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Interview | Polen | Solarindustrie

"Polen ist einer der interessantesten Märkte in Europa"

Bislang wuchs die Fotovoltaikkapazität in Polen vor allem dank Kleinstanlagen auf Hausdächern. Doch nun gehen immer mehr Großanlagen ans Netz - auch dank Know-how aus Deutschland.

Von Christopher Fuß | Warschau

In dem kleinen Dorf Zwartowo, rund eine Autostunde westlich der Hafenstadt Danzig, steht das größte Solarkraftwerk Polens. Es hat eine Kapazität von 204 Megawatt. Die Anlage ist seit Herbst 2022 in Betrieb. Bis 2024 soll sie um weitere 86 Megawatt erweitert werden. Das deutsche Unternehmen Goldbeck Solar hat den Solarpark geplant und gebaut. Wir haben mit Geschäftsführer Joachim Goldbeck über das Projekt und die weiteren Perspektiven in Polen gesprochen.

Joachim Goldbeck, Geschäftsführer, Goldbeck Solar Polen, Ingenieursdienstleistungen in Polen Dies ist ein eingebettetes Bild | © Goldbeck Solar

Herr Goldbeck, wie ist der Solarpark in Zwartowo zustande gekommen?

Unsere Kollegen in Polen haben das Projekt in einer Frühphase entdeckt. Es gab ein leeres Grundstück und eine Baugenehmigung. Die polnische Firma Respect Energy erhielt zunächst den Zuschlag. Wir haben Respect Energy vorgeschlagen, gemeinsam in einem Konsortium den Solarpark umzusetzen. Dank unserer Erfahrung als EPC-Generalunternehmen (Engineering-Procurement-Construction) konnten wir zahlreiche Aufgaben bei der weiteren Entwicklung übernehmen. Beispielsweise haben wir uns mit dem staatlichen Übertragungsnetzbetreiber PSE darauf geeinigt, die ursprünglich geplante Modulleistung zu erhöhen. Heute gehören Goldbeck Solar 60 Prozent der Anlage in Zwartowo. Die restlichen 40 Prozent liegen je zur Hälfte bei Respect Energy und bei der Investmentgesellschaft Aurum.

Welche Schritte haben Sie bei dem Projekt übernommen?

Wir haben den Fotovoltaikpark geplant und gebaut. Dabei gab es einige spannende Herausforderungen. Wir mussten zum Beispiel ein über 30 Kilometer langes Hochspannungskabel unterirdisch verlegen. In Deutschland hätte man wahrscheinlich eine oberirdische Variante gewählt. Die Strecke führte durch ein geschütztes Waldgebiet. Um hier alle Umweltauflagen zu erfüllen, haben wir uns für eine sogenannte Spülbohrung entschieden. Diese Bohrmethode kommt ohne einen Graben und daher ohne umfangreiche Erdarbeiten oder Beschädigungen des Wurzelwerks aus.

Wie haben Sie das Projekt finanziert?

Ein Konsortium aus drei Banken, namentlich die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, sowie die polnischen Banken PKO BP und Pekao unterstützen das Projekt. Außerdem haben wir erfolgreich an den staatlichen Energieauktionen in Polen teilgenommen. Das bedeutet, dass wir in Zukunft einen festen Abnahmepreis für unseren Strom bekommen werden. Solche Förderinstrumente sind sehr wichtig, um günstige Kredite mit einer langen Laufzeit zu erhalten. Zunächst übernimmt aber unser Partner Respect Energy den Vertrieb des Stroms.

Wie sind Sie bei der Planung des Fotovoltaikparks vorgegangen?

Hier kam unsere Software SolarPlanner zum Einsatz, die wir gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik (ITWM) entwickelt haben. Das Programm erstellt anhand verschiedener Parameter eine Wirtschaftlichkeitsprognose für den jeweiligen Standort. In die Berechnung fließen mehrere Faktoren ein, wie die Ausrichtung und der Neigungswinkel der Module, der Reihenabstand oder das Leistungsverhältnis zwischen Modulen und Wechselrichtern. Aus den unzähligen Kombinationsmöglichkeiten der einzelnen Faktoren hebt die Software jene hervor, die am jeweiligen Standort besonders sinnvoll sind. Der so entstandene Layoutplan hilft uns dann bei den weiteren Schritten.

Welche Standortvorteile und welche Hürden gibt es bei großen Projekten für Fotovoltaik in Polen?

Fangen wir vielleicht bei den Grundstücken an. Hier gibt es unserer Einschätzung nach noch keinen Engpass. Man findet passende Flächen. Bei Themen wie Bauleitplanung oder Baugenehmigungen wird es schon schwieriger. 

Auch in Polen gibt es lokale Widerstände gegen manche Projekte, allerdings noch nicht auf dem Niveau, wie wir es mancherorts in Deutschland erleben. Es ist heute auch schwieriger, attraktive Kredite zu finden, weil die Zinsen steigen. Grundsätzlich haben wir den Eindruck, dass die Banken in Polen noch relativ wenig Erfahrung mit der Finanzierung von großen Fotovoltaikanlagen haben. Eines der größten Probleme ist aber der Netzanschluss.

In welcher Hinsicht?

Wenn wir einen Antrag einreichen, müssen wir sehr lange auf eine Antwort des Netzbetreibers warten. Erhält man einen negativen Bescheid, fehlen in der Regel Begründungen, Gegenvorschläge oder alternative Lösungsmöglichkeiten. Insgesamt ist der Dialog mit den Betreibern sehr mühsam.

Hat Polen trotzdem Potenzial?

Absolut! Polen ist unserer Meinung nach einer der interessantesten Märkte in Europa. Braunkohle und Steinkohle haben hier bislang einen hohen Anteil am Strommix. Der Energieträger wird aber immer unwirtschaftlicher. Das liegt unter anderem daran, dass die Energieerzeuger viel Geld für Emissionszertifikate zahlen müssen. Gleichzeitig ist Polen ein Industrieland, was bedeutet, dass große Strommengen gebraucht werden. Der Bedarf steigt sogar noch, weil das Land den Verkehrssektor und die Wärmeversorgung elektrifiziert. Außerdem ist die Akzeptanz für Fotovoltaik in der Öffentlichkeit recht groß.

Wie hoch ist angesichts dieses Potenzials der Konkurrenzdruck?

Es gibt viele Wettbewerber aus Deutschland, Skandinavien und Südeuropa. Polnische Firmen konzentrieren sich aktuell noch auf kleinere Anlagen. Wir sehen aber auch, dass sich die Unternehmen langsam an größere Projekte heranarbeiten.

Welche Unterstützung wünschen Sie sich vor diesem Hintergrund von Verbänden und der öffentlichen Hand aus Deutschland?

Grundsätzlich hilft uns alles, was zu mehr internationaler Verflechtung und Kooperation führt. Auch die Vernetzung von Stromerzeugern und Abnehmern im grenznahen Raum ist uns sehr wichtig. Wenn wir über den europäischen Tellerrand hinausblicken, zum Beispiel nach Afrika, dann wäre es wichtig, dass die öffentliche Hand einige der schwer kalkulierbaren Investitionsrisiken vor Ort übernimmt und damit Projekte ermöglicht, die vor Ort viel Gutes bewirken.

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