Interview | Pakistan | IKT
IT-Dienstleister aus Pakistan: "KI bringt uns in Deutschland auf den Markt"
Pizza-Bestellungen über Pakistan? Dieses Land haben deutsche IT-Outsourcer bisher kaum auf dem Schirm. Ein pakistanischer Anbieter berichtet im Interview von seinem Geschäft.
16.10.2025
Von Ulrich Binkert | Bonn

Der pakistanische IT-Dienstleister Sybrid arbeitet bisher hauptsächlich für Kunden in den USA und anderen englischsprachigen Ländern. Geschäftsführer Haider Shamoon sieht aber auch woanders große Chancen, besonders in Deutschland. Shamoon erklärt im Interview unter anderem, wie er die Sprachbarriere überwinden will.
Herr Shamoon, Sie waren im Mai auf der IT-Messe Gitex Europe in Berlin. Wie war es?
Sehr gut. Deutschland ist für uns potenziell der beste Markt in Europa. Die Wirtschaft ist stark und breit aufgestellt. Und sie hat großen Nachholbedarf bei Dienstleistungen wie unseren. Sie lagert verstärkt IT-Dienste aus sowie ganze Geschäftsprozesse, etwa im Finanz- und Personalwesen (BPO).
Wie ist für Sie die Konkurrenz in Deutschland?
Die Konkurrenz ist noch nicht so intensiv wie in angelsächsischen Ländern. Dort tummeln sich angesichts der niedrigeren Sprachbarriere schon viele Anbieter aus Indien, Bangladesch, von den Philippinen und so weiter. In Deutschland hingegen sind die Preise noch recht gut.
Welche Vorteile können Sie deutschen Kunden bieten?
Vor allem geringe Kosten. Wir sind günstiger als Anbieter aus Osteuropa und auch Indien, wohin deutsche Firmen IT- und BPO-Dienste bisher oft auslagern. In Pakistan gibt es zudem ein großes Angebot an qualifiziertem Personal, das auch bereit ist, zeitversetzt in den für Europa relevanten Tages- und Nachtzeiten zu arbeiten.
Welche deutschen Branchen zeigen Interesse an Ihren Diensten?
Besonders die Telekommunikationsbranche und Essenslieferdienste sowie Versorger. Noch vor zehn oder auch fünf Jahren beschränkte sich in Deutschland das Outsourcing von IT-Dienstleistungen aus unserer Sicht weitgehend auf industrielle Anwendungen. Da ging es eher um Themen wie Industrie 4.0.
Sybrid ist Teil der pakistanischen Lakson-Firmengruppe. Das 2008 gegründete Unternehmen erbringt an diversen Standorten in Pakistan IT-gestützte Dienstleistungen. 80 Prozent der Umsätze kommen von Kunden im Ausland. Knapp die Hälfte der rund 2.000 Mitarbeiter erbringen BPO-Dienste (Business Process Outsourcing), knapp 500 "digitale Dienste" meist im Marketing. Weitere Abteilungen entwickeln Software, erstellen Animationen für Hollywoodfilme und Werbeclips oder arbeiten für Krankenversicherungen.
Quelle: Sybrid
Was bieten Sie diesen Firmen konkret an?
Neben Software, Animationen und anderen techniklastigen Produkten sind dies zum größten Teil Level-1-Dienstleistungen. Es geht dabei um BPO der einfacheren Art, bei denen wir als Kontaktcenter fungieren. Unsere Mitarbeiter in Pakistan nehmen dabei Essensbestellungen für die Pizzakette entgegen oder kümmern sich um das Problem des Kunden eines Telekommunikationsanbieters.
Was ist mit der Sprachbarriere? Die Anfrage kommt auf Deutsch oder Französisch und Ihr Mitarbeiter kommuniziert auf Englisch.
