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Electronic circuit board with processor, close up. | © krasyuk/stock.adobe.com

Special | Polen | Beschaffung

Polnische Unternehmen besonders stark bei Energietechnik

Internationale Elektronikkonzerne produzieren in Polen für den europäischen Markt. Polnische Branchenunternehmen sind in Marktnischen als Hidden Champions unterwegs.

Von Christopher Fuß | Warschau

Im Berliner Stromnetz steckt Knowhow aus Polen. Der kommunale Betreiber Stromnetz Berlin GmbH arbeitet mit Schaltanlagen des polnischen Herstellers ZPUE. Das Unternehmen aus der Woiwodschaft Świętokrzyskie gilt als einer der größten Hersteller elektrotechnischer Ausrüstung in Mittelosteuropa. Die rund 2.800 Beschäftigten von ZPUE produzieren an vier Standorten Artikel wie Trafostationen, Mittel- und Niederspannungsschaltanlagen, Ladestationen und Energiespeicher. Deutschland zähle zu den wichtigsten Absatzmärkten, erklärt Vize-Vorstand Krzysztof Jamróz: "Unsere ersten Aufträge in Deutschland haben wir bereits vor 20 Jahren umgesetzt. Heute versorgen wir als zertifizierter Lieferant die großen Energieunternehmen."

Der Handel mit Elektroerzeugnissen aus Polen brummt

Ähnlich wie ZPUE ist ein großer Teil der polnischen Elektroindustrie auf internationalen Märkten aktiv. Die Bank PKO rechnet vor, dass die Branche je nach Produktgruppe bis zu drei Viertel ihrer Umsätze im Export erwirtschaftet. Das starke Auslandsgeschäft könnte einer der Gründe dafür sein, warum die Produktion der Elektroindustrie auch während der Coronakrise nicht einbrach. Der wichtigste internationale Abnehmer von elektrotechnischen Waren aus Polen ist Deutschland. Fast ein Drittel aller Ausfuhren Polens in den Kategorien Elektrotechnik und Elektronik Polens landen auf dem deutschen Markt. Das Geschäft hat in den vergangenen Jahren deutlich zugelegt. Allein zwischen 2017 und 2022 verdoppelten sich die Exporte der polnischen Elektroindustrie nach Deutschland auf 39,5 Milliarden Euro.

Das spürt auch ZPUE Vize-Vorstand Jamróz. Die Zahl der Kundenanfragen steige - zum einen, weil potenzielle Partner verstärkt mit europäischen Anbietern zusammenarbeiten wollen, zum anderen, weil ZPUE in seinen Vertrieb in Deutschland investiert. "Eine der größten Wachstumschancen für uns ist der Ausbau der erneuerbaren Energien. Der dezentral erzeugte Strom muss transportiert, umgewandelt und möglicherweise gespeichert werden. Genau hier kommen unsere Lösungen zum Einsatz", sagt Jamróz.

Ein weiterer polnischer Hersteller, der vom Bau neuer Ökostromkraftwerke profitieren könnte, ist die TFK Gruppe (Tele-Fonika Kable). Das Unternehmen produziert in sieben Werken Strom- und Glasfaserkabel, auch für Kunden aus Deutschland. Hochspannungsleitungen von TFK verbinden zum Beispiel den Offshore-Windpark Nordsee One mit dem Festland. Kein Wunder also, dass die Firmenzentrale bei Krakau genau hinschaut, wenn Deutschland die Offshore-Windkapazitäten bis 2030 verdreifachen will. Auch an Land kommen die Lösungen von TFK zum Einsatz. Im Auftrag des Energieversorgers SachsenEnergie hat das Unternehmen über 12 Kilometer an Hochspannungskabeln verlegt. Dank Unternehmen wie TFK oder Konkurrenten wie Elpar und Eltrim ist Polen heute einer der größten Kabelproduzenten in Europa.

Hinweise zur Geschäfstpraxis

Solides Fundament: Viele polnische Unternehmen haben bereits mit Kunden aus Deutschland zusammengearbeitet.


Netzwerk: Polnische Unternehmen sind kleiner als Firmen in Deutschland. Um trotzdem komplexe Produkte anbieten zu können, kooperieren die kleinen Betriebe mit Partnern, beispielsweise bei Veredlungsschritten wie dem Galvanisieren.


Zeitmanagement: Polnische Geschäftspartner sind pünktlich. Verspätungen von bis zu 5 Minuten werden toleriert. Eine scharfe Trennung zwischen Freizeit und Arbeitszeit gibt es nicht.


Flexibilität: Kurzfristige Änderungen bei Projekten sind in Polen eher möglich als in Deutschland. Das bedeutet auch, dass viele polnische Betriebe einen kürzeren Planungshorizont haben.


Sprachen: Kommunikation auf Englisch ist kein Problem. Eine deutschsprachige Webseite bedeutet nicht, dass im polnischen Unternehmen deutschsprachiges Personal sitzt.


Umgang: Hierarchien spielen in älteren Unternehmen eine größere Rolle als in jüngeren Firmen. Geschäftspartner sind im europäischen Vergleich direkt. Die Kommunikation ist aber verklausulierter als in Deutschland. Statt abzulehnen, werden polnische Unternehmen bei schwierigen Anfragen eher Alternativen formulieren.

