Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Wirtschaftsumfeld | Ukraine | EU-Beitritt

In Siebenmeilenstiefeln nach Europa

Die Integration der Ukraine mit der Europäischen Union schreitet voran. Kiew arbeitet mit Hochdruck daran, die Voraussetzungen für EU-Beitrittsverhandlungen zu erfüllen.

Von Gerit Schulze | Berlin

Die Ukraine will so schnell wie möglich in die Europäische Union (EU). Das bekräftigte die Regierung beim EU-Ukraine-Gipfel am 3. Februar 2023. Doch die Hürden auf dem Weg zur Mitgliedschaft sind hoch. Als das Land im Juni 2022 den Status eines Beitrittskandidaten erhielt, stellte Brüssel sieben Vorbedingungen:

  • Reform des Verfassungsgerichts (Minimierung des politischen Einflusses)
  • Justizreform, unabhängige Besetzung der Gremien High Council of Justice (HCJ) und High Qualification Commission of Judges (HQCJ)
  • Bekämpfung der Korruption mithilfe des Specialised Anti-Corruption Prosecutor’s Office (SAP) und des National Anti-Corruption Bureau of Ukraine (NABU)
  • Kampf gegen Geldwäsche
  • Entmachtung der Oligarchen, Schaffung eines Oligarchenregisters
  • Änderung der Mediengesetzgebung
  • Neue Gesetzgebung zum Minderheitenschutz

Fortschritte bei Korruptionsbekämpfung angemahnt

Einige dieser Reformen hat Kiew bereits umgesetzt, darunter ein neues Mediengesetz und die Verabschiedung einer Antikorruptionsstrategie. Auch beim Schutz von Minderheiten gibt es Fortschritte.

Beim Februar-Gipfel in Kiew würdigten die EU-Vertreter die "erheblichen Anstrengungen“, die Kiew in den vergangenen Monaten unternommen habe, um die Empfehlungen aus Brüssel für den Beitrittsprozess zu erfüllen. In der gemeinsamen Abschlusserklärung betonten die Politiker besonders die Rolle der Justizreform. Die EU erneuerte aber ihre Forderung, dass Verfassungsrichter politisch unabhängig sein und nach Qualifikation ausgewählt werden müssen. Ebenso werden weitere Fortschritte bei der Bekämpfung der Korruption und beim Schutz von Minderheitenrechten angemahnt.

Im aktuellen Index zur Korruptionswahrnehmung von Transparency International liegt die Ukraine auf Rang 116 von 180 Ländern. Im Januar 2023 sorgten neue Korruptionsskandale im Verteidigungs- und im Infrastrukturministerium für Aufsehen und Entlassungen. Mit einem Korruptionsindex von 33 rangiert das Land laut Transparency International auf einem Niveau mit Angola und Algerien. Gegenüber dem Vorjahr hat sich die Ukraine um sechs Plätze verbessert und liegt vor Russland.

Im Frühjahr 2023 will die EU-Kommission einen Fortschrittsbericht vorlegen. Einen konkreten Termin für den Beginn der Beitrittsverhandlungen wollte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen aber nicht nennen.

Stärkere Integration in den Binnenmarkt

Beide Seiten vereinbarten beim Februar-Gipfel in Kiew, die Ukraine schon jetzt stärker in den EU-Binnenmarkt zu integrieren und an wichtigen Förderprogrammen der Union zu beteiligen. So darf das Land am Single Market Programme (SMP) der EU teilnehmen. Im Rahmen dieses Programms will Brüssel die Potenziale des Binnenmarktes besser entfalten und unterstützt die Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen. Im Zeitraum 2021 bis 2027 stehen dafür 4,2 Milliarden Euro bereit.

Laut Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sei geplant, die bestehende Zollfreiheit für ukrainische Waren auf dem EU-Binnenmarkt zu verlängern. Außerdem wollen beide Seiten die Roaminggebühren im Mobilfunk abschaffen.

Ausbau der Solidarity Lanes

Ferner sollen die sogenannten Solidarity Lanes ausgebaut werden, vor allem Eisenbahn- und Straßenrouten. Im Rahmen dieses Projekts hilft die EU der Ukraine, ihre Waren auf Auslandsmärkte zu exportieren. Zwischen Mai und Dezember 2022 sollen auf diese Weise 45 Millionen Tonnen ukrainischer Güter ins Ausland geliefert worden sein. Dadurch erzielte das Land Exporterlöse von 20 Milliarden Euro. Ein wichtiger Beitrag zum wirtschaftlichen Überleben.

