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Zuliefererindustrie in Portugal ist breit aufgestellt
Portugals Kfz-Zulieferbranche stellt außer Motoren nahezu alle Teile und Komponenten für Fahrzeuge her. Umsatz und Exporte legten in den vergangenen Jahren massiv zu.
14.04.2021
Von Oliver Idem | Madrid
Fahrgestelle, Karosserien, Stoßstangen etc. stellen den größten Anteil an den portugiesischen Branchenexporten nach Deutschland. Metallteile repräsentieren ein Drittel des Umsatzes der Kfz-Teilebranche in Portugal. Die Metallindustrie ist ein entsprechend wichtiger Zuliefersektor. Das gilt auch für die Spritzgussindustrie mit 682 Millionen Euro Produktionswert im Jahr 2019. Laut dem Fachverband Cefamol ist Deutschland hinter Spanien der wichtigste Exportmarkt für Spritzgussteile.
Volkswagen größter ausländischer Investor in Portugal
Die Verbindungen zwischen beiden Ländern reichen aber weit über die reinen Warenströme hinaus. Ein zentrales Symbol in der Kfz-Branche ist das Volkswagen-Werk Palmela. Bei der Produktionsstätte handelt es sich um die größte ausländische Direktinvestition in Portugal. Hinzu kommen wichtige Zulieferer, die sich in der Nähe der Produktionsstätte angesiedelt haben.
Für die Ansiedlung von Kfz-Teileherstellern ist die Nähe zu den Werken der Fahrzeugproduzenten ein wesentlicher Faktor. Im Fall von Portugal schließt das auch Kfz-Fabriken in Spanien ein. Zu den branchenspezifischen Standortfaktoren in Portugal gehört das Niveau der lokalen Fachkompetenz zum Beispiel in den Ingenieurwissenschaften. Zudem punktet das Land mit seiner Kostenstruktur.
Die Faktoren überzeugten in den vergangenen Jahren viele Unternehmen. Der Automobilsektor wurde zum größten Treiber der ausländischen Direktinvestitionen in Portugal. Zuletzt dämpften die Folgen der Coronakrise allerdings diese Entwicklung.
Da viele Unternehmen in der Krise Investitionen verschoben haben, könnten sich geplante Ansiedlungen verzögern. Das Land bemüht sich weiterhin um internationale Aufmerksamkeit. Als Partnerland der Hannover Messe im April 2022 plant Portugal Veranstaltungen zu Metallverarbeitung, Maschinenbau, Energie und digitalen Technologien. Zudem präsentiert es sich als Sourcing-Standort.
Die lokale Produktion von Kfz-Teilen und -Zubehör hat seit 2015 deutlichen Auftrieb erhalten. Auch die Exporte legten massiv zu. Laut den neuesten verfügbaren Zahlen des Fachverbandes Associação de Fabricantes para a Indústria Automóvel (AFIA) waren 2019 circa 240 Unternehmen in der Herstellung von Fahrzeugteilen aktiv. Ihre 265 Werke befinden sich schwerpunktmäßig in der Umgebung der beiden größten Städte Lissabon und Porto.
In Portugal sind vielfältige Netzwerke und Kooperationen in der Automobilindustrie entstanden. Hersteller von Fahrzeugen und Komponenten, Universitäten und Start-ups arbeiten auf verschiedene Weisen zusammen. Die Firma Bosch, aktiv in Forschung und Entwicklung, führt beispielsweise ein Projekt mit der Universität Minha durch.
Etliche deutsche Kfz-Zulieferer fertigen in Portugal
Etwa die Hälfte der Unternehmen befindet sich in portugiesischem Besitz, während die andere Hälfte internationalen Anteilseignern gehört. Unter den Herstellern befinden sich bekannte deutsche Namen wie Bosch, Brose, Kirchhoff, Leoni, Mahle und ZF.
