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Wirtschaftsausblick | Nigeria

Kann Nigeria die Reformdynamik aufrechterhalten?

Nigeria muss schmerzhafte Reformen verkraften. Weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Wachstumsaussichten werden notwendig sein, der politische Rückhalt ist jedoch fraglich.

Von Corinna Päffgen | Accra

Top-Thema: Nigeria kämpft mit Auswirkungen der Marktreformen

Gleich zu Beginn seiner Amtszeit im März 2023 hat der neu gewählte Präsident Bola Tinubu Reformen mit weitreichenden und nachhaltigen makroökonomischen Auswirkungen verabschiedet: die zumindest teilweise Abschaffung der Treibstoffsubventionen und die Einführung eines flexiblen Wechselkurssystems für die Landeswährung Naira. Dies löste einen Währungsverfall aus, die nigerianische Währung verlor gegenüber dem US-Dollar (US$) mehr als 50 Prozent an Wert. Durch den gleichzeitigen Wegfall der Treibstoffsubventionen verdreifachte sich aufgrund der Importabhängigkeit zunächst der Benzinpreis.

Seither leidet die Bevölkerung unter stark gestiegenen Lebenshaltungskosten. Die ohnehin schon hohe Inflation von rund 19 Prozent stieg im Jahr 2023 auf 25 Prozent. Allerdings gibt es Hinweise, dass die Regierung auf Druck der Gewerkschaften durch die Hintertür wieder Subventionen zur Stabilisierung der Benzinpreise eingeführt hat. Denn trotz starker Währungsschwankungen bleiben die Benzinpreise seit Oktober 2023 stabil. Außerdem hat die Regierung Bargeldtransfers für 15 Millionen der ärmsten Haushalte eingeführt, um die Auswirkungen abzufedern.

Zur Jahresmitte rechnen Analysten mit dem Einsetzen von Basiseffekten und damit, sofern die Benzinpreise nicht weiter steigen, mit einer Abschwächung der Inflation. Zudem gehen Beobachter von einer baldigen Erhöhung des Leitzinses von derzeit 18,75 Prozent auf 20,75 Prozent durch die Zentralbank aus. Für 2025 rechnet der Internationale Währungsfonds (IWF) daher mit einer Inflationsrate von 14,7 Prozent.

Wirtschaftsentwicklung: Wachstum bleibt mäßig

Der IWF prognostiziert für das Jahr 2024 ein reales Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 3 Prozent. Die Economist Intelligence Unit (EIU) geht hingegen von einer Zunahme der Wirtschaftsleistung von nur 2,5 Prozent aus. Wachstumstreiber sind vor allem die steigenden Öl- und Gasexporte, die durch eine Erhöhung der Fördermengen ermöglicht werden. 

Eine stärkere wirtschaftliche Dynamik wird durch die hohe Inflation gebremst. Auch der chronische Devisenmangel und der Währungsverfall wirken hemmend, die eingeleiteten Reformen sind noch nicht spürbar. So warten noch Devisenaufträge von rund 5 Milliarden US$ auf ihre Abarbeitung. Mit einer Stabilisierung des Naira rechnen Analysten ab Mitte 2024.

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Die hohe Inflation wirkt sich auf den privaten Konsum aus. Die EIU rechnet mit einem Rückgang der Binnennachfrage um 1,4 Prozent, womit der private Konsum zum dritten Mal in Folge schrumpfen dürfte.  Erst im kommenden Jahr sollen die privaten Ausgaben bei nachlassender Inflation wieder leicht steigen, mit weiter positiver Tendenz.

Positiver sieht es für Nigerias Außenhandel aus, vor allem für die Exporte. Die EIU erwartet einen Handelsbilanzüberschuss. Durch die Inbetriebnahme der Dangote-Ölraffinerie dürften die Benzinimporte spürbar zurückgehen. Gleichzeitig werden die Öl- und Gasexporte sowie die Ausfuhr von Düngemitteln durch eine Erhöhung der Produktion angekurbelt.

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Die kurz- und mittelfristigen Wirtschaftsaussichten hängen von der vollständigen und erfolgreichen Umsetzung der eingeleiteten Reformen sowie weiterer Maßnahmen ab. Durch eine eng abgestimmte Fiskal-, Geld- und Wechselkurspolitik soll die auf Rekordniveau liegende Inflationsrate von fast 25 Prozent deutlich gesenkt und makroökonomische Stabilität erreicht werden. 

Ob Präsident Tinubu dafür den nötigen politischen Rückhalt hat, ist fraglich. Er wurde mit nur 36,3 Prozent der Stimmen gewählt, was bei einer Wahlbeteiligung von 27 Prozent bei 93 Millionen Wahlberechtigten nur 9 Millionen Stimmen entspricht. Eine weitere Verschlechterung der Lebensbedingungen könnte zu Unruhen führen. Manche Beobachter gehen deshalb davon aus, dass der Schwung für weitere Reformen fehlen wird.

Informationen zu aktuellen geberfinanzierten Projekten bietet die GTAI-Länderseite, Rubrik "Ausschreibungen" und "Entwicklungsprojekte". Informationen zu EU-Binnenmarktausschreibungen bietet GTAI auf ihrer Internetseite an.

Deutsche Perspektive: Unsicherer Blick in die Zukunft

Für deutsche Unternehmen ist Nigeria ein wichtiger Absatzmarkt in Subsahara-Afrika und wichtigster Handelspartner in Westafrika. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes exportierte Deutschland 2023 Waren im Wert von rund 847 Millionen Euro. Damit sind die Exporte im gesamten Jahr gegenüber dem Vorjahr (1,1 Milliarden Euro) um mehr als ein Fünftel zurückgegangen. Der Absatz von Maschinen sank um ein Drittel.

Inflation, Währungsverluste und eine sich verschlechternde Sicherheitslage drücken auf die Stimmung. Aber auch die weiter wachsende Planungsunsicherheit setzt den Unternehmen zu. Und doch bleibt Nigeria als der bevölkerungsreichste Staat Afrikas und größte Volkswirtschaft des Kontinents ein interessanter Markt.

"Marktchancen und die viel beschworenen Potenziale bietet Nigeria zur Genüge. Als Produktionsstandort ist Nigeria insbesondere für die Lebensmittelverarbeitung und die Konsumgüterindustrie interessant", sagt Timo Pleyer, Delegierter der Deutschen Wirtschaft in Nigeria. Großer Bedarf bestehe auch an Maschinen und Zuliefermaterialen, zum Beispiel für die Kunststoffverarbeitung, aber auch an Anlagen für Energiegewinnung und -erzeugung. Zudem bemühe sich die neu gewählte Regierung, die als wirtschaftsfreundlich gilt, um wirtschaftliche Reformen. Nach wie vor gilt laut Pleyer: "Wer in Nigeria investieren und sich am Markt positionieren will, braucht einen langen Atem. Langfristig sollte es sich aufgrund der schieren Marktgröße jedoch auszahlen. Vorausgesetzt, die drängenden und allseits bekannten Probleme werden von nigerianischer Seite angegangen."

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