Strategische Partnerschaft bei Biogas und Wasserstoff

Der ukrainische Premierminister Denys Schmyhal verwies zudem auf eine neue Absichtserklärung für eine strategische Partnerschaft bei erneuerbaren Energieträgern, darunter Biomethan und Wasserstoff.

Bereits am 16. März 2022 synchronisierte die Ukraine ihr Stromübertragungsnetz mit dem kontinentaleuropäischen Netzwerk ENTSO-E. 

Auch die ukrainische Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation NCEC kooperiert enger mit den EU-Behörden. Im Juni 2022 erlaubte die EU-Kommission eine Mitgliedschaft der NCEC im Gremium der Europäischen Regulierungsstellen für Elektronische Kommunikation (BEREC).

Mehr Beteiligung an EU-Programmen für Forschung

Wie sehr die Integration mit der Europäischen Union voranschreitet, zeigen die zahlreichen Initiativen und Programme der EU, an denen die Ukraine inzwischen beteiligt ist. Seit Juni 2022 ist die Ukraine mit dem Forschungs- und Innovationsprogramm der EU "Horizon Europe" assoziiert. Akteure der ukrainischen Forschungslandschaft können seitdem an den EU-Programmen teilnehmen, auch an Euratom (Forschung an Nukleartechnik).

Mit speziellen Hilfsangeboten wie ERA4Ukraine, Horizon4Ukraine, ERC4Ukraine und MSCA4Ukraine unterstützt die EU vor dem Krieg geflüchtete Wissenschaftler. Noch 2023 soll in Kiew ein Büro von Horizon Europe eröffnet werden. Es soll als Kontaktstelle zwischen ukrainischen und EU-Forschungseinrichtungen dienen.

Der Europäische Innovationsrat EIC stellt 20 Millionen Euro bereit, um mindestens 200 ukrainische Start-ups mit jeweils 60.000 Euro zu finanzieren.

Beim Wiederaufbau der ukrainischen Städte soll das Land Hilfe von der Initiative New European Bauhaus (NEB) bekommen. Diese kümmert sich in Europa um den nachhaltigen Gebäudebau. Es ist geplant, bis März 2023 Programme für den Wiederaufbau auf den Weg zu bringen. Erste Pilotprojekte laufen bereits. Als Sofortmaßnahme werden dafür 7 Millionen Euro EU-Mittel bereitgestellt.

Kooperationen bei Zollverwaltung und Normung

Im September 2022 vereinbarten Kiew und Brüssel, dass die Ukraine am Customs Programme und am Fiscalis Programme teilnehmen darf. Dabei geht es um den Aufbau eines zentralen IT-Zollsystems in Europa und um die gemeinsame Bekämpfung von Steuerbetrug.

Seit Januar 2023 ist die ukrainische Standardisierungsbehörde Mitglied im Europäischen Komitee für Normung (CEN) und im Europäischen Komitee für elektrotechnische Normung (CENELEC).

Meilensteine der Beziehungen zwischen EU und Ukraine

Januar 2005

Der ukrainische Präsident Wiktor Juschtschenko erklärt in Straßburg die Mitgliedschaft in der EU als strategisches Ziel der Ukraine.

September 2008

Ukraine und EU vereinbaren ein Assoziierungsabkommen.

Mai 2009

Gründungsgipfel der Östlichen Partnerschaft der EU mit Ukraine als Mitglied

August 2013

Russlands Präsident Wladimir Putin kündigt "Schutzmaßnahmen" im Falle der Unterzeichnung eines Abkommens zwischen EU und Ukraine an.

November 2013

Die ukrainische Regierung beschließt das "Einfrieren" des Abkommens mit der EU, daraufhin beginnen die Proteste des Euromaidan.

März 2014

Russland annektiert die Halbinsel Krim.

Dezember 2014

Erste Tagung des Assoziationsrats EU-Ukraine

Januar 2016

Ukraine wird Mitglied der vertieften und umfassenden Freihandelszone (DCFTA).

Mai 2017

Der Europäische Rat stimmt für Visafreiheit für ukrainische Staatsangehörige bei Reisen in den Schengen-Raum.

September 2017

Assoziierungsabkommen zwischen EU und Ukraine tritt in Kraft.

Februar 2022

Ukraine stellt Antrag auf EU-Mitgliedschaft.

Juni 2022

Der Europäische Rat gewährt der Ukraine den Status als EU-Beitrittskandidat.

Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 2023

nach oben
Feedback

Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.