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Chinesische Unternehmen treiben Belgrads Verkehrsprojekte voran
Belgrad baut eine U-Bahn, einen Straßentunnel und eine neue Brücke. Schlüsselaufträge gingen ohne Ausschreibung an chinesische Firmen. Doch für deutsche Firmen gibt es Chancen.
30.09.2025
Von Hans-Jürgen Wittmann | Belgrad
Serbiens Hauptstadt Belgrad rüstet seine Verkehrsinfrastruktur für den Sprung in die Zukunft. Um die tägliche Rushhour während der Stoßzeiten zu entzerren und um mehr Pendler auf öffentliche Verkehrsmittel zu locken, baut die Metropole eine U-Bahn, einen Autotunnel unter der Altstadt hindurch sowie eine neue Brücke über die Save.
U-Bahn wird zentraler Pfeiler von Belgrads Mobilität der Zukunft
Belgrad treibt sein - mehrmals verschobenes - Projekt voran, das die zentrale Lösung für die wachsenden Verkehrsprobleme der Stadt darstellen soll: den Bau einer U-Bahn. Aktuell ist die 1,8 Millionen Einwohner Stadt eine der letzten Metropolen Europas ohne unterirdische Schnellbahn. Geplant sind drei Linien:
- Linie 1 wird rund 21,3 Kilometer lang und von Železnik nach 21 Stationen Mirijevo erreichen. An der Endstation entsteht das 40 Hektar große U-Bahn-Depot in Makiško Polje.
- Linie 2 soll nach 23,9 Kilometern und 24 Stationen die Station Mirijevo mit Zemun verbinden.
- Linie 3 soll von Bežanija über 22 Haltestellen nach Banjica verlaufen. Eine Verlängerung der Linie bis zum Flughafen Nikola Tesla ist im Gespräch.
- Die U-Bahn-Waggons und die elektromechanischen Systeme für das Depot liefert der französische Schienenfahrzeugbauer Alstom.
Auftraggeber für den Bau von Linie 1 sind das Ministerium für Bau, Transport und Infrastruktur und das städtische Nahverkehrsunternehmen Belgrade Metro and Train. Generalauftragnehmer für die 1. Linie ist der chinesische Staatskonzern PowerChina. Die Vergabe erfolgte ohne öffentliche Ausschreibung. Rund 11 Kilometer werden unterirdisch verlaufen. Zu diesem Zweck sollen Tunnelbohrmaschinen des chinesischen Herstellers China Railway Construction Heavy Industry (CRCHI) zum Einsatz kommen. Im 2. Halbjahr 2026 soll mit dem Vortrieb der 1. Linie begonnen werden. Die Inbetriebnahme dieser Strecke ist für 2030 angepeilt.
Nach dem Unglück von Novi Sad dürfte wieder verstärkt auf Qualität beim Bau geachtet werden. Serbien verfüge zwar über gute Baugesetze, doch gebe es keine angemessene Kontrolle, analysiert Bauingenieur Danijel Dašić in der Tageszeitung Danas eine der möglichen Unglücksursachen. Daher könnten sich für spezialisierte Tiefbauunternehmen, Lieferanten von Signal- oder Sicherheitstechnik sowie Bauberatungsunternehmen Geschäftschancen ergeben. Für die Linie 1 übernimmt ein Konsortium aus dem französischen Ingenieurbüro Systra und DB Engineering & Consulting die Projektmanagementberatung (PMC), inklusive der Bauüberwachung.
Hintergrund: Unglück von Novi Sad
Am 1. November 2024 stürzte ein frisch renoviertes Vordach am Bahnhof in Novi Sad ein, 16 Menschen starben. Die Bevölkerung wirft der Regierung Korruption, Schlamperei am Bau und Nachlässigkeit vor. Ein chinesisches Konsortium war als Unterauftragnehmer in den Skandal verwickelt. Die Zivilgesellschaft achtet seither aufmerksam auf die Einhaltung baurechtlicher Vorschriften.
