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Wirtschaftsumfeld | Ukraine | Investitionsstandort Region Iwano-Frankiwsk

Investitionsstandort: Region Iwano-Frankiwsk

Auf den ersten Blick wirkt die Oblast Iwano-Frankiwsk unscheinbar – doch bei genauerer Betrachtung zeigt sich ein vielseitiger und wirtschaftlich stabiler Standort.

Von Maria Repko (Centre for Economic Strategy), Maksym Samoiliuk (Centre for Economic Strategy), Andrii Akymenko (Centre for Economic Strategy) | Kyjiw

Die Oblast Iwano-Frankiwsk punktet vor allem mit ihrer Entfernung zum Kriegsgeschehen, womit eine im Landesdurchschnitt relativ hohe Sicherheit und vergleichsweise wenige kriegsbedingte Einflüsse auf Unternehmensaktivitäten verbunden sind. Von Vorteil ist auch die Nähe zum EU-Ausland, auch wenn der Weg über die Grenze zwangsläufig über die Nachbarregionen führt. Wirtschaftlich liegt die Oblast eher im Mittelfeld, bietet aber durch eine diversifizierte Branchenstruktur vielen potenziellen Investoren Betätigungschancen. Dank guter Wind- und Sonnenverhältnisse bestehen diese auch im Bereich erneuerbarer Energien, auch wenn das Potenzial bisher kaum genutzt wird.

  • Auch wenn Iwano-Frankiwsk bei vielen Standortfaktoren außerhalb der Spitzengruppe liegt, punktet die Region mit der Nähe zur EU-Grenze und einem umtriebigen Industriepark.

    Die Region Iwano-Frankiwsk liegt hinsichtlich ihrer Wirtschaftskraft in der oberen Hälfte der ukrainischen Regionen (Oblaste). Sie bietet aufgrund wettbewerbsfähiger Löhne und mehrerer wachstumsstarker Branchen – von nichtmetallischen Mineralprodukten über Holzverarbeitung bis hin zu Tourismus und IT-Dienstleistungen – attraktive Einstiegsmöglichkeiten für Investoren, die sich in der Westukraine engagieren möchten. Hinzu kommt, dass die Region nur wenige kriegsbedingte Störungen verzeichnet. 

    Iwano-Frankiwsk erzielte 2024 etwa 2,4 Prozent des gesamten Bruttoinlandsprodukts (BIP) der Ukraine und zählt damit zu den "mittleren” Regionen (Platz 15 von 25). Die Region liegt leicht unterhalb der "führenden" Oblasten mit über 3 Prozent BIP-Anteil, aber deutlich vor jenen, die weniger als 2 Prozent beitragen. Damit verfügt Iwano-Frankiwsk über eine solide, mittelgroße regionale Wirtschaftsstruktur.

    Mit rund 1,1 Millionen Einwohnern ist sie die zehntgrößte von insgesamt 25 Regionen der Ukraine. Über 80 Prozent der Bevölkerung in der Oblast leben in den drei nördlichen Verwaltungseinheiten (Hromada) Iwano-Frankiwsk, Kalusch und Kolomea, während der Süden der Region deutlich dünner besiedelt ist.

    Die Wirtschaft von Iwano-Frankiwsk ist nach wie vor von geringer Wertschöpfung mit hoher Energie- und Ressourcenintensität geprägt. Dennoch beherbergt die Oblast einen voll funktionsfähigen Industriepark – eine Infrastruktur, die nur sieben andere ukrainische Oblaste vorweisen können. Zudem bietet das bestehende Netzwerk von Freizeiteinrichtungen der Region eine vielversprechende Grundlage um Gesundheits- und Wellness-, Tourismus- und Sportdienstleistungen auszubauen, insbesondere im Bereich Wintersport.

    Seit Beginn der russischen Vollinvasion befindet sich der Geschäftsklimaindex in Iwano-Frankiwsk im negativen Bereich, noch unter dem landesweiten Durchschnitt. Auch die Präsenz ausländischer Unternehmen ist gegenwärtig gering. Rund zehn Unternehmen mit Deutschlandbezug sind in Iwano-Frankiwsk tätig. Eines davon – Stern Agro – gehört gemessen am Umsatz zu den 100 größten Firmen der Region.

