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Branche kompakt | Brasilien | Chemische Industrie

Nachhaltigkeit in der Chemieindustrie

Brasiliens Chemieindustrie bietet viel Potenzial zur Dekarbonisierung. Dies gilt nicht zuletzt für die Düngemittelproduktion. Biokraftstoffe sparen schon heute viel CO2 ein.

Von Gloria Rose | São Paulo

Brasilien bietet hervorragende natürliche Bedingungen für die Dekarbonisierung von Wirtschaft und Industrie. Dazu zählen:

  • ein vorbildlich grüner Strommix;
  • exzellente Möglichkeiten für den Ausbau der erneuerbaren Energien;
  • ein immenses Potenzial für Bioenergie.

Laut einer Studie des Chemieverbands Abiquim sind die Emissionen bei der Produktion von Chemikalien heute 5 bis 35 Prozent niedriger in Brasilien als in Europa. Im Vergleich zu US-amerikanischen oder chinesischen Produkten sind sie teilweise nur halb so hoch.

Dank der verfügbaren grünen Energie hat das Land bei der Elektrifizierung chemischer Prozesse Vorteile im internationalen Wettbewerb. Die vier größten Petrochemiehersteller Braskem, Dow, Unipar und Unigel verstärken bereits ihre Investitionen in erneuerbare Energien.

Um zusätzliche Anreize zu setzen, verabschiedete die brasilianische Regierung Anfang 2024 das Programm Nova Indústria Brasil mit einem Fördervolumen von rund 60 Milliarden US-Dollar (US$) bis 2026. Ziel ist es, den jahrelangen Trend der Deindustrialisierung umzukehren und neue Industriebetriebe anzulocken, allen voran aus energieintensiven Zweigen. Anders als die USA und die EU, die gewichtige Förderinstrumenten wie den Inflation Reduction Act und den Green Deal teilweise zurücknehmen, hält Brasilien den Kurs bei und spielt seine Wettbewerbsvorteile in der Dekarbonisierung aus.

Bei Wasserstoff wird auf grünen Strom und Bioenergie gesetzt

Wasserstoff spielt eine wichtige Rolle bei den industriepolitischen Plänen der Regierung. Im Jahr 2023 lief der Dreijahresplan des Programa Nacional do Hidrogênio (PNH2) an. Anfang August 2024 unterzeichnete Präsident Lula da Silva den lang erwarteten Rechtsrahmen für kohlenstoffarmen Wasserstoff. Das PNH2-Komitee legt den Schwerpunkt anstelle von "grünem Wasserstoff" auf "kohlenstoffarmen Wasserstoff", der die Verwertung von Biomasse einschließt, die im Land reichlich vorhandenen ist.

Die Aussicht auf Absatzchancen am europäischen Markt stimuliert bereits erste Wasserstoffprojekte an Petrochemie- und Hafenkomplexen, die somit auch prädestiniert sind für grüne Chemieprojekte. Das Gros der Investoren konzentriert sich dabei auf Standorte mit Freihandelszonen (Zona de Processamento de Exportação; ZPE). Hierzu zählen:

  • Pecém (Bundesstaat Ceará);
  • Parnaíba (Piauí);
  • Suape (Pernambuco);
  • Porto do Açu (Rio de Janeiro).

Der Hafenkomplex Camaçari in Bahia verfügt über keine ZPE und fokussiert eher auf die lokale Verwertung ebenso wie der Petrochemiekomplex Cubatão in São Paulo.

Petrochemie in São Paulo nutzt Biomethan 

Die Unternehmensberatung Roland Berger beziffert das Potenzial Brasiliens zur Erzeugung von Biomethan im Jahr 2050 auf 59 Milliarden Kubikmeter. Davon entfallen allein 30 Prozent auf den Bundesstaat São Paulo, der als Wirtschaftszentrum des Landes auch bedeutendster Produzent von Zuckerrohr und Bioethanol ist. São Paulo will sein Potenzial unter anderem nutzen, um Cubatão wiederzubeleben und gleichzeitig zu dekarbonisieren. Der norwegische Düngemittelkonzern Yara ersetzt hier bereits 5 Prozent des herkömmlichen Erdgases durch Biomethan. Die Versorgung sicherte sich Yara über langfristige Lieferverträge mit dem Bioethanolkonzern Raízen. Im Dezember 2024 kündigte Yara an, bis 2030 die komplette Produktion auf Biomethan umzustellen.

