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Polen investiert in Gaskraftwerke
Polen erhöht den Anteil von Erdgas in der Energieversorgung und ersetzt Kohlekraftwerke durch Gasblöcke. Deutsche Anbieter können sich mit Know-how und Spezialtechnik einbringen.
18.12.2025
Von Christopher Fuß | Warschau
Polen setzt beim Umbau seiner Energieversorgung zunehmend auf Erdgas. Nach Angaben des Netzbetreibers Gaz-System soll der jährliche Gasverbrauch bis 2031 um mehr als 50 Prozent steigen, auf rund 28,5 Milliarden Kubikmeter. Erdgas gilt als Brückentechnologie, um die Abhängigkeit von Kohle zu verringern. Für diese Strategie braucht das Land neue Kraftwerke, Leitungen und Importterminals. Deutsche Unternehmen sind an zahlreichen Projekten beteiligt.
Zu den wichtigsten Lieferanten gehört Siemens Energy. Das Unternehmen baut Gasturbinen für mehrere Kraftwerke. Im September 2025 erhielt Siemens den Zuschlag für zwei Projekte des polnischen Energieversorgers Energa, eine Tochtergesellschaft aus dem Orlen-Konzern. Die Anlagen entstehen in Gdańsk und Grudziądz. Für Siemens ist es das zweite Vorhaben in Grudziądz: Schon 2023 hatte das Unternehmen dort einen Auftrag erhalten.
Bei den Projekten kommen Gas-und-Dampf-Kombikraftwerke (GuD) zum Einsatz. Diese Technologie nutzt die Abwärme der Gasturbine für zusätzliche Stromerzeugung und gilt als besonders effizient. Zudem lassen sich die Anlagen flexibel hoch- oder herunterfahren – ein Vorteil, wenn schwankende Einspeisungen aus erneuerbaren Energiequellen ausgeglichen werden müssen.
Energieversorger setzen auf staatliche Förderprogramme
Energa finanziert den Bau der Kraftwerke über den Kapazitätsmarkt. Dabei handelt es sich um ein staatlich gefördertes Auktionssystem. Betreiber erhalten keine Vergütung für die tatsächlich gelieferte Energie, sondern für die Bereitstellung von Kapazitäten, die im Bedarfsfall ins Netz eingespeist werden können.
Während die Lieferanten für Gdańsk und Grudziądz feststehen, ist die Entscheidung beim Gasheizkraftwerk im Warschauer Stadtteil Siekierki noch offen. Die Orlen-Tochter Termika will dort ein bestehendes Kohlekraftwerk durch eine GuD-Anlage ersetzen. Mehrere Anbieter haben sich für eine Ausschreibung qualifiziert, Orlen macht jedoch keine Angaben zu den Teilnehmern.
Der staatliche Energieversorger PGE ist in Krakau bereits einen Schritt weiter. Im Juli 2025 vergab das Unternehmen einen Auftrag für den Bau einer gasbefeuerten Kraft-Wärme-Kopplungsanlage im Wert von rund 200 Millionen Euro. Den Zuschlag erhielt ein Konsortium aus den polnischen Firmen Unibep und SBB Energy. PGE profitiert bei der Finanzierung von einer staatlichen Prämie für Kraft-Wärme-Kopplung.
In Rybnik und Gryfino finanziert PGE seine Projekte hingegen über den Kapazitätsmarkt. Bei der Auktion im Dezember 2025 erhielt der Energieversorger den erforderlichen Zuschlag. An beiden Standorten entstehen Gaskraftwerke mit einer Leistung von jeweils knapp 600 Megawatt. Für die Bauaufträge gibt es nur einen Bewerber: ein Konsortium aus dem polnischen Unternehmen Polimex Mostostal und Siemens Energy.
In Rybnik wird bereits ein erstes Kraftwerk von PGE errichtet, das bis 2027 in Betrieb gehen soll. Auch hier sind Polimex Mostostal und Siemens Energy die Auftragnehmer.
Ärger mit internationalen Dienstleistern
Die Wahl der Baufirmen sorgt in einigen Fällen für Diskussionen. Der Energieversorger Enea entschied sich beim Bau von GuD-Blöcken im ostpolnischen Kozienice für das türkische Unternehmen Çalık Enerji. Zuvor blieb eine Ausschreibung ohne Angebote, wegen zu kurzer Bewerbungsfristen, wie es aus Branchenkreisen heißt. Çalık Enerji erhielt den Auftrag in einer freihändigen Vergabe.