    SWOT-Analyse der Region Iwano-Frankiwsk

    Die Stärken und Schwächen der Region in der Übersicht

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    Stärken Strengths

    • Starkes Industriezentrum mit Metallurgie und Chemie
    • Holzverarbeitung und Holzprodukte als zukunftsorientierter Schwerpunkt
    • Attraktives Ziel für Binnenumsiedlung von IT-Fachkräften
    • Wenige kriegsbedingte Vorfälle im Vergleich zu anderen Regionen
    • Zwölf Hochschulen mit Schwerpunkten in Gesundheitswesen, Bildung, Management und IT
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    Schwächen Weaknesses

    • Viele kleine Sektoren mit geringen Anteilen am Gesamtumsatz
    • Einige Sektoren werden von einzelnen Unternehmen dominiert
    • Kaum ausländische Unternehmen, besonders deutsche Firmen fehlen
    • Nur durchschnittliche Beschäftigungsquote
    • Ausgeprägte strukturelle und infrastrukturelle Bedürfnisse
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    Chancen Opportunities

    • Ausbau nachhaltiger Holzprodukte und erneuerbarer Energien
    • Nutzung des Zuzugs von Fachkräften zur Entwicklung eines regionalen Tech-Hubs
    • Öl- und Gasreserven können als strategische Ressource dienen
    • Relativ geringe Kriegsbedrohung kann Investoren und Fachkräfte anziehen
    • Erweiterung von touristischen Sommer- und Winterangeboten
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    Risiken Threats

    • Fehlende direkte internationale Anbindung erschwert Handel und Mobilität
    • Fehlende ausländische Investitionen limitieren Modernisierung und Kapitalzufluss
    • Soziale und infrastrukturelle Defizite können langfristig Standortattraktivität mindern
    • Mittelmäßige digitale Transformation kann Wettbewerbsfähigkeit einschränken

  • Iwano-Frankiwsk weist eine diversifizierte Branchenstruktur auf. Das trifft auch auf die deutsche Unternehmenspräsenz zu, die jedoch recht klein bleibt.

    Die Region Iwano-Frankiwsk weist keine einzelne dominierende Branche auf. Großhandel und Stromversorgung, die Sektoren mit den größten Umsätzen, machen nur entsprechend 22 und 11 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Zudem werden mehrere der zehn umsatzstärksten Branchen jeweils nur von wenigen Unternehmen dominiert. So generiert beispielsweise der Kupferproduzent ZZKS-Werk 90 Prozent der Umsätze der Oblast im Bereich Metallurgie.

    Der Entwicklungsplan der Oblast für den Zeitraum 2021 bis 2027 macht das stärkste Transformationspotenzial von Iwano-Frankiwsk in folgenden Branchen aus:

    1. nichtmetallische Mineralprodukte (unter anderem Zement, Glas, Keramik, Ziegel),
    2. Holzverarbeitung und Herstellung von nicht möbelbezogenen Holzprodukten (unter anderem Parkett, Sperrholz, Holzplatten),
    3. Lebensmittelverarbeitung,
    4. Chemische Industrie,
    5. Maschinenbau und Ausrüstungen,
    6. Förderung von Öl, Gas und anderen mineralischen Rohstoffen,
    7. Stromerzeugung,
    8. Wohn- und Gastronomiedienstleistungen,
    9. IT und Beratung.

    Diese Prioritäten spiegeln die Standortfaktoren der Region wider: umfangreiche Waldflächen, mineralische Rohstoffvorkommen und ein ausgeprägtes Tourismuspotenzial, während die relative Sicherheit während Kriegszeiten zusätzliche Vorteile bietet.

    Der Tourismus gehört zu den Schlüsselbranchen der Oblast. Er wird insbesondere von den Karpaten im Süden getragen, die vielfältige Möglichkeiten für Ski-, Wander- und Ökotourismus bieten. Resorts wie Bukowel ziehen ganzjährig Gäste an. Städte wie Jaremtsche profilieren sich darüber hinaus als Ziele für Kultur- und Wellnesstourismus.

    Wirtschaftliche Kennzahlen im Durschnitt, die Stimmung nicht

    Die Inflation in der Oblast Iwano-Frankiwsk folgt dem landesweiten Trend: der Preisauftrieb lag in den letzten vier Jahren nahe am landesweiten Durchschnitt.

