Branchen | Niederlande | Maschinen- und Anlagenbau
Markttrends
Die Coronakrise hat 2020 zu Produktionsrückgängen geführt. Große und oft langjährige Industrie-, Energie- und Wasserschutzinvestitionen eröffnen jedoch viele Auftragschancen.
31.03.2021
Von Torsten Pauly | Berlin
Anzeichen deuten auf Konjunkturbelebung hin
Die Covid-19-Pandemie hat seit März 2020 das zuvor jahrelange Wachstum der niederländischen Maschinen- und Anlagenbauer jäh unterbrochen. Zur Eindämmung der Infektionen hat die Regierung das öffentliche und wirtschaftliche Leben wiederholt stark eingeschränkt. Zudem waren internationale Lieferketten zeitweise unterbrochen. Nicht zuletzt hat die schlechte Konjunktur in den Auslandsmärkten für die oftmals exportorientierten niederländischen Hersteller zu Auftragsrückgängen geführt. All dies hat zur Folge, dass die Maschinen- und Anlagenproduktion 2020 laut ersten Berechnungen saisonbereinigt um 2,8 Prozent gesunken ist. Noch 2019 hatte es einen Anstieg um 4,4 Prozent gegeben.
Für 2021 allerdings sind die Aussichten in der Branche wieder etwas positiver gestimmt. Zwar war die Kapazitätsauslastung der niederländischen Maschinen- und Anlagenbauer im ersten Quartal 2021 mit 84,6 Prozent noch geringer als im selben Vorjahreszeitraum (86,8 Prozent). Sie war jedoch wieder höher als zu allen anderen Zeitpunkten seit Ausbruch der Pandemie.
Vor allem aber erwarten 41,9 Prozent der vom niederländischen Statistikamt CBS befragten Branchenunternehmen, dass ihre Umsätze 2021 steigen. Dagegen rechnen nur 15,9 Prozent der Firmen mit Rückgängen. Diese Belebung kommt auch aus dem Export. So soll der Auslandsumsatz 2021 bei 40,6 Prozent aller Maschinenbauer anziehen und bei 16,6 Prozent sinken. Der Rest der Betriebe erwartet keine großen Umsatzveränderungen.
Innovationen sollen helfen, die Krise zu überwinden
Dem Maschinenbau kommen eine allgemeine Ankurbelung der niederländischen Industrie und verstärkte Ausrüstungsinvestitionen, insbesondere digitaler Art, entgegen. So rechnen 32,2 Prozent aller Firmen im verarbeitenden Gewerbe laut Statistikamt CBS damit, dass ihr Umsatz 2021 wieder steigt. Eine Reduzierung prognostizieren nur 16,6 Prozent. Bei der Bewältigung der Coronakrise helfen auch die umfangreichen Förderprogramme, die die Regierung seit März 2020 aufgelegt hat. Hierzu gehören nicht zurückzuzahlende Unterstützungsgelder ebenso wie öffentliche Darlehen und Kreditgarantien, Steuerstundungen oder Kurzarbeitsregelungen, um Fachkräfte in der Krise zu halten.
Überdurchschnittlich optimistisch ist der Technologieverband FME. Dieser vereint außer Maschinen- und Anlagenbauern auch Unternehmen in der Elektronik- und Elektroindustrie, der Kunststoffverarbeitung sowie weiteren Sparten der Metallindustrie. Noch 2020 haben 54 Prozent aller FME-Mitglieder geringere Umsätze als 2019 verzeichnet. Für 2021 erwarten dies nur noch 38 Prozent. Im Gegenzug gehen 33 Prozent davon aus, dass ihr Umsatz 2021 wieder höher ausfallen wird als vor der Krise 2019. Dabei setzt eine Steigerung aber überwiegend erst im zweiten Halbjahr 2021 ein.
In der Krise setzen die Unternehmen auch auf Innovationen. Im Jahr 2020 wollten zwar 21,6 Prozent der FME-Mitglieder ihre Investitionen wegen der Krise verringern oder zurückstellen, 23,3 Prozent wollten diese dagegen erhöhen oder vorziehen. Besonders viele Befragte planen dabei mehr Investitionen in den Segmenten „smart products“ (35,6 Prozent), „smart working“ (34,7 Prozent), „digital factory“ (31,7 Prozent) und bei der Qualitätssteigerung beziehungsweise Ausstoßverringerung (28,7 Prozent). Wieder steigende Umsätze werden die Investitionsbereitschaft noch weiter erhöhen.
Gute Chancen bei Industrie 4.0
Generell ist der niederländische Maschinenbau an der Schnittstelle zur (Mikro-)Elektronik stark aufgestellt. Dies gilt auch für die Chip- und Halbleiterfertigung. Bei deren Produktion sind die Niederlande laut der Vereinigung High Tech NL neben den USA und Japan der einzige Standort weltweit, der Hersteller in der gesamten Wertschöpfungskette vereint. Deren Innovationskraft ist hoch, denn die jährlichen Forschungs- und Entwicklungsausgaben der Branchenfirmen beziffert High Tech NL auf 1 Milliarde Euro.
Damit bestehen hervorragende Voraussetzungen für die digitale Vernetzung von Logistik- und Produktionsabläufen. Dies gilt nicht nur für Anlagen im verarbeitenden Gewerbe. Die Digitalisierung der niederländischen Landwirtschaft, beziehungsweise der dortigen Agrartechnik, gewinnt ebenfalls rasch an Bedeutung.
Großprojekte sorgen für Aufträge
Mehrjährige Investitionsprogramme eröffnen im Inland gute Absatzchancen, etwa im Energiesektor. Dabei stehen große Wasserstoffanlagen im Fokus. Diese entstehen im ganzen Land, mit Schwerpunkten in den Provinzen Südholland, Zeeland, Nordbrabant, Gelderland, Limburg und Groningen. Allein in der Region Noordnederland sind Investitionen von 9 Milliarden Euro geplant. Diese Wasserstoffanlagen werden viel Strom aus Nordseewindparks beziehen. An niederländischen Offshore-Standorten soll zwischen 2021 und 2029 ein Zubau von 8,2 Gigawatt erfolgen.
Auch große Chemieanlagen entstehen. In Groningen plant das Unternehmen Gasunie eine Stickstoffanlage für 500 Millionen Euro. In Rotterdam will der finnische Konzern Neste eine Raffinerieanlage für Biokraftstoffe für bis zu 1,5 Milliarden Euro errichten. Dort befindet sich Europas größter Hafen, auf dessen Gebiet von 2020 bis 2030 laut Betreibergesellschaft insgesamt bis zu 6,5 Milliarden Euro in Logistik-, Industrie- und Energieprojekte fließen werden.
Für Pumpen, Hydraulikanlagen, Sperrwerke und dergleichen bietet der Ausbau der niederländischen Hochwasserschutz-, Entwässerungs- und Kläranlagen chancen. Der für das Wassermanagement zuständige öffentliche Deltafonds sieht von 2020 bis 2033 Investitionen von 17,9 Milliarden Euro vor.