Ein Blick zurück zeigt: Die Probleme in der Halbleiterlieferkette fingen nicht erst in der Pandemie an.
Ganz viel davon hat mit dem Technologiestreit zwischen den USA und China zu tun. Alle Maßnahmen Washingtons zielten von Anbeginn direkt auf Pekings Ambitionen ab, in fortschrittlichen Fertigungstechnologien wie bei Halbleitern führend zu werden: Zunächst wurden die Investitionskontrollen verschärft, woraufhin kaum noch chinesisches Kapital ins Silicon Valley floss – vor allem, wenn es um Unternehmen ging, die Tätigkeiten in Verbindung mit kritischen Technologien ausübten. Mit der Aufnahme Huaweis auf eine "Entity List" im Mai 2019 wollten die USA dem chinesischen Netzwerkausrüster den Zugang zu Chips aus US-Produktion dann komplett kappen: US-Geschäftsbeziehungen von Unternehmen, die auf dieser schwarzen Liste landen, unterliegen strengen Kontrollen. Die Lieferung von Komponenten kann dadurch erheblich verzögert oder sogar gestoppt werden.
Das Handelsbilanzdefizit der USA war ein Grund für die auf immer mehr Waren erhobenen US-Sonderzölle. Aber natürlich ging es dabei auch um China, unter anderem um den Streit um dort erzwungene Technologietransfers. Bereits die erste Welle der Sonderzölle zielte auf Rohstoffe für Chips, wie Silizium, sowie auf Reaktorröhren und -halterungen ab, die für die Waferproduktion bestimmt sind.
Waferknappheit als Folge des Technologiestreits zwischen den USA und China
Das führte bei einigen Wafergrößen zu einer Knappheit, die bis heute anhält. Als die USA dann 2020 auch Chinas größten Chipproduzenten SMIC auf die Entity List setzten, begannen chinesische Investoren damit, den Weltmarkt leer zu kaufen. Und das kann einer Industrie, die bisher auf Just-in-Time-Produktion gesetzt hat, erheblichen Schaden zufügen, wie sich in der Automobilproduktion zeigte: General Motors und Ford mussten wegen fehlender Bauteile die Produktion in dem Jahr bereits in einigen US-Werken mehrfach unterbrechen.
US-Präsident Biden ist zwar offenbar dazu bereit, die Europäer stärker in die Chinapolitik einzubinden als sein Vorgänger Donald Trump. Was den Zugang Chinas zu US-Technologie betrifft, hat sich an der Position Washingtons aber wenig geändert: Auch Biden sieht Großteile der Politik Pekings als Bedrohung an. Und auch er denkt, dass weder die Europäer noch die Welthandelsorganisation richtig mit diesen Problemen umgehen. Bereits auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar 2021 sagte Biden deutlich, dass es einen langen strukturellen Konflikt mit China geben werde.
Ebenfalls im Februar hat der US-Präsident eine hunderttägige Überprüfung angeordnet, um Lieferkettenengpässe in Schlüsselindustrien aufzudecken, darunter in der Fertigung von Halbleitern und Batterien für Elektroautos. Die Überprüfung bezog sich zwar nicht explizit auf China, ist aber Teil einer breiteren Strategie der Biden-Regierung, um die eigene Wettbewerbsfähigkeit angesichts der zunehmenden Konkurrenz durch China zu stärken.
Decoupling könnte für deutsche Unternehmen sehr teuer werden
Für betroffene Branchen könnten infolgedessen bald strengere regulatorische Maßnahmen gelten. Die jüngst geplanten Verschärfungen der "Buy-American"-Anforderungen würden die Halbleiterindustrie bereits treffen, da es dabei immer mehr um als kritisch eingestufte Waren geht. So sollen Hersteller in den USA zum Beispiel nichtheimische Anteile ihrer Endprodukte noch stärker offenlegen als bisher. Außerdem wurde die Entity List verlängert und ausgeweitet. Im Juni kündigte die US-Regierung dann eine neue "Supply Chain Trade Strike Force" unter Leitung der US-Handelsbeauftragten an, die nach Verstößen suchen soll, die zu einer Aushöhlung der Lieferketten beigetragen haben und die mit Handelsmaßnahmen gekontert werden könnten.
Mit Blick auf die Ereignisse des Jahres 2019 im Zusammenhang mit Huawei lässt sich zumindest nicht ausschließen, dass die USA eines Tages einmal den Import von Waren erschweren könnten, die aus ihrer Sicht zu viele chinesische Komponenten enthalten. Das dürfte dann vor allem Unternehmen betreffen, die Überschneidungen mit Schlüsselbranchen haben: zum Beispiel Pharmaproduzenten, die Grundstoffe aus China importieren und die ihre Erzeugnisse auch in die USA verkaufen, oder etwa bei Elektroautos: Selbst Panasonic, LG und SK Innovation – also genau die wenigen Firmen, die in den USA industrielle Anlagen für die Produktion von Lithium-Ionen-Batterien haben – fertigen Batterieteile in China und müssen diese bisher importieren. Deshalb investieren US-Autobauer hohe Summen in die Forschung und Entwicklung (FuE) eigener Lithium-Ionen- und Feststoff-Akkus, die einmal höhere Reichweiten haben und längerfristig die Batteriekosten senken sollen.
Auf FuE liegt auch bei Halbleitern viel Hoffnung – also dass es in Zukunft eben noch effektivere Halbleiter geben könnte, Made in USA, womöglich aus anderen Materialien als Silizium. Die Wiederbelebung der heimischen Halbleiterproduktion ist zwar ein langfristiges Unterfangen. Dennoch könnten Exporteure sich eines Tages damit konfrontiert sehen, entweder nur noch unter erschwerten Bedingungen in die USA liefern zu können oder sich nach neuen und möglicherweise teureren Lieferanten umsehen zu müssen.
Mittelfristig setzen die USA auf ein Bündnis mit anderen Halbleiternationen
Mittelfristig setzt die Biden-Regierung auch auf eine Strategie der Technologieallianz, um eine widerstandsfähige Halbleiterlieferkette aufzubauen. Dabei dürfte sich Bidens Bündnisstrategie stark auf Japan, Taiwan und Südkorea stützen, da diese Länder eine strategische Position in der globalen Lieferkette einnehmen. Kein leichtes Unterfangen: Denn zum einen wollen die USA ihre Abhängigkeit von Taiwan bei High-End-Chips reduzieren, zum anderen müssen sie den Inselstaat in das Bündnis einbeziehen, da der auf absehbare Zeit eine wichtige Säule der globalen Chipproduktion bleiben dürfte. Zudem hat Japan 2019 schon einmal die Ausfuhr einiger Chemikalien für die südkoreanische Halbleiterindustrie blockiert, was sich in einem funktionierenden Bündnis nicht wiederholen dürfte.
Von Heiko Steinacher
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San Francisco