Chlor-Alkali-Branche folgt Roadmap bis 2035

Maßnahmen zur Dekarbonisierung und der steigende Bedarf der Wasserwirtschaft treiben die Chlor-Alkali-Hersteller zu Investitionen. Der Branchenverband Abiclor veröffentlichte im August 2023 eine Roadmap bis 2035 mit konkreten Schritten. Zwischen 2022 und 2025 wird die Branche voraussichtlich 1 Milliarde US$ investieren. Rund 15 Prozent der Produktion sollen in dem Zeitraum auf saubere Technologien umgestellt werden.

Düngerproduzenten investieren in Elektrolyse

Die Düngemittelproduktion ist ein wichtiger Bereich für die Dekarbonisierung. Schließlich hat das kapitalstarke Agrobusiness ein zunehmendes Interesse daran, seinen Fußabdruck bei Kohlendioxid (CO2) zu mindern. Das schweizerische Unternehmen Atlas Agro investiert 1,15 Milliarden US$ in eine Elektrolyseanlage im Staat Minas Gerais. Das Projekt Uberaba Green Fertilizer ist eines der elf Projekte, die das Finanzministerium bisher auf der Plataforma Brasil de Investimentos Climáticos e para a Transformação Ecológica – BIP für große Klimainvestitionen erfasst hat.

Die Petrochemiegruppe Unigel plante am Standort Camaçari eine erste Elektrolyseanlage für grünen Ammoniak. Doch der Konzern geriet in Zahlungsschwierigkeiten. Seit Juni 2023 steht der Betrieb der Stickstoffdüngeranlagen in Laranjeiras (Bundesstaat Sergipe) und in Camaçari (Bahia) still. Unigel und der Ölkonzern Petrobras verhandeln über den Pachtvertrag, der bis 2029 läuft. Wahrscheinlich ist, dass Petrobras vorzeitig dort übernehmen wird.

Wachstumskurs für Biokraftstoffe ist vorgezeichnet

Brasilien will seine Vorreiterrolle bei Biokraftstoffen für die Energiewende nutzen. Auch im Programm "Mover", dem neuen Förderprogramm für die Automobilindustrie, sind Biokraftstoffe berücksichtigt. Anfang Oktober 2024 verabschiedete Lula das Gesetz zur Förderung nachhaltiger Kraftstoffe. Es setzt Investitionsanreize für Biokraftstoffe, darunter für nachhaltige Flugkraftstoffe SAF (Sustainable Aviation Fuel) und für grünen Diesel HVO (Hydrotreated Vegetable Oil). Dadurch sollen laut Ministerium für Bergbau und Energie Projekte im Umfang von rund 50 Milliarden US$ angestoßen werden, um bis 2037 Emissionen von 705 Millionen Tonnen CO2 einzusparen.

Gesetz zur Förderung nachhaltiger Kraftstoffe (Lei Nr. 14.993/2024)

  1. Der Biodiesel-Anteil soll von derzeit 14 auf 20 Prozent im Jahr 2030 steigen.
  2. Der Mindestgehalt von Bioethanol im Benzin wird von 18 auf 22 Prozent angehoben. Bis zu 35 Prozent Beimischung sind laut dem neuen Gesetz möglich. 
  3. Das Gesetz führt erste Rechtsgrundlagen für grünen Diesel (HVO) ein. Anreize setzt das Förderprogramm "Programa Nacional do Diesel Verde" (PNDV).
  4. Das "Programa Nacional de Combustível Sustentável de Aviação" (Probioqav) soll einen Markt für nachhaltige Flugkraftstoffe (SAF) entwickeln: Ab 2027 müssen die Fluggesellschaften ihre Emissionen um 1 Prozent pro Jahr senken. Die jährlichen Einsparungen sollen auf 10 Prozent im Jahr 2037 ansteigen.
  5. Ab 2026 müssen Gasversorger einen Mindestanteil von anfangs 1 Prozent Biomethan beimischen. Dieser Mindestanteil kann auf bis zu 10 Prozent steigen.

Über den Handel mit CO2-Zertifikaten im Rahmen von CBIO erwirtschaften die Produzenten von Biokraftstoffen seit 2020 zusätzliche Erlöse. Das gilt nicht nur für die traditionelle Zucker-Ethanol-Industrie, sondern auch für neue Anlagen, die Mais nutzen. Letztere produzierten 2024 knapp 21 Prozent des Bioethanols in Brasilien. Bis 2030 soll die jährliche Produktion von Ethanol-Kraftstoff aus Mais auf 10 Milliarden Liter steigen.

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