    Der Business Expectations Index der Nationalbank der Ukraine (NBU) lag in den letzten zwei Jahren unter dem nationalen Durchschnitt und signalisiert eine vorsichtige Unternehmensstimmung in Iwano-Frankiwsk. Neben der IT-Branche sind zwei sektorale Cluster-Initiativen in der Oblast Iwano-Frankiwsk aktiv: der Prykarpattia Öko-Energie-Cluster und der Prykarpattia Industriecluster. Letzteres verfolgt das Ziel, die Stadt Kalush als regionales Zentrum für hochmoderne, integrierte Industrielösungen zu positionieren.

    Bis Januar 2025 beherbergte Iwano-Frankiwsk Büros von 9 der 50 größten IT-Unternehmen der Ukraine, drei mehr als im Jahr 2022. Die Hauptstadt der Region zählt zu den beliebtesten inländischen Umzugszielen für IT-Spezialisten. Der Sektor wird vom IT-Cluster Iwano-Frankiwsk unterstützt. Dieser bringt mehr als 100 Unternehmen mit Regierungs- und Bildungspartnern zusammen, um das IT-Umfeld voranzutreiben. Im Jahr 2024 arbeiteten etwa 4.500 IT-Spezialisten in der Oblast. Damit verfügte die Region nach Lwiw über den zweitgrößten Pool an Talenten der Westukraine und den siebtgrößten landesweit.

    Investitionen leicht über Vorkriegsniveau

    Der Wert ausländischer Direktinvestitionen (FDI) in Iwano-Frankiwsk belief sich Ende 2024 auf 571 Millionen US-Dollar (US$), 11 Prozent über dem Vorkriegsniveau. Davon entfielen knapp 12 Millionen US$ auf deutsche Investoren. Die größten Investitionsbeträge stammten aus der Schweiz (264 Millionen US$) und Zypern (109 Millionen US$). Ein Teil davon dürfte sogenanntes Round-Tripping sein, also die Reinvestition zuvor ins Ausland exportierten Kapitals durch ukrainische Unternehmen. Im Jahr 2024 belegte Iwano-Frankiwsk landesweit Platz 20 unter 22 berücksichtigen Regionen nach FDI-Zuflüssen. Der Abfluss von Investitionen lag bei knapp 36 Millionen US$.

    Fünf der 100 umsatzstärksten Unternehmen der Region haben ausländische Anteilseigner. Die dänische Firma Goodvalley gehört zu den größten Schweinefleischproduzenten in der Ukraine. Getreide und Industriepflanzen bauen die Continental Farmers Group, eine Tochtergesellschaft des saudischen Unternehmens SALIC, sowie das deutsche Unternehmen Stern Agro, an. In der Region Iwano-Frankiwsk produziert Electrolux aus Schweden Waschmaschinen, während Tarkett aus Frankreich Linoleum herstellt.

    Die European Business Association listet sieben Mitgliedsunternehmen in der Oblast Iwano-Frankiwsk. Nur eins davon ist ausländisch geführt: Die Niederlassung der deutschen Viva Decor, die sich auf Tapeten spezialisiert hat. Das Unternehmen ist Mitglied der Deutsch-Ukrainischen Industrie- und Handelskammer (AHK Ukraine).

    Deutsche Präsenz ausbaufähig

    Zu den größeren mit Deutschland verbundenen Unternehmen in der Oblast Iwano-Frankiwsk zählen ferner PAS Ukraine, die zur Mayer-Kuvert-Network GmbH gehörende Kuvert-Ukraine, Carpathian Steel im Besitz der HAMMEL Recyclingtechnik GmbH, Inprosped, Dihlmann Organic, Regen Ukraine sowie das Regionalbüro des ukrainisch-deutschen Gemeinschaftsunternehmens Infocom.

    Die aktuellsten regionalen Daten zur Korruption in der Ukraine (2021) werfen kein gutes Licht auf Iwano-Frankiwsk. Demnach gaben 94 Prozent der Befragten an, Korruption sei recht weit verbreitet, was auf erhebliche Risiken in der Oblast hinweist. Zum Vergleich: Im Landesdurchschnitt waren 88 Prozent der Befragten dieser Meinung. Die Spanne reichte dabei von 69 Prozent in Charkiw bis hin zu 95 Prozent in Tschernihiw.

