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Branchen | Ukraine | Automobilsektor

Ukrainischer Automarkt nimmt langsam wieder Fahrt auf

Die Kfz-Verkäufe ziehen im 2. Kriegsjahr wieder an, erreichen jedoch noch nicht das Vorkriegsniveau. Elektroautos werden immer beliebter. Der Bedarf an Nutzfahrzeugen steigt. 

Von Hans-Jürgen Wittmann | Berlin

Der ukrainische Automarkt befindet sich 18 Monate nach Beginn des russischen Angriffskrieges auf Normalisierungskurs. Gerissene Lieferketten werden neu strukturiert, die Teileversorgung wieder hergestellt. Doch auch in Regionen fernab der Kampfhandlungen droht ständig Gefahr. Bei einem Raketenangriff auf die westukrainische Stadt Luzk wurde Mitte August 2023 eine Fabrik des schwedischen Kugellagerherstellers SKF getroffen.

Entwicklung des Pkw-Absatzes durchwachsen

Der Absatz von neuen Pkw stieg - ausgehend von einem niedrigen Basiswert - in den ersten sieben Monaten 2023 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um die Hälfte auf 32.400 Einheiten, meldet der Branchenverband UkrAvtoProm. Der Durchschnittspreis für Neuwagen liegt bei rund 33.000 Euro. Sollte der Trend anhalten, werden bis Ende 2023 rund 70.000 Neufahrzeuge verkauft werden, prognostiziert die Analyseagentur AUTO-Consulting. Das wäre noch immer um ein Drittel weniger, als die verkauften Neufahrzeuge im Vorkriegsjahr 2021.

Am beliebtesten sind Modelle mit Benzin- oder Dieselmotor, die einen Marktanteil von rund zwei Drittel halten. Rund ein Fünftel der verkauften Neufahrzeuge sind mit Hybridantrieb ausgestattet - Tendenz steigend.

Absatz von Fahrzeugen in der Ukraine (in Einheiten, Veränderung in Prozent)

Kategorie

2021

2022

Jan.-Juli 2023

Veränderung Jan.-Juli 2023/2022

Pkw

103.245

37.890

32.400

51

Nutzfahrzeuge

15.846

6.857

6.165

61,8

Busse

2.681

914

k.A.

k.A.

Quelle: UkrAvtoProm 2023

Im Massensegment belegen Modelle von Toyota, Renault und Volkswagen die vorderen Plätze. Bestseller bleibt der Crossover Renault Duster. Durch die sinkende Kaufkraft weiter Teile der Bevölkerung schwächelt dieses Marktsegment jedoch. Zudem nutzten Ukrainer die Gunst der Stunde und deckten sich im Vorjahr mit Kompaktklasse-Gebrauchtwagen ein, als die Regierung die Einfuhrzölle auf Kfz zeitweise ausgesetzt hatte. Außerdem kamen in den ersten sieben Monaten 2023 rund 100.000 Pkw als humanitäre Hilfe ins Land.

Der Absatz von neuen Premiummodellen verzeichnet dagegen gute Zuwachsraten. Die Top-3 BMW (1.900 Einheiten), Mercedes (1.400) und Lexus (800) konnten ihre Verkäufe von Januar bis Juli 2023 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum steigern. Staatliche Stellen und Unternehmer erneuern ihren Fuhrpark. Zudem brachten die Premium-Hersteller Modelle, die ursprünglich für russische Kunden vorgesehen waren, aber aufgrund der Sanktionen nicht mehr nach Russland geliefert werden durften, mit Rabatt auf den ukrainischen Markt.

Asiatische Hersteller dominieren Elektro-Markt

Die Nachfrage nach Elektroautos steigt. Zwischen Januar und Juli 2023 wurden rund 16.000 neue und gebrauchte E-Autos importiert - ein Anstieg um beinahe das Dreifache im Vergleich zum Vorjahreszeitraum und um das 1,5-fache zum Vergleichszeitraum 2021. Gebrauchtwagen dominieren auch bei E-Mobilen mit einem Marktanteil von rund 80 Prozent.

Die beliebtesten Elektro-Neuwagen kommen aus Asien. Neben dem Modell M-NV von Dongfeng/Honda und BZ4X von FAW/Toyota liefert aber auch Volkswagen mit dem ID.4 und ID.6 E-Autos in die Ukraine. Weitere beliebte Modelle sind Nissan Leaf, Renault Zoe sowie Tesla Model 3.

