Wirtschaftsumfeld | Saudi-Arabien | Wirtschaftsstruktur
Regierung strebt Diversifizierung der Wirtschaft an
Die Abhängigkeit von dem dominierenden Öl- und Gassektor soll sinken. Die Klimapolitik könnte wichtige Impulse geben.
20.07.2023
Von Robert Espey | Dubai
Der saudi-arabische Anteil an der Wirtschaftsleistung der sechs GCC-Länder (Gulf Cooperation Council) beträgt etwa 50 Prozent. Das Königreich erwirtschaftete 2022 ein Bruttoinlandsprodukt von 1.108 Milliarden US-Dollar (US$), gefolgt von den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE; 507 Milliarden US$). Beim Pro-Kopf-Einkommen lag Saudi-Arabien mit 34.441 US$ nur auf Rang 4, hinter Katar (89.300 US$), den VAE (51.300 US$) und Kuwait (38.900 US$).
Entwicklung des Nicht-Ölsektors wird forciert
Ein Hauptziel der Entwicklungsplanung "Vision 2030" ist die Reduzierung der Abhängigkeit vom Ölsektor. Die angestrebte Diversifizierung sieht allerdings keine Schrumpfung, sondern vielmehr eine weitere Expansion der Ölindustrie und nachgelagerter Downstream-Sektoren vor. Der wachsende Anteil der Nicht-Ölwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt (BIP) soll durch kräftige, überdurchschnittliche Zuwächse in verschiedenen Nicht-Ölsektoren realisiert werden.
Neben dem Ausbau der verarbeitenden Industrien steht vor allem der Dienstleistungssektor im Fokus. Anders als in der bislang dominierenden sehr kapitalintensiven Ölwirtschaft entstehen in der Dienstleistungsindustrie viele neue Arbeitsplätze für die junge einheimische Bevölkerung. Beispiele sind der stark expandierende Freizeit- und Tourismussektor oder die Logistikbranche.
Wichtige Impulse könnte die Wirtschaft durch den Umbau des Landes in Richtung Klimaneutralität erhalten. Saudi-Arabien will 2060 das "Net Zero"-Ziel erreichen, zugleich aber seine Ölförderung und -exporte auf hohem Niveau halten. Die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien soll zur Klimaneutralität beitragen. Ein größeres Interesse richtet sich allerdings auf CCUS-Technologien (Carbon Capture, Usage and Storage). Bis 2035 soll eine CCUS-Kapazität von jährlich 44 Millionen Tonnen CO₂ erreicht werden.
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Internationale Unternehmen sehen neue Potenziale
Das Interesse ausländischer Firmen an Saudi-Arabien hat in den letzten Jahren spürbar zugenommen. Ein wesentlicher Grund sind die zahlreichen angekündigten oder bereits begonnenen Megaprojekte. Die meisten dieser Vorhaben werden ganz oder wesentlich vom Public Investment Fund (PIF) finanziert.
Die positivere Einschätzung des saudi-arabischen Marktes ist auch auf einige Verbesserungen bei rechtlichen und administrativen Rahmenbedingungen zurückzuführen. Zudem hat die partielle Modernisierung der sehr konservativen islamischen Gesellschaftsordnung zu einer Imageverbesserung beigetragen.
Öl- und Petrochemie sind die wichtigsten Wirtschaftssektoren
Der Ölsektor bleibt auch langfristig der dominierende Wirtschaftszweig. Sein Anteil (einschließlich Gas und Raffinerien) am realen BIP ist zwar gesunken, lag aber 2022 weiterhin bei hohen 39,4 Prozent (2010: 44,2 Prozent). Aufgrund der derzeitigen Bemühungen, den Ölpreis durch Produktionsdrosselungen zu stabilisieren, dürfte die BIP-Quote 2023 etwas schrumpfen. Mittelfristig sind aber eine Steigerung der Ölproduktion sowie hohe Investitionen in den Ausbau der Gasförderung vorgesehen.