  • Iwano-Frankiwsk etabliert sich erst als Investitionsstandort und ist momentan vor allem Ziel für Umsiedlungen ukrainischer Firmen.

    Die Wiederaufbaukosten für die Oblast Iwano-Frankiwsk werden auf 2,1 Milliarden US-Dollar (US$) geschätzt – weniger als 0,5 Prozent des landesweiten Gesamtbetrags und damit der fünftniedrigste Wert unter 25 berücksichtigten Regionen. Da die Oblast im Vergleich zu den meisten anderen Regionen weniger zerstört wurde, ist der Pool an Wiederaufbauprojekten für Investoren nach dem Krieg begrenzt.

    Ambitionierte Infrastrukturpläne

    Gleichzeitig haben die regionalen Behörden Infrastrukturprojekte im Wert von insgesamt etwa 7,6 Milliarden US$ geplant. Für einen Großteil davon stehen derzeit noch keine Finanzmittel zur Verfügung. Iwano-Frankiwsk weist damit die siebtgrößte Finanzierungslücke unter 24 berücksichtigten Regionen auf – was für private und institutionelle Investoren Chancen eröffnet.

    Obwohl die Ukraine Investment Map in der Region nur drei Projekte mit einem Gesamtwert  von 82 Millionen US$ ausweist, stellen die einzelnen Gemeinden (Hromada) knapp 180 Projekte vor – von denen etwas mehr als ein Drittel Greenfield- und knapp Zweidrittel Brownfield-Vorhaben sind. Beispielhaft ist dabei die Präsentation der Projekte der Hromada Kalush. Weitere Investitions- und Beteiligungsmöglichkeiten finden sich im sogenannten Investitionspass der Region.

    In Baumaßnahmen fließen nur 1,7 Prozent des öffentlichen Beschaffungsbudgets der Oblast – deutlich unter dem nationalen Durchschnitt von 4,2 Prozent. Allerdings gehört die Oblast zu den Top-5 Regionen hinsichtlich der Anzahl der Neubauten, von denen die meisten für gewerbliche Nutzung vorgesehen sind. Nach dem Ausschreibungsvolumen belegt Iwano-Frankiwsk mit etwa 125 aktiven Projekten im Gesamtwert von etwa 20 Millionen US$ Rang 10 unter 24 berücksichtigten Regionen.

    Zufluss neuer Investoren noch begrenzt?

    Größere private Kapitalzuflüsse sind selten und liegen hinter denen in den benachbarten westlichen Oblasten zurück. Das einzige größere Leuchtturmprojekt, das seit Beginn der russischen Vollinvasion in Iwano-Frankiwsk umgesetzt wurde, ist das vom französischen Unternehmen Saint-Gobain für 11 Millionen US-Dollar errichtete Werk für Baustoffe im Trockenbau.

    Der größte Anteil der Bankkredite geht an die Industrie (41 Prozent). Auf drei weitere Sektoren entfallen jeweils etwa 15 Prozent:

    • Landwirtschaft,
    • Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallwirtschaft,
    • Handel und Kfz-Werkstätten.

    Industriepark sucht nach Ankerunternehmen

    Ähnlich wie in anderen Regionen, wurden auch in Iwano-Frankiwsk zahlreiche Industrieparks registriert, die in den meisten Fällen aber noch nicht in Betrieb sind. Eine Ausnahme bildet das Kalush Industrial Hub. Dieses beherbergt bereits fünf inländische Unternehmen, sucht allerdings noch nach einem großen Ankerunternehmen. Dem Konzept nach werden vor allem Investoren für die Bereiche Maschinenbau, Elektrotechnik, Möbel, Metallverarbeitung, Baumaterialien, Polymerrecycling und Kunststoffprodukte gesucht.  Unternehmen, die sich in den Industrieparks ansiedeln, können durch staatlich unterstützte Zuschüsse für Infrastruktur- und Stromanschlusskosten profitieren. Die dort sich ansiedelnden Unternehmen profitieren ferner von einer zehnjährigen Befreiung von der Körperschaftsteuer in Schlüsselsektoren wie Fertigung, Abfallwirtschaft sowie Forschung und Entwicklung.