Wir suchen tatsächlich deutsch- oder französischsprachige Mitarbeiter und hoffen, dass das Goethe-Institut und ähnliche Einrichtungen in Pakistan ihr Angebot an Sprachkursen ausweiten. In den meisten Fällen braucht es aber gar keine Fremdsprachenkenntnisse. Die Level-1-Anfragen laufen meistens schriftlich über Chats. Der Kunde in Deutschland schreibt also sein Anliegen auf Deutsch in den Chat.
Eine künstliche Intelligenz übersetzt das dann ins Englische?
Ja. Unsere Mitarbeiter antworten ebenfalls auf Englisch und die KI leitet es auf Deutsch weiter. Unsere heutigen und hoffentlich künftigen Kunden arbeiten auf ihrer Seite ebenfalls an solchen Systemen. Erst die KI kann uns damit in nicht-englischsprachigen Ländern den Marktzugang verschaffen. Sie ermöglicht eine Umwandlung des gesamten Segments Kundenbetreuung.
Aber wenn nun ein genervter Kunde in Deutschland mit einer echten Person sprechen will?
Auch Sprachanrufe gehen zunächst über eine Übersetzungs-KI an einen englischsprachigen pakistanischen Bearbeiter. Dessen Antwort wird die KI in einfacheren Fällen dem Anrufer auf Deutsch übermitteln. In den eher wenigen verbleibenden Fällen wird sie an einen anderen pakistanischen Mitarbeiter weiterleiten, der Deutsch kann und dann mit dem Kunden spricht.
Haben Sie schon in nicht englischsprachigen Märkten gearbeitet und wie haben Sie das umgesetzt?
In vielen. Russland bearbeiteten für uns schon Partner in Usbekistan anderen Ländern Zentralasiens, wo Russisch gesprochen wird. Für andere Märkte, die wir von Pakistan aus selbst bedienen, haben wir in unseren Teams Brückenbauer. Das sind Leute, die die gefragte Fremdsprache beherrschen und zwischen Kunden und Bearbeitern sprachlich mitteln.
Welche Länder waren das?
Japan, Taiwan und China zum Beispiel. Auch dort vergeben Kunden ähnlich wie in Deutschland zur Senkung von Kosten verstärkt BPO-Aufträge in günstigere Länder wie Pakistan. Für ein Projekt mit einem spanischen Kunden beschäftigten wir hier ein Team mit zwei Dutzend spanischsprachigen Mitarbeitenden, für ein anderes knapp zehn Personen mit guten Französischkenntnissen.
Gehören auch bekannte Namen zu Ihren Kunden?
Sicher, McDonald´s, Domino´s Pizza, Unilever sowie Toyota oder Volkswagen (USA) sind nur einige davon. Für die chinesische Shopping-Plattform Temu wickeln wir seit etwa ein paar Monaten Kundenanfragen ab. Da läuft vieles automatisiert. Trotzdem dürften bei uns für dieses Projekt perspektivisch 1.000 Leute arbeiten und damit zwanzigmal so viel wie momentan noch.
Haben Sie ein Beispiel einer maßgeschneiderten Softwarelösung, die Sie für einen ausländischen Kunden erstellten?
Wir erarbeiteten ein zweisprachiges Talent-Matching-Portal, das japanischen Firmen den Kontakt zu Arbeitskräften in Pakistan ermöglicht. Die Firmen können dort auf Japanisch die Profile einsehen, mit denen sich Pakistaner auf Englisch registriert haben. In einer ersten Phase haben sich so über 3.000 Ingenieure und IT-Experten registriert.
Für die Akquise neuer Kunden sind Messen wie die Gitex wichtig für Sie?
Ja, unser Angebot erfordert persönliche Erklärung. Bei der Gitex trafen wir zwar weniger große Endkunden, wie wir sie typischerweise haben, eher auf Start-ups. Die waren aber sehr an uns interessiert. Als Brückenbauer zu Endkunden verdeutlichten sie, wie groß das Marktinteresse in Deutschland und Europa ist.