Die petrochemische Industrie ist mit einer jährlichen Produktionskapazität von über 120 Millionen Tonnen die größte Sparte des verarbeitenden Gewerbes. Die weitere Expansion und die Diversifizierung der Downstream-Industrie bildet einen Schwerpunkt der saudi-arabischen Entwicklungsstrategie. Zu den neuen Chemie-Großprojekten gehört der Bau des auf 11 Milliarden US$ kalkulierten Amiral Complexes in Jubail durch die Saudi Aramco Total Refining & Petrochemical Company (SATORP).
Die Wasserstoffproduktion gilt in Saudi-Arabien als eine der wichtigsten Zukunftsbranchen. Ein Projekt zur Herstellung von grünem Wasserstoff ist mit deutscher Beteiligung im Bau. Zahlreiche andere Projekte sind in der Diskussion. Dabei gibt es aber eine Präferenz für blauen Wasserstoff.
Bedeutung der Wirtschaftszweige in Saudi-Arabien (Anteile in Prozent)
Sektoren | Anteil an der Bruttowertschöpfung 2022 1) | Anteil an den Beschäftigten 2022 2) |
---|---|---|
Land- und Forstwirtschaft, Fischerei | 2,5 | 2,6 |
Bergbau | 34,9 | 1,0 |
Öl- und Gasförderung | 34,4 | k.A. |
Verarbeitendes Gewerbe | 15,5 | 9,5 |
Ölraffinerien | 6,4 | k.A. |
Energie- und Wasserversorgung | 1,1 | 1,1 |
Baugewerbe | 4,7 | 10,1 |
Dienstleistungen | 41,3 | 75,7 |
Große Wirtschaftszentren an der West- und Ostküste
Dammam bildet zusammen mit den angrenzenden Städten Dhahran und Khobar das administrative Zentrum der Ölindustrie. Die nationale Ölgesellschaft Aramco hat in Dhahran ihre Zentrale. Der Hafen von Dammam ist der zweitgrößte des Landes.
Jeddah an der Westküste ist traditionell das große Handelszentrum des Königreichs. Zudem lebt die Stadt von den Millionen Touristen, die über Jeddah in die heiligen Städte Mekka und Medina reisen.
Die Royal Commission for Jubail and Yanbu (RCJY) ist für die Entwicklung der Industriezonen in Jubail und Ras Al Khair an der Ostküste sowie in Yanbu und Jazan an der Westküste zuständig. Die Schwerpunkte der RCJY-Industriezonen sind Investitionen in die Petrochemie und andere energieintensive Industrien.
In Jubail sind wichtige Chemiefirmen angesiedelt, darunter Sabic, die Arabian Petrochemical Company (Petrokemya), die Jubail United Petrochemical Company, SATORP und der Sadara Petrochemicals Complex. Der Bau eines CCUS-Hubs mit einer jährlichen Kapazität von 9 Millionen Tonnen ist in Jubail geplant.
Das größte Projekt in Ras Al Khair ist ein integrierter Aluminiumkomplex. Das notwendige Bauxit liefern Minen im Nordosten des Landes. In Ras Al Khair wird auch Ammoniak produziert. Das Phosphat kommt ebenfalls aus lokalen Vorkommen.
Yanbu ist das Zentrum der petrochemischen Industrie an der Westküste. Dort produzieren drei Ölraffinerien mit einer Gesamtkapazität von über 1 Million Barrel pro Tag.
Ein neues Wirtschaftszentrum soll im dünn besiedelten Nordwesten des Königreichs entstehen. Für diese Region von der Größe Mecklenburg-Vorpommerns läuft unter dem Namen "NEOM" (New Future) weltweit eine aufwendige Imagekampagne, die ausländische Investoren anlocken soll. Die in NEOM geplanten beziehungsweise teilweise schon im Bau befindlichen Großprojekte sind eine futurische Stadt (The Line), eine Industrie- und Hafenzone am Roten Meer (Oxagon) sowie ein Tourismusprojekt in den Bergen (Trojena).
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