    In der Oblast Iwano-Frankiwsk befinden sich laut dem staatlichen Register zwei Wissenschaftsparks, die allerdings keine nennenswerten Aktivitäten vorweisen können. Die derzeitige Forschungskapazität bleibt begrenzt, da in der Region keine spezialisierten Forschungsinstitute vorhanden sind.

    Haushaltslage hemmt Ausbau

    In Bezug auf die Anzahl öffentlich beschäftigter Personen liegt die Oblast Iwano-Frankiwsk mit einer Personalstärke von etwa 1.100 Menschen auf Rang 8 von 24 berücksichtigten Regionen. Gleichzeitig wurden dort die drittniedrigsten Durchschnittsgehälter an Verwaltungsfachkräfte gezahlt: monatlich etwa 515 Euro und damit knapp ein Viertel weniger als der Landesdurchschnitt von 675 Euro.

    Dies hängt auch mit der vergleichsweise angespannten Haushaltssituation der Oblast zusammen: Im Jahr 2024 konnten nur etwa ein Viertel der Hromadas in der Region ihre Ausgaben weitgehend aus eigenen Mitteln decken – der fünftschlechteste Wert von 24 berücksichtigten Oblasten. Mit 23 wies Iwano-Frankiwsk landesweit die höchste Anzahl von Kommunen auf, deren Fähigkeit zur ausreichenden Eigenfinanzierung als niedrig eingestuft wurde.

  • Die Binnenmigration hält die Bevölkerungszahl von Iwano-Frankiwsk stabil. Das dortige Hochschulwesen punktet mit Nischenangeboten.

    Iwano-Frankiwsk ist die neuntgrößte Oblast der Ukraine in Bezug auf die Einwohnerzahl: Über 1,1 Millionen Einwohner entsprechen 3,6 Prozent der landesweiten Bevölkerung. Zwischen 2019 und 2024 nahm die Bevölkerungszahl um etwa 14.000 Menschen oder 1,3 Prozent ab. Das ist ein Bruchteil des landesweiten Rückgangs um mehr als 6,1 Millionen oder 16,5 Prozent.

    Zuwanderung ausreichend für stabile Einwohnerzahl

    Die stabile Bevölkerungszahl spiegelt Zuflüsse aus den besetzten und umkämpften Gebieten im Osten und Süden der Ukraine wider, die die Abwanderung der einheimischen Bevölkerung ausgleicht. Gleichzeitig gehört Iwano-Frankiwsk nicht zu den wichtigsten Zielregionen für Binnenvertriebene: Etwa 110.000 oder 2,4 Prozent aller binnengeflüchteten Personen ließen sich in der Region nieder. Damit belegte die Region Rang 10 unter den 16 Regionen ohne unmittelbare Frontlinie und Rang 15 unter den 24 Oblasten, die unter ukrainischer Verwaltung stehen.

    Die Mietpreise für Immobilien blieben 2024 stabil und stiegen im Sommer 2025 nur leicht an. Vor dem Krieg lebten etwa 45 Prozent der Einwohner in städtischen Gebieten. Damit zählt Iwano-Frankiwsk zu den wenigen ländlich geprägten Regionen der Ukraine, in denen die meisten Menschen in verstreuten ein- bis zweigeschossigen Privathäusern wohnen. Ungefähr 30 Prozent der Bevölkerung der Oblast leben in Siedlungen in den Karpaten.

    Kein Lohndumping

    Ungefähr 21 Prozent der Bevölkerung der Oblast (230.000 Menschen) sind offiziell beschäftigt – landesweit liegt dieser Anteil bei 28 Prozent. Etwas mehr als ein Drittel der Beschäftigten (84.000) arbeitet in Großunternehmen. Damit rangiert die Oblast bei der Zahl offiziell registrierter Beschäftigter auf Platz 12 von 24 Regionen und stellt etwa 2,7 Prozent des nationalen Arbeitnehmerpools. 

    Die Arbeitskosten liegen nur etwa 5 Prozent unter denen der fünf großen Wirtschaftszentren und damit 13 Prozent unter dem Niveau der Hauptstadt Kyjiw – der Verwaltungseinheit der Ukraine mit den höchsten Vergütungen. Mit einem Durchschnittsgehalt von 466 Euro weist Iwano-Frankiwsk den sechsthöchsten Wert von 22 berücksichtigten Oblasten auf – der Landesdurchschnitt beträgt 444 Euro.

