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Interview | Taiwan | Beratende Ingenieure

"Wir vereinen in Taiwan technisches Wissen mit lokaler Expertise"

Das Unternehmen Fichtner berät Kunden in Taiwan zu Ingenieurfragen. Markus Schüller berichtet, wie der Einstieg in den Markt lief und wie Fichtner von der Energiewende profitiert. (Stand: 20.12.2023)

Von Alexander Hirschle | Taipei

Markus Schüller, Managing Director, Fichtner Pacific Engineers Markus Schüller, Managing Director, Fichtner Pacific Engineers | © Fichtner GmbH & Co. KG 2023

Markus Schüller ist Managing Director der Firma Fichtner Pacific Engineers. Er ist seit 2006 für Fichtner und seit Mai 2020 in Taiwan tätig. Die taiwanische Tochtergesellschaft des deutschen Ingenieur- und Beratungsunternehmens Fichtner hat ihren Fokus auf Kreislaufwirtschaft, Fotovoltaik, Batteriespeichern und Offshore-Windprojekten. Derzeit hat Fichtner Pacific Engineers insgesamt rund 35 laufende Projekte in verschiedenen Phasen. In Taiwan arbeiten heute 33 Personen. Weltweit hat Fichtner rund 2.000 Beschäftigte und macht einen Umsatz von circa 290 Millionen Euro - rund 60 Prozent davon außerhalb von Deutschland.

Die taiwanische Regierung hat 2016 eine Energiewende eingeleitet, die ähnlich ist wie in Deutschland. Profitieren Sie von dieser Entwicklung?

Definitiv. Bis 2025 sollen hier beispielsweise 5,7 Gigawatt an neuen Stromerzeugungskapazitäten im Offshore-Windbereich installiert und bis 2035 weitere Windparks mit einer Kapazität von rund 15 Gigawatt entwickelt werden. Wir sind aktuell als Owner’s Engineer bei der Ausschreibung, Vertragsverhandlung und Begleitung der Umsetzung einer Offshore-Schaltanlage tätig. Das bedeutet, wir agieren als unabhängiger Ingenieur, der den Bauherren berät sowie dessen Interessen gegenüber den Kontraktoren vertritt und koordiniert. Eine Offshore-Schaltanlage ist die Umspannstation eines Offshore-Windparks, die meist inmitten des Windparks auf See liegt.

Beraten Sie auch bei Solarprojekten?

Im Bereich der Fotovoltaik unterstützen wir ebenfalls internationale Projektentwickler bei der Planung und Vergabe sowie der Koordination mit den Projektbeteiligten hier in Taiwan. Auf diese Weise können die Projektentwickler und Investoren die Rahmenbedingungen vor Ort, wie etwa den Netzanschluss oder auch Genehmigungsprozeduren und -anforderungen, besser einschätzen.

Wie sieht es mit dem Stromnetz aus?

Aktuell gibt es vom taiwanischen Netzbetreiber aufgrund des steigenden Anteils an erneuerbaren Energien im Stromnetz ein Programm für Batteriespeicherprojekte zur Verbesserung der Netzstabilität. Auch für diese Art von Projekten sind wir aktuell mit Due-Diligence-Prüfungen oder Planungsdienstleistungen aktiv.

Was sind Ihre Aufgaben bei solchen Projekten?

Generell sind wir entweder in der Rolle des Owner’s Engineer für taiwanische oder internationale Projektentwickler aktiv oder begleiten diese Projekte in der planenden und koordinierenden Rolle. In einigen Fällen sind wir aber auch in der Rolle des Lender’s Technical Advisor (LTA) beratend für taiwanische Banken oder Investoren tätig. Dort prüfen wir Projekte im Rahmen einer Design-Review-Prüfung der Planungsunterlagen und mit regelmäßigen Monitoring-Aktivitäten während der Umsetzung.

Wie kommen Sie an Projekte?

Zunächst ist eine Präsenz vor Ort enorm wichtig. Man muss ein Netzwerk im Markt aufbauen, Kontakte pflegen, potenzielle Kunden besuchen und sich immer im Gespräch halten. Und Grundvoraussetzung sind natürlich die spezifische Erfahrung, entsprechende Referenzen und lokale Experten, die auf Augenhöhe kommunizieren können. Eine weitere Möglichkeit ist, über einen lokalen Partner an Projekte zu kommen oder über einen Kunden, der einen in den Markt zieht. Wir kommen oft ins Spiel, wenn internationale Entwickler Vorhaben in Taiwan umsetzen und einen unabhängigen Ingenieur brauchen, der Spezialwissen aus der jeweiligen Technologie mit Kenntnissen über die lokalen Rahmenbedingungen vereint. 

Lief auch der Einstieg in den taiwanesischen Markt über ein Energieprojekt?

Nein, begonnen haben wir 1989 im Bereich Abfallwirtschaft. Damals machte sich auf der Insel die Erkenntnis breit, dass angesichts der zunehmenden Industrialisierung das Müllentsorgungsproblem immer gravierender wird. Zur Lösung dieser Thematik war damals internationale Technologie vonnöten. Bei der Recherche nach geeigneten Partnern stießen die taiwanischen Behörden auf Fichtner. Wir haben dann im Auftrag der Umweltbehörde die ersten Regierungsprojekte begleitet und parallel dazu lokale Firmen im Bereich Abfallwirtschaft, "Waste-to-Energy", also Müllverbrennungsanlagen, und Deponieplanung ausgebildet. Insgesamt wurden in Taiwan über 20 Anlagen gebaut. Das Programm war insofern ein großer Erfolg, als dass Taiwan damit als eines der ersten Länder in Asien bereits seit den 1990ern eine sehr hohe geregelte Abfallentsorgungs- und Recyclingquote hat.

Taiwan ist wegen seiner Wirtschaftsstruktur und seiner krisenresistenten Konjunktur ein interessanter Markt. Was sind die Herausforderungen für deutsche Consultants?

Als deutsches Unternehmen würde ich die Sprachhürde sowie die kulturellen Unterschiede nicht unterschätzen. Fließendes Englisch kann nicht bei jedem Beschäftigten vorausgesetzt werden. Auch die interkulturelle Kommunikation stellt einen manchmal vor Probleme. So muss ein "ja" in Taiwan nicht zwingend auch "ja" bedeuten. Und ein "vielleicht" ist meist als "nein" zu interpretieren.

Was sind aus Ihrer Sicht die Erfolgsfaktoren für Ihr Unternehmen in Taiwan?

Fichtner Taiwan hat sehr gute und langjährige Beschäftigte mit der entsprechenden technischen Erfahrung, die auf Mandarin und Englisch übermittelt werden kann. Darüber hinaus haben wir Zugang zu Spezialwissen aus dem Stammhaus und anderen regionalen Büros, auf das wir zurückgreifen können. Letzlich muss man dem Kunden in der Umsetzung aber auch aufzeigen, welchen Mehrwert man wirklich für sein Projekt mitbringt. Dann kommt auch der Folgeauftrag.

Und unsere Ausdauer im taiwanischen Markt wird belohnt: So befinden sich beispielsweise die erwähnten Müllverbrennungsanlagen heute in einem Alter, in dem sie überholt werden müssen. Dabei kommen wir als Consultants wieder ins Geschäft – was auch das Vertrauen zeigt, das wir uns bei den taiwanischen Partnern über einen langen Zeitraum erarbeitet haben.

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