Für Linie 2 ist noch kein Generalauftragnehmer ausgewählt. Allerdings ist eine Vergabe an PowerChina im Rahmen des Abkommens über wirtschaftliche und technische Zusammenarbeit im Bereich der Infrastruktur zwischen der Regierung der Republik Serbien und der Regierung der Volksrepublik China sehr wahrscheinlich. Planung und Bau der U-Bahn-Linie 2 sollen als Einzelaufträge ausgeschrieben werden. Der Beginn für die Bauarbeiten an der zweiten Linie steht noch nicht fest.
Perspektivisch soll auch eine dritte Linie entstehen. Anfang Februar 2025 wurde ein Konsortium unter Führung der China Railway Design Corporation (CDRC) mit der Erstellung der Machbarkeits- und Umweltverträglichkeitsstudie beauftragt.
Die Kosten für den Bau der ersten beiden Linien haben sich von ursprünglich 2,2 Milliarden Euro auf aktuell rund 4,6 Milliarden Euro mehr als verdoppelt. Finanziert wird das Projekt aus staatlichen Mitteln, sowie aus Krediten und Darlehen aus China und Frankreich. Die Hongkonger Niederlassung der Deutschen Bank gewährt einen Kredit über rund 180 Millionen Euro für das Depot in Makiško Polje.
Karađorđev-Tunnel soll Verkehr in der Altstadt entzerren
Zwischen dem Karađorđev-Boulevard und dem Boulevard Despot Stefana soll ein neuer, rund 2 Kilometer langer Autotunnel die notorisch Stau geplagte Altstadt entlasten. Künftig wird der Verkehr in den Stadtteilen Neu-Belgrad, Palilula und Zvezdara unterirdisch verlaufen. Nach der Realisierung werde die Verkehrsbelastung in der Altstadt um rund ein Achtel sinken, erwartet Belgrads Bürgermeister Aleksandar Šapić. Auftraggeber des Projekts ist die städtische Direktion für Bauland und Bauwesen, Generalauftragnehmer ist PowerChina.
Die Vorbereitungsarbeiten zur Verlegung von Stromleitungen, sowie Wasser- und Kanalrohren sind in vollem Gange. Bis 2030 soll der Bau des Autotunnels abgeschlossen sein. Die veranschlagten Kosten belaufen sich auf rund 235 Millionen Euro, die über einen Kredit der Bank Poštanska Štedionica über 213 Millionen Euro, sowie aus dem serbischen Staatshaushalt bezahlt werden sollen.
Neue Brücke über die Save soll Anbindung nach Neu-Belgrad verbessern
Direkt im Anschluss an das nördliche Ende des Karađorđev-Tunnels soll - an der Stelle der in den 1940er Jahren erbauten alten - eine neue Brücke die Save überqueren. Geplant sind zwei Fahrbahnen, sowie beidseitige Bürgersteige und Fahrradwege. Zwischen den Fahrbahnen werden Straßenbahngleise verlegt. Die Brücke wird von einem doppelten Spannbogen getragen und auf sechs Stahlbetonpfeilern ruhen, davon zwei mitten im Fluss. An beiden Seiten der Save werden Aufzüge für Fußgänger und Fahrradfahrer eingebaut.
Investor und Auftraggeber des Projekts ist die städtische Direktion für Bauland und Bauwesen. Der Generalauftrag wurde ohne öffentliche Ausschreibung oder transparenten Wettbewerb an Power China vergeben. Die Projektplanung übernimmt der Baukonzern Millennium Team. Die Ausschreibung für vom Dachverband FIDIC (International Federation of Consulting Engineers) zertifizierte beratende Ingenieure für die Projektkoordination, Bauaufsicht und den Umweltschutzplan gewannen die Beratungsunternehmen CPM Consulting und Louis Berger (Teil der WSP Group). Die Fertigstellung ist bis 2027 angepeilt.
Die genaue Höhe der Baukosten ist nicht öffentlich bekannt. Zur Finanzierung dieses Projekts nahm Serbien einen Kredit über 80 Millionen Euro von der Bankengruppe BNP Paribas auf. Den Kredit versichert die China Export & Credit Insurance Corporation.