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Wirtschaftsumfeld | Ungarn | Konjunktur

Konjunktur trübt sich ein

Die ungarische Wirtschaft schlägt sich 2022 besser als erwartet. Ab Jahresmitte rechnet die Nationalbank jedoch mit einer Konjunkturabschwächung.

Von Waldemar Lichter | Budapest

Im 1. Quartal 2022 nahm das Bruttoinlandsprodukt (BIP) real um 8,2 Prozent zu, deutlich stärker als zuvor prognostiziert. Auch im 2. Quartal setzte sich die gute wirtschaftliche Entwicklung nach Einschätzung der ungarischen Nationalbank fort. Sie hat deshalb ihre Wachstumsprognose für das Gesamtjahr 2022 von 2,5 bis 4,5 Prozent auf einen Korridor zwischen 4,5 und 5,5 Prozent deutlich angehoben.

Unsicherheiten trüben die Aussichten

Die gute Konjunkturentwicklung seit Anfang 2022 ist zum größten Teil auf den privaten Konsum zurückzuführen. Nach Schätzungen der Nationalbank wird der Verbrauch privater Haushalte 2022 um bis zu 8,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr zulegen – statt nur 3,9 bis 5,7 Prozent, wie noch im Frühjahr angenommen. Zu verdanken ist das Maßnahmen der Regierung im Vorfeld der Parlamentswahlen. Diese sollten die verfügbaren Einkommen stärken. So wurden beispielsweise der Mindestlohn angehoben und die Haushalte von der Einkommensteuer entlastet. Zudem stiegen die Löhne weiter.

Doch die Risiken für die weitere konjunkturelle Entwicklung nehmen zu. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine und die damit verbundenen Unsicherheiten verschlechtern die wirtschaftlichen Aussichten in der Europäischen Union (EU) und damit auch in Ungarn. Die Sondereffekte, die den Konsum 2022 gestärkt hatten, werden in den folgenden Jahren entfallen. Die Notwendigkeit, die Staatsfinanzen zu konsolidieren und die Schulden wieder zu reduzieren, werden sowohl den Verbrauch als auch die Bruttoanlageinvestitionen dämpfen und das Wirtschaftswachstum bremsen.

Budgetkonsolidierung dämpft öffentliche Investitionen

Die Budgetausgaben müssen an die verschärften Defizitziele angepasst werden. Am stärksten davon betroffen sind die öffentlichen Investitionen. Diese werden Prognosen der Nationalbank zufolge 2022 leicht, 2023 aber stärker zurückgehen. Die Investitionen der Unternehmen bleiben dagegen vorerst dynamisch, werden sich jedoch ab 2023 ebenfalls abschwächen. Steigende Betriebskosten infolge höherer Energie- und Rohstoffpreise sowie verteuerte Finanzierungskosten dürften für die Verschiebung mancher Investitionsvorhaben sorgen, fürchtet die Nationalbank.

Eine relativ stabile Entwicklung wird im Bausektor bei den Wohnungsbauinvestitionen erwartet. Dafür sorgen staatliche Maßnahmen zur Wohnbauförderung, aber auch die anhaltende Expansion der Wohnbaukredite. Die Bauwirtschaft bleibt jedoch weiterhin von knappen Kapazitäten betroffen. Fehlende Arbeitskräfte, Versorgungsprobleme auf dem Baustoffmarkt und steigende Kosten machen dem Sektor schwer zu schaffen.

Unklare Aussichten für die Exportwirtschaft

Einen wichtigen Beitrag zum Wachstum wird die Exportwirtschaft leisten. Dieser hängt allerdings im starken Maße davon ab, wie sich die Konjunktur in den wichtigsten Partnerländern in der EU und damit ihre Nachfrage nach Importen aus Ungarn entwickelt. Der Ukrainekrieg hat die weiteren Aussichten eher verdüstert.

Hinzu kommt, dass wichtige Exportbranchen wie vor allem die Automobil- oder auch die Elektronikindustrie nach wie vor unter der globalen Halbleiterknappheit leiden. Die Perspektiven der Ausfuhrwirtschaft für die nähere Zukunft sind aber sehr gut, weil Ungarn in jüngster Zeit erhebliche Exportkapazitäten aufgebaut hat, etwa in der Automobil- und Zulieferindustrie (Beispiel: Batterieproduktion).

Inflation wird zur Belastung

Der starke Preisanstieg belastet die Wirtschaft immer stärker. Die Erzeugerpreise lagen nach Angaben des Statistikamtes KSH im Mai 2022 durchschnittlich um 43,3 Prozent über dem Vorjahresmonat. Der Anstieg der Erzeugerpreise im verarbeitenden Gewerbe belief sich dabei auf 34,4 Prozent, im Energiesektor sogar auf rund 66,8 Prozent. Gleichzeitig setzt sich die Abwertung der Landeswährung Forint fort. Für einen Euro mussten am 6. Juli 2022 bereits fast 410 Forint gezahlt werden, rund 18 Prozent mehr als ein Jahr zuvor.

Wirtschaftsprognose der Ungarischen Nationalbank (MNB)

2021 (Ist) 1)

2022 1), 2)

2023 1), 2)

2024 1), 2)

Bruttoinlandsprodukt

7,1

4,5 bis 5,5

2,0 bis 3,0

3,0 bis 4,0

Privater Verbrauch

4,6

8,4 bis 8,7

0,8 bis 1,4

2,4 bis 3,4

Bruttoanlageinvestitionen

5,9

3,7 bis 4,8

-0,9 bis 1,8

2,0 bis 5,0

Ausfuhren

10,3

4,8 bis 5,7

5,0 bis 6,9

4,4 bis 6,2

Einfuhren

8,7

6,0 bis 6,9

2,7 bis 4,8

3,1 bis 5,2

Durchschnittliche Bruttoverdienste im privaten Sektor

7,8

13,2 bis 13,8

8,8 bis 9,9

7,3 bis 8,4

1) reale Veränderungen gegenüber dem Vorjahr in Prozent; 2) 2022 bis 2024: PrognosenQuelle: Inflationsbericht der Ungarischen Nationalbank (MNB), Juni 2022

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