An den Konzernen führt kein Weg vorbei

Hinter den milliardenschweren Elektro-Exporten stecken nicht nur Firmen mit polnischem Eigentümer. Tatsächlich erwirtschaften die Tochtergesellschaften internationaler Elektro-Unternehmen laut Bank PKO über 80 Prozent aller Branchenumsätze Polens. Zur Gruppe der ausländischen Hersteller gehört das Unternehmen Flex. Der Auftragsproduzent aus Singapur stellt im polnischen Tczew 5G-Funkmodule her. Auftraggeber ist der schwedische Telekommunikationskonzern Ericsson. Die Funkausrüstung sorgt dafür, dass Kunden in Deutschland und Frankreich schnelles Internet auf dem Smartphone haben.

Flex ist ein Anbieter von sogenannten EMS-Dienstleistungen (Electronic Manufacturing Services). Solche Elektroniklohnfertiger gibt es in Polen zuhauf, darunter auch solche mit polnischem Eigentümer. Zu den größten heimischen Branchenvertretern gehört Fideltronik. Im südpolnischen Sucha Beskidzka bestücken die 1.300 Beschäftigten des Unternehmens Leiterplatten. Mit Kunden wie Bosch und Philips erwirtschaftet Fideltronik Jahresumsätze von rund 290 Millionen Euro.

Hinweise zu Transport und Logistik

Polen gehört zu den größten Speditionsdienstleistern in der EU. Das Autobahnnetz des Landes ist seit dem EU-Beitritt 2004 deutlich gewachsen. Es gibt mehrere Schnellstraßen, die direkt nach Deutschland führen, beispielsweise die A2 und die A4. Auf einigen Strecken fallen für Pkw und Lkw Mautgebühren an. Schienengüter aus Polen gelangen in der Regel über Frankfurt (Oder) nach Deutschland.


Die nach Güterumschlag größten Häfen Polens sind Gdańsk, Gdynia und Szczecin-Świnoujście. Außerdem gibt es landesweit 14 Flughäfen.

Weniger Treibhausgase dank Lösungen aus Polen

Ein Warensegment der Elektroindustrie, das in den vergangenen fünf Jahren besonders dazu gewonnen hat, sind Fahrzeugbatterien. Der Markt befindet sich in Polen fast vollständig in ausländischer Hand. Internationale Firmen produzieren Akkus für die Automobilkonzerne in West- und Südeuropa. Ein Beispiel ist LG: Die koreanische Gruppe hat in der Woiwodschaft Dolnośląskie eines der größten Batteriewerke Europas aufgebaut. Weitere Hersteller wie Northvolt aus Schweden folgten nach, ebenso wie die Zulieferer SK oder Umicore. Auch der deutsche Automobilriese Daimler produziert in Polen Batterien für Elektrofahrzeuge.

Wie der polnische Branchenverband PSPA (Polskie Stowarzyszenie Paliw Alternatywnych) berichtet, machen Lithium-Ionen-Akkus heute mehr als 2,4 Prozent aller Warenexporte Polens aus. Der Wert der Ausfuhren ist seit 2017 um das 38-fache gestiegen. Ob die Erfolgsgeschichte weitergeht, steht nicht fest. Vor dem Hintergrund des US-amerikanischen Subventionsprogramms IRA (Inflation Reduction Act) hat Volkswagen den Bau neuer Batteriefabriken in Mittelosteuropa gestoppt.

Weiter im Aufwärtstrend befindet sich hingegen die Produktion von Wärmepumpen. Der deutsche Bosch-Konzern hat angekündigt, in Dolnośląskie eine Fabrik für Wärmepumpen für 225 Millionen Euro zu bauen. Auch Hersteller wie Viessmann oder Daikin investieren in Polen. Konkurrenten mit polnischem Eigentümer, wie die Sunex Gruppe, melden steigende Verkaufszahlen.

Die meisten Abnehmer von Wärmepumpen aus Polen sitzen im europäischen Ausland. Bei elektronischen Haushaltsgeräten ist die Situation ähnlich. Der europäische Branchenverband Applia geht davon aus, dass bis zu 60 Prozent aller in der EU hergestellten Geschirrspüler, Waschmaschinen und Trockner aus Polen stammen. Etwa 95 Prozent der Elektrogroßgeräte aus polnischen Fabriken gehen in den Export. Den Ton geben internationale Hersteller an, darunter BSH, Miele oder Whirpool. Die polnische Marke Amica kann sich aber behaupten. Andere Firmen wie die polnische Firma Biazet wiederum fertigen im Auftrag von deutschen Herstellern wie Kärcher oder Brita.

Kontaktadressen

Bezeichnung

Anmerkung

AHK Polen

Anlaufstelle für deutsche Unternehmen im Ausland

Polnische Wirtschaftskammer für Elektrotechnik (Polska Izba Gospodarcza Elektrotechniki)

Branchenverband der Hersteller von Elektrotechnik in Polen

Cluster für Photonik und Glasfaseroptik (Klaster Fotoniki i Światłowodów)

Cluster der Hersteller von Kommunikations-, Steuerungs- und Sensortechnik

Cluster für IKT-Technik Masowien (Mazowiecki Klaster ICT)

Cluster der Hersteller von Informations- und Kommunikationstechnik in Mazowieckie

Cluster für IKT-Technik Pommern (Pomorski Klaster ICT)

Cluster der Hersteller von Informations- und Kommunikationstechnik in Pomorskie

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