Gebrauchtwagen bleiben hoch im Kurs

Zwischen Januar und Juli 2023 wurden rund 105.800 gebrauchte Pkw aus dem Ausland eingeführt. Deren Durchschnittsalter liegt bei rund 10 Jahren, meldet UkrAvtoProm. Beliebt sind vor allem Kompaktklassemodelle wie Volkswagen Golf, Renault Megane oder Škoda Octavia, sowie Crossover-Modelle.

Die Regierung will den Verkauf von Gebrauchtwagen, der meist bar auf die Hand erfolgt, regulieren, um die Steuereinnahmen des Staates zu erhöhen. Als Folge könnten die Preise steigen und die Nachfrage sinken. Andererseits dürfen seit 1. August 2023 Armee, Sicherheits- und Rettungsdienste auch Rechtslenker importieren, was Gebrauchtimporte aus Großbritannien und Japan ankurbeln dürfte.

Nutzfahrzeug-Verkäufe ziehen wieder an

Der Absatz von Lkw stieg zwischen Januar und Juli 2023 um 62 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum auf 6.165 Einheiten. Zum Vergleichszeitraum im Vorkriegsjahr 2021 ist der Markt jedoch noch immer um ein Viertel kleiner. DAF-Modelle führen in den Top-3-Verkäufen im Juli 2023 vor Volvo und MAN. Der Modernisierungsbedarf ist hoch, das Durchschnittsalter des ukrainischen Lkw-Fuhrparks unter 3,5 Tonnen liegt bei 25 Jahren.

Wachstumstreiber Nummer eins ist die russische Seeblockade der Schwarzmeerhäfen. Dadurch kann die ukrainische Getreideernte nicht mehr per Schiff abtransportiert werden, sondern muss über Schiene und per Lkw auf dem Landweg außer Landes gebracht werden.

Bedarf an Getreidelastern steigt

Um die Ausfuhr von Getreide per Lkw zu erhöhen, werden ukrainische Unternehmen kreativ. Die Firma AMAKO baute eine Flotte von Lkw zu Getreidelastern um. Sie besteht aus gewöhnlichen Sattelzugmaschinen mit Kippaufliegern aus Aluminium. Die Nutzlast liegt bei rund 25 Tonnen pro Ladung. Eine angebrachte Achslastanzeige ermöglicht es dem Fahrer, den Beladungsgrad zu kontrollieren und eine gleichmäßige Verteilung der Last zu erreichen.

Zwischen Januar und Juli 2023 stieg der Absatz von neuen leichten Nutzfahrzeugen (Light Commercial Vehicles, LCV) im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um ein Viertel auf rund 33.600 Einheiten, meldet das Automotive Market Research Institute. Renault führt mit dem Modell Master vor Peugeot und Volkswagen die Top-3 an. Gebrauchte importierte LCV machen rund drei Viertel des Marktvolumens aus.

Lokale Kfz-Fertigung bleibt von Zulieferungen abhängig

Die Produktions- und Zulieferbetriebe des Landes nahmen ihre Teilefertigung für europäische OEM bereits kurz nach Kriegsbeginn wieder auf. Allerdings bleibt die ukrainische Kfz-Industrie auf Einfuhren aus dem Ausland angewiesen. Das osteuropäische Land importierte laut Außenhandelsstatistik zwischen Januar und Mai 2023 Fahrzeuge und Kfz-Teile (Zolltarifposition HS 87) im Wert von 2,37 Milliarden US-Dollar (US$) - ein Plus von 30,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die Ausfuhren gingen im gleichen Zeitraum um 14 Prozent auf 48,9 Millionen US$ zurück.

Der Auftragsfertiger Evrocar montierte für Škoda in Solomonowo im Gebiet Transkarpatien in den ersten sieben Monaten 2023 rund 1.000 Fahrzeuge oder rund 70 Prozent mehr als im gleichen Vorjahreszeitraum. Sie wurden aus größtenteils vormontierten Elementen nach der sogenannte SKD-Methode (Semi-Knocked-Down) zusammengebaut. Doch steigende Löhne senken die Rentabilität solcher auf Auslagerung basierender Geschäftsmodelle.

Andere Kfz-Fertiger stellten ihre Produktion auf Bedarfe der Armee um. Bas-Motor fertigt beispielsweise statt Bussen nunmehr Panzersperren.

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