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Branche kompakt | USA | Chemische Industrie

Nachhaltigkeit in der Chemieindustrie

Üppige Subventionspakete und vorhandene Quellen für erneuerbare Energien setzen in den USA einiges in Gang. Für nachhaltige Chemie türmt sich eine Investitionswelle auf.

Von Heiko Stumpf | San Francisco

Die Chemieindustrie in den USA unternimmt große Anstrengungen zur Dekarbonisierung ihrer Produktionsprozesse. Eine wichtige Antriebsfeder ist der Inflation Reduction Act (IRA). Über eine Vielzahl an Instrumenten stellt das Fiskalpaket hohe Fördersummen bereit. Ein Beispiel ist das mit rund 6 Milliarden US-Dollar (US$) dotierte Industrial Demonstrations Program (IDP), welches Zuschüsse für Dekarbonisierungsvorhaben gewährt. Auch großzügige Steuergutschriften wirken wie ein Hebel.

Wachstumssprünge bei erneuerbarem Diesel

Im Bereich der erneuerbaren Kraftstoffe beispielsweise herrscht fast schon Goldgräberstimmung: Dabei steigt die Produktion von erneuerbarem Diesel laut Prognosen der Energy Information Administration (EIA) in den Jahren 2024 und 2025 um jeweils 30 Prozent. 

Produktion von erneuerbaren Kraftstoffen in den USA (Barrel pro Tag)
 

2021

2022

2023

2024

2025

Erneuerbarer Diesel56.00098.000169.000226.000290.000
Biodiesel111.000106.000110.00099.00087.000
Bioethanol979.0001.002.0001.018.0001.013.0001.024.000
Sonstige 5.00013.00019.00030.00055.000
Quelle: Energy Information Administration 2024

Erneuerbarer Diesel ist in der chemischen Zusammensetzung mit fossilen Kraftstoffen vergleichbar und kann in einer Konzentration von 100 Prozent getankt werden. Dadurch ist die Verwendung anders als bei konventionellem Biodiesel nicht auf eine reine Beimischung beschränkt.

Ab 2025 wird die Herstellung von erneuerbaren Kraftstoffen über Clean Fuel Production Tax Credit (Section 45Z) subventioniert. Die Förderung ist technologieneutral ausgestaltet und ersetzt eine Reihe von speziellen Regelungen, die nur für bestimmte Biokraftstoffe gelten. Der Hersteller erhält 1 US$ pro Gallone, multipliziert mit dem Emissionsfaktor. "Bei negativen Emissionen steigt der Faktor auf über 100 Prozent und zwar ohne Deckelung", sagt Dr. Siegmar Pohl, Rechtsanwalt bei Kilpatrick Townsend in San Francisco.

Der Verbrauch von erneuerbarem Diesel konzentriert sich stark auf die Westküste. In Kalifornien liegt der Marktanteil bereits bei fast 50 Prozent. Der Betreiber Phillips 66 rüstet beispielsweise die Rodeo-Raffinerie in San Francisco auf erneuerbare Kraftstoffe um. Vom Jahr 2024 an sollen täglich 50.000 Barrel produziert werden.

"Die Herstellung von erneuerbaren Flugkraftstoffen wird sogar mit bis zu 1,75 US$ pro Gallone gefördert multipliziert mit einem nicht gedeckelten Emissionsfaktor", so Anwalt Pohl. Dies befeuert die Investitionen: So will Strategic Biofuels im Jahr 2025 mit dem Bau einer Anlage starten, die später 32 Millionen Gallonen pro Jahr liefert.

Unternehmen wollen emissionsarme Düngemittel produzieren

Auch bei der Herstellung von Düngemitteln setzen Unternehmen auf Dekarbonisierung. Ein wichtiger Ansatzpunkt ist der Grundstoff Ammoniak. Bei der Herstellung wird bislang vor allem aus Erdgas gewonnener Wasserstoff verwendet und mit Stickstoff vermischt.