Gemeinsam erzielten die Produzenten im Land 2019 einen Umsatz von 12 Milliarden Euro. Dazu trugen vor allem Metallteile (33 Prozent), elektrische und elektronische Komponenten (29 Prozent) sowie Kunststoff- und Gummiprodukte (18 Prozent) bei. Hinzu kamen Textilien mit 11 Prozent und die Systemfertigung mit 7 Prozent. In Portugal werden außer Motoren nahezu sämtliche Fahrzeugteile hergestellt.
Mit ihrem Gesamtumsatz von 12 Milliarden Euro repräsentierten die Kfz-Teilehersteller etwa 6 Prozent der portugiesischen Wirtschaftsleistung. Seit 2010 stieg der Umsatz von knapp 7 Milliarden auf 12 Milliarden Euro. Allein von 2018 auf 2019 legte dieser Indikator um 4 Prozent zu.
Die Bedeutung der Ausfuhren nahm seit 2010 proportional noch stärker zu. Von circa 5 Milliarden Euro im Ausgangsjahr verdoppelten sie sich bis 2019 nahezu. Die Ausfuhren erreichten 2019 genau 9,7 Milliarden Euro. Mehr als 91 Prozent der Exporte entfielen auf europäische Zielmärkte. Die größten waren das iberische Nachbarland Spanien (26,8 Prozent), Deutschland (21,1 Prozent) und Frankreich (14 Prozent).
Portugal lieferte 2019 ebenfalls mehr Kfz-Teile nach Deutschland als zehn Jahre zuvor. Mit kumuliert 8,3 Prozent fiel der Zuwachs aber eher moderat aus.
Enge Verbindungen zur spanischen Automobilbranche
Handelsströme allein bilden die zahlreichen Verflechtungen innerhalb der Automobilbranche nur unzureichend ab. Manche Komponenten überschreiten mehrere Landesgrenzen, bis sie in einem Automobil verbaut werden. Zudem werden Portugal und Spanien eher als ein gemeinsamer iberischer Markt wahrgenommen. Zwischen dem wichtigen Zuliefererstandort Nordportugal und dem Stellantis-Werk im nordspanischen Vigo liegen nur etwa 100 Kilometer Entfernung.
Die viel diskutierte internationale Knappheit an Halbleitern und Chips stellt auch in Portugal die Beschaffungsspezialisten der Automobilindustrie vor Herausforderungen. Bis Anfang März mussten jedoch keine Produktionsunterbrechungen aus diesem Grund vorgenommen werden.
Auch die Schwierigkeiten rund um den Brexit haben Bedeutung für Portugal. Rund 6 Prozent der Exporte gingen 2019 ins Vereinigte Königreich. Mehr Aufmerksamkeit als bürokratischen Hindernissen gilt aber den künftigen strategischen Entscheidungen der Fahrzeughersteller. Im Fokus stehen die Kfz-Produktionszahlen und wo welches Modell gebaut wird.
Lithiumreserven treffen den Bedarf der Elektrofahrzeugproduktion
Portugal könnte vom Hochlauf der Elektromobilität profitieren. Kein anderes EU-Land verfügt über so hohe Reserven des wichtigen Rohstoffs Lithium für die Batterieproduktion. Zudem existiert die Idee für die Lithiumgewinnung, Batterieproduktion und -recycling zusammen mit dem Nachbarland Spanien.
Deutsche Einfuhr ausgewählter Kfz-Teile aus Portugal (in 1.000 Euro, Veränderung in Prozent)
2010 | 2019 | Veränderung 2019/2010 | |
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SITC 778.3 Kfz-Elektrik | 32.647 | 34.740 | 6,4 |
SITC 784 Fahrgestelle, Karosserien, Stoßstangen etc. | 187.045 | 256.247 | 37,0 |
SITC 773.13 Zündkabelsätze | 23.802 | 28.874 | 21,3 |
SITC 713.2 Verbrennungsmotoren | 51.877 | 0 | - |
Summe | 295.371 | 319.861 | 8,3 |