    Die Vollinvasion und die damit verbundene Binnenmigration wirkten sich auf den Arbeitsmarkt in Iwano-Frankiwsk ähnlich aus wie im Landesdurchschnitt. Die Zahl der unbesetzten Stellen ist stark gesunken, und auf jede vakante Stelle kamen maximal rund 15 Arbeitssuchende – leicht unter dem nationalen Höchstwert von 17. Nach dem ersten Kriegsbedingten Schock stabilisierten sich bis zum Sommer 2023 die Arbeitsmarktbedingungen – die Anzahl von Arbeitslosen je offene Stelle in Iwano-Frankiwsk pendelte sich bei etwa 1,8 im Vergleich zum Landesdurchschnitt von 1,7 ein. Im 1. Quartal 2025 lag dieser Wert im Durchschnitt bei 2,3 im Vergleich zu 2,0 landesweit. Zuletzt belegte Iwano-Frankiwsk in Bezug auf offene Stellen Platz 8 unter den 22 berücksichtigten Regionen. Da die Anzahl der Arbeitssuchenden pro offene Stelle etwa dem nationalen Durchschnitt entspricht, weist dies auf Unterschiede zwischen den Qualifikationen der Bewerber und den angebotenen Gehältern hin.

    Bildungsangebot für Mediziner und Ölförderer

    Acht höhere Bildungseinrichtungen befinden sich in der Stadt Iwano-Frankiwsk, vier weitere in Kolomea und eine in Kosiw, beide im Süden der Region. In Vollzeit studieren dort insgesamt etwa 24.500 Personen, wobei die beliebtesten Bereiche Gesundheitswesen (insbesondere Medizin), Pädagogik, Management und Verwaltung sowie IT sind. Im Jahr 2024 nahmen acht staatliche und fünf private Einrichtungen Schulabgänger mit Hochschulreife auf, darunter vor allem die Iwano-Frankiwsker Nationale Medizinische Universität, die Vasyl Stefanyk Karpaten-Nationaluniversität und die Iwano-Frankiwsk Nationale Technische Universität für Öl und Gas, die eine der wenigen Hochschulen in der Ukraine ist, die Fachkräfte für diese Branche ausbildet.

  • Im Landesvergleich verfügt Iwano-Frankiwsk über eine relativ stabile Energieversorgung. Das Potenzial für erneuerbare Energien bleibt aber weitestgehend ungenützt.

    Die Verkehrsverbindungen der Oblast Iwano-Frankiwsk sind unterentwickelt. Die M30 ist die einzige internationale Autobahn und durchquert die Region im äußersten Norden auf der Strecke zwischen Ternopil und dem Süden der Oblast Lwiw. Die Dichte von Landstraßen ist höher: 90 Meter pro Quadratkilometer bedeuten Platz 8 von 20 untersuchten Regionen.

    Die Oblast Iwano-Frankiwsk verfügt über Eisenbahnverbindungen zu anderen Regionen, eine Strecke bedient mehrere beliebte Ferienorte wie Bukowel. Der internationale Flughafen Iwano-Frankiwsk (IFO) ist derzeit wie alle ukrainischen Flughäfen geschlossen. Er war bereits vor der Vollinvasion dringend modernisierungsbedürftig und weist nunmehr weitere Schäden auf.

    Iwano-Frankiwsk ist die einzige ukrainische Grenzregion ohne offizielle Grenzübergänge. Da Wälder fast 45 Prozent des Gebiets der Oblast bedecken, sehen sich die lokalen Behörden häufig mit Schmuggelaktivitäten und illegalen Übertritten entlang der südlichen 50 Kilometer langen Grenze zu Rumänien konfrontiert.

    Im Hinblick auf Rohstoffe vor allem für Baustoffe interessant

    Im Sommer 2025 umfasste die durch die ukrainische Regierung erstellte Liste der Mineralien und Vorkommen von kritischer Bedeutung in der Nähe von Kalusch fünf Kaliumsalzvorkommen, die für die Produktion von Kalidünger bedeutsam sind. Zudem verfügt die Oblast über Öl- und Gasvorkommen. Die bis Ende des 20. Jahrhunderts aktiven Ölfelder enthalten heute nur noch wenige leicht zugängliche Reserven. Ihre weitere Nutzung würde deswegen den Einsatz neuer Technologien wie Fracking erfordern. Die Technische Universität in Iwano-Frankiwsk bildet dafür Spezialisten aus. Die Ressourcenbasis der Region wird jedoch überwiegend von Rohstoffen dominiert, die in der Baustoffproduktion Einsatz finden.