Zahlreiche Unternehmen arbeiten daran, die bei der Wasserstoffproduktion aus Erdgas anfallenden CO2-Emissionen unschädlich zu machen. Auch hier entpuppt sich die Förderung durch den IRA als zentraler Auslöser. Für jede Tonne CO2, welche durch die CCS-Technologie (Carbon Capture and Storage) eingespart wird, gewährt die US-Regierung einen Steuerbonus von bis zu 85 US$ (Section 45Q Tax Credit).

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Der Düngemittelhersteller CF Industries will beispielsweise die Werke in Louisiana und Mississippi mit CCS ausrüsten. Zusammen mit der japanischen Mitsui ist in Louisiana der Bau des Blue Point Complex geplant, welcher ab 2027 rund 1 Million Tonnen des dadurch gewonnenen blauen Ammoniaks produzieren soll. BASF und Yara arbeiten an Machbarkeitsstudien für ein entsprechendes gemeinsames Ammoniak-Projekt an der US-Golfküste.

Andere versuchen, die Entstehung von schädlichem CO2 gleich ganz zu verhindern. Das soll gelingen, indem Wasserstoff mittels Elektrolysetechnologie und erneuerbarer Energie produziert wird. Darauf basierend, investiert Atlas Argo rund 1 Milliarde US$ in die Herstellung von "grünem" Ammoniak in Richland, Washington. RWE aus Essen ist zusammen mit Mitsubishi und Lotte an einem vergleichbaren Projekt in Corpus Christi, Texas, beteiligt.

Regierung fördert Wasserstoff-Hubs

Der IRA schüttet auch für die Produktion von emissionsarmem Wasserstoff reichlich Geld aus. Für jedes Kilogramm gibt es eine Steuergutschrift von bis zu 3 US$ (Section 45V Tax Credit). Die Höchstsumme gibt es, wenn pro Kilogramm Wasserstoff weniger als 0,45 kg an CO2-Emissionen anfallen. Auf diese Weise wird auch blauer Wasserstoff bezuschusst. Allerdings können die Tax-Credits für Wasserstoff nicht gleichzeitig mit einer Förderung für CCS in Anspruch genommen werden.

Infolge des Bipartisan Infrastructure Law fließen zudem rund 7 Milliarden US$ in den Aufbau von sieben großen Wasserstoff-Hubs. Jeder erhält eine eigene thematische Ausrichtung: So will sich der Heartland Hydrogen Hub (Minnesota, North Dakota, South Dakota) beispielsweise auf emissionsarme Düngemittel spezialisieren.

Chemisches Recycling ist im Kommen

Ein großes Problem der USA sind die geringen Recyclingquoten für Plastikabfälle. Selbst bei leicht wiederverwertbaren Materialien wie PET-Verpackungen werden nur rund 28 Prozent recycelt. Die Regierung in Washington hält sich mit Vorgaben zurück und überlässt das Feld den Bundesstaaten. Neben Kalifornien haben aber erst sechs weitere Staaten Vorschriften erlassen, die Hersteller bei bestimmten Plastikverpackungen stärker in die Pflicht nehmen.

Um der Plastikflut zu begegnen, setzen zahlreiche Unternehmen auf chemisches Recycling. Durch Verfahren wie Pyrolyse können Abfälle zu synthetischem Öl verarbeitet werden. Dieses dient dann als Ausgangsstoff für neue Kunststoffprodukte. So ging im Februar 2024 die ChemCycling-Anlage der BASF in Port Arthur, Texas, in Betrieb.

Erste Großanlagen als Wegbereiter für Bioplastik

Andere Unternehmen wollen Kunststoffabfälle durch innovative Lösungen gleich komplett vermeiden. In Nebraska errichtet der Hersteller Citroniq bis 2027 eine Anlage für biologisches Polypropylen (PP) mit einer Kapazität von 400.000 Tonnen pro Jahr. Grundlage ist aus Mais gewonnenes Ethanol. Weitere Vorhaben sollen folgen. Origin Materials will in Louisiana ab 2025 PET aus Holzabfällen produzieren.

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