werden. Noch dazu dürfte die Legitimation der EU in den Augen vieler Franzosen leiden. Dass weite Bereiche der französischen Wirtschaft von dem Abkommen profitieren könnten, wird auf politischer Ebene, aber auch in der wirtschaftsnahen Presse, ignoriert. Dabei könnte Mercosur gerade exportstarken Industrien wie dem Käse-, Wein-und-Spirituosen-, Pharma- und Luxussektor in schwierigen Zeiten neuen Aufschwung geben. 

Die Bauern des Landes aber befürchten massive wirtschaftliche Nachteile im Falle der weitergehenden Öffnung Europas für Fleisch- und Agrarprodukte aus Südamerika: Auf der einen Seite steige der Druck auf die französische Landwirtschaft. Diese müsse immer strengere Vorgaben zu Umweltschutz und Dekarbonisierung einhalten. Auf der anderen Seite dürften ausländische Anbieter, die diesen Vorgaben nicht unterliegen, zu Dumpingpreisen in die EU exportieren. 

Von Frauke Schmitz-Bauerdick, GTAI Paris

Nun kommt es vor allem darauf an, das Abkommen schnell zu ratifizieren und umzusetzen. Denn: „Deutschland wird hochgeschätzt und gehört zu den wichtigsten Handelspartnern der Mercosur-Länder“, sagt Gloria Rose, GTAI-Korrespondentin in São Paulo, Brasilien. Doch sie beobachtet, dass die Bundesrepublik seit Jahren kontinuierlich als Wirtschaftspartner an Bedeutung verliert. „Mit dem Abkommen werden die Weichen neu gestellt. Chancen ergeben sich insbesondere für die kleinen und mittelständischen Unternehmen, für die die Zölle des Mercosur prohibitiv hoch sind“, sagt Rose. 

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