Eine ähnliche Situation könnte sich in Połaniec wiederholen: Auch dort erhielt Enea im November 2025 kein Angebot. Der polnische Bauverband PZPB befürchtet, dass erneut ein außereuropäischer Anbieter zum Zug kommt, zulasten der heimischen Industrie. Dies steht im Gegensatz zu politischen Ankündigungen: Premierminister Donald Tusk hatte im Frühjahr 2025 eine "Re-Polonisierung" der Wirtschaft gefordert.
Neue Leitungen mit Nachbarstaaten
Um Gas zu den Kraftwerken zu transportieren, braucht Polen neue Leitungen. Laut Entwicklungsplan von Gaz-System wird das Übertragungsnetz zwischen 2025 und 2035 um mindestens 2.000 Kilometer wachsen. Zu den wichtigsten Vorhaben zählen Leitungen von Zentralpolen über die Ortschaften Gustorzyn und Wronów bis zur Grenze mit Litauen.
Strategisch bedeutsam ist auch eine 250 Kilometer lange Leitung, die von Gustorzyn bis zur Hafenstadt Gdańsk führt. Laut Gaz-System sollen die Arbeiten im 4. Quartal 2026 abgeschlossen sein. Wie bei den Kraftwerken betont der staatliche Auftraggeber auch hier den Anteil heimischer Firmen an der Wertschöpfung.
Dennoch bleibt genügend Raum für deutsches Know-how. Einige Teilabschnitte nach Gdańsk werden mit sogenannten Direct-Pipe-Lösungen gebaut. Dabei erfolgt die Bohrung gleichzeitig mit der Verlegung der Gasleitung. Technologie und Maschinen stammen vom Hersteller Herrenknecht aus Baden-Württemberg.
Gaz-System veröffentlich den Ausbauplan für das Gasnetz mit allen wichtigen Investitionsvorhaben auf einer Internetseite.
Polen will Hub für Gasumschlag werden
Die Pipeline ab Gdańsk soll künftig Gas aus einem geplanten Terminal für Flüssigerdgas (LNG) aufnehmen und ins Landesinnere transportieren. Bei dem Terminal handelt es sich um ein Spezialschiff (FSRU), das verflüssigtes Erdgas von Lieferanten entgegennimmt und in den gasförmigen Zustand zurückwandelt. Gaz-System mietet das FSRU-Schiff für 15 Jahre von einem japanischen Unternehmen. Anfang 2028 soll der Tanker bei Gdańsk in Betrieb gehen.
Gut möglich, dass Polen bis dahin bereits ein zweites FSRU-Schiff in Auftrag gegeben hat. Im Herbst 2025 startete Gaz-System eine unverbindliche Marktabfrage. Gas-Großabnehmer aus Polen, der Slowakei und Tschechien, aber auch aus Deutschland konnten sich anmelden. Die Ergebnisse deuten laut Gaz-System darauf hin, dass die Nachfrage für ein zweites Terminal ausreicht. Eine verbindliche Abfrage, die sogenannte Open Season, ist für das 1. Quartal 2026 geplant. Bleibt die Nachfrage hoch, könnte Gaz-System ein zweites Schiff bestellen.
Wie bei den Kraftwerken gibt es auch rund um das FSRU-Terminal kontroverse Vergabeverfahren. So erhielt das türkische Unternehmen GAP, eine Tochter des Çalık-Konzerns, den Zuschlag für den Bau einer Unterwasserleitung bis zum Strand. Der Bauverband PZPB wirft GAP mangelnde Erfahrung vor. Tatsächlich wiesen die ersten gelieferten Stahlpfeiler Mängel bei den Schweißnähten auf.
Ungeachtet der Kontroversen können sich deutsche Anbieter beim meerseitigen Ausbau von Polens Kapazitäten für den Gasimport erfolgreich positionieren. Das Ingenieurbüro TGE Gas Engineering aus Bonn war Teil eines Konsortiums, das bis Anfang 2025 das LNG-Terminal in Świnoujście ausbaute. Auch im Fall der Baltic Pipe, einer Gasleitung von Norwegen nach Polen, entschied sich Gaz-System für Lieferanten aus Deutschland.
Die Beispiele zeigen, dass es sich für deutsche Unternehmen lohnt, Gasprojekte in Polen auch künftig genau zu verfolgen.