    Energiepotenzial wird nicht ausgenutzt

    Die Energiesicherheit für lokale Unternehmen übertrifft den Landesdurchschnitt: Während landesweiter Ausfälle berichteten etwa 40 Prozent der Unternehmen in Iwano-Frankiwsk von Stromversorgungsstörungen gegenüber 51 Prozent in der Ukraine insgesamt, was auf eine stärkere operative Widerstandsfähigkeit hinweist.

    Dafür verlief die Entwicklung erneuerbarer Energien in der Oblast Iwano-Frankiwsk bislang verhalten. Im Bereich Photovoltaik macht die Region mit 291 Megawatt etwa 5 Prozent der installierten Kapazität der Ukraine aus und belegt damit landesweit den neunten Platz von 24 erfassten Regionen. Andere erneuerbare Quellen wie Wasserkraft, Wind und Biokraftstoffe sind unterentwickelt und leisten nur minimale Beiträge. Dabei besteht Potenzial für die Windenergie, da das bergige Gelände in der Oblast die notwendigen geografischen Bedingungen bietet. In Bezug auf Sonneneinstrahlung profitiert der Süden der Region am stärksten davon und produziert jährlich etwa 1.170 Kilowattstunden Solarenergie pro Kilowattpeak installierter Leistung. In den nördlichen Bezirken beträgt dieser Wert etwa 1.120, in den Bergregionen etwa 1.100 Kilowattstunden. Das ist jeweils etwas weniger als in den umliegenden Oblasten.

    Digitale Infrastruktur und Verwaltung hinken hinterher

    Die digitale Konnektivität ist ungleichmäßig: Etwa 66 Prozent der Haushalte verfügen über einen Festnetzanschluss, damit liegt die Region auf Platz 5 von 24 erfassten Regionen. Bei öffentlich zugänglichem WLAN erreicht die Oblast hingegen nur Platz 17. Auf je 100 Einwohner kamen zudem 116 SIM-Karten für den Mobilfunk, was Platz 18 entsprach. In anderen Aspekten der digitalen Transformation – Verwaltung und öffentliche Dienstleistungsqualität, digitale Bildung, Cybersicherheit und papierloser Dokumentenfluss – liegt Iwano-Frankiwsk hinter den übrigen Oblasten und deutlich unterhalb des landesweiten Medians.

    Hinsichtlich der Bankinfrastruktur belegt die Oblast Iwano-Frankiwsk Platz 8 von 24 erfassten Regionen. Insgesamt 166 Filialen entsprechen einem Anteil von 3 Prozent des nationalen Netzwerks. Für je 100.000 erwachsene Einwohner standen 19 Bankfilialen zur Verfügung. Seit Januar 2022 nahm die Zahl der Niederlassungen lediglich um 6 Prozent ab, was landesweit den geringsten Rückgang darstellt.

    Die wirtschaftlichen Herausforderungen der Region werden durch die kürzlich aktualisierte Entwicklungsstrategie der Oblast Iwano-Frankiwsk angegangen, die nun auch kriegsbedingte Prioritäten berücksichtigt.

  • Dank ihrer westlichen Lage sind Angriffe auf die Oblast Iwano-Frankiwsk relativ selten. Entsprechend wird auch das dortige Geschäftsleben vergleichsweise wenig beeinträchtigt.

    Der staatliche Risikoindex für Präsenzunterricht, der die Sicherheit bewertet, stuft den Großteil der Oblast Iwano-Frankiwsk auf dem niedrigsten, "zufriedenstellenden" Risikoniveau ein. Nur wenige Hromadas befinden sich auf der zweitniedrigsten, "moderaten" Stufe. Demnach gilt Iwano-Frankiwsk laut des Indexes als sicherer als die Nachbarregionen.

    Die Anzahl kriegsbedingter Vorfälle gehört zu den niedrigsten landesweit: Seit 2022 hat Iwano-Frankiwsk 44 Ereignisse (3,2 pro 1.000 Quadratkilometer) verzeichnet, der siebtniedrigste Wert von 24 berücksichtigten Oblasten. Im 1. Halbjahr 2025 wurden fünf Luft- oder Drohnenangriffe registriert, die sich auf die Wohn- und Energieinfrastruktur richteten. Das sind weniger als 0,1 Prozent der Gesamtzahl der Angriffe auf die Ukraine in diesem Zeitraum.

    Kriegsbedingte Unterbrechungen vergleichsweise selten

    Bis Mai 2025 gab es in der Oblast Iwano-Frankiwsk 760 Stunden lang Luftalarm. Dies entspricht weniger als 3 Prozent des gesamten Zeitraums seit Beginn der russischen Vollinvasion. Da Luftwarnungen den Geschäftsbetrieb unterbrechen können, führen die vergleichsweise wenigen Stunden mit Alarm zu geringeren Produktionsausfällen für Unternehmen.

    Iwano-Frankiwsk erfüllt die gängigen Regeln für verschiedene Instrumente zur Abdeckung von Kriegsrisiken: Alle Vermögenswerte liegen mehr als 100 Kilometer von der Front entfernt, und Versicherer können sie nach einer Einzelfallprüfung grundsätzlich in Deckung nehmen.  Dennoch ist das Angebot an Kriegsversicherungen – wie auch im übrigen Teil der Ukraine – insgesamt begrenzt.

    Mehr Investitionen in die Infrastruktur notwendig

    Weitere Herausforderungen der Region liegen in der Infrastruktur, vor allem der Verkehrs- und Bildungsinfrastruktur in ländlichen Gebieten. Hinzu kommt ein alternder Wohnungsbestand sowie ein eingeschränkter Zugang zu medizinischen und Rehabilitationsdiensten. Außerdem bestehen Umweltrisiken: Die Abfallwirtschaft ist überlastet, das Grundwasser teilweise kontaminiert, und viele Abwasserbehandlungsanlagen sind abgenutzt.

    Für die Ukraine gilt aufgrund der bestehenden Sicherheitslage eine Reisewarnung. Sie gilt grundsätzlich für alle Reisenden unabhängig vom Reisezweck. Institutionen und Personen, die aus übergeordneten Gründen in die Ukraine reisen oder für einen längeren Zeitraum dort tätig sein wollen, müssen die Notwendigkeit und das individuelle Risiko jeder Reise sehr genau abwägen und in eigener Verantwortung entscheiden. Teil dieser Abwägung müssen das Bewusstsein einer möglichen individuellen Gefährdung sowie ein sorgfältig und professionell ausgearbeitetes Sicherheitskonzept sein. Konsularische Betreuung ist nur sehr eingeschränkt möglich. Alle, die sich trotz Reisewarnung für einen Aufenthalt vor Ort entscheiden, müssen - ggf. mit Hilfe von Sicherheitsdienstleistern - für ihre eigene Sicherheit und ihr eigenes Evakuierungskonzept Sorge tragen. Wir empfehlen in diesem Fall außerdem, sich in die Krisenvorsorgeliste des Auswärtigen Amts einzutragen. Auf die aktuellen Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amts einschließlich des Haftungsausschlusses wird verwiesen. Zu beachten ist ferner, dass bei Reisen in die Ukraine auch eine akute nachrichtendienstliche Bedrohung für schützenswerte Inhalte dienstlicher und privater Natur besteht.

    Sollte eine Reise unabdingbar sein, müssen sich Reisende selbst über die derzeitige Lage informieren, worüber zahlreiche privatwirtschaftliche Plattformen aktuelle Informationen anbieten:

    1. War Risks in Ukraine Data Platform
    2. Armed Conflict Location & Event Data
    3. DeepStateMAP
    4. Institute for the Study of War
    5. LiveUAMap

    Weitere Hinweise zur Durchführung von Reisen in die Ukraine finden Sie ferner:

    1. in der Publikation Navigating Ukraine des Business Advisory Council
    2. im Leitfaden für Geschäftsreisende der Deutsch-Ukrainischen Industrie- und Handelskammer (AHK Ukraine)
    3. in der Webinar-Aufzeichnung der Plattform Wiederaufbau Ukraine 

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