Special | USA | Start-ups
Erfolgsgeschichten sind nach Tech-Aktien-Crash seltener
Deutsche Start-ups durften in den USA schon einige Erfolge feiern. Von der dortigen Start-up-Kultur können Firmen aller Größen lernen. Deutsche Institutionen helfen ihnen dabei.
24.08.2022
Von Heiko Steinacher | San Francisco
Der Erfolg deutscher Start-ups in den USA manifestiert sich in vielerlei Weise: Mal gelingt es, aufgrund der risikofreudigeren Mentalität von US-Investoren schnell und viel Wagniskapital einzusammeln, mal mithilfe von Vor-Ort-Partnern, tiefer in den Markt einzudringen. Im Frühjahr 2022 schafften es gleich sieben deutsche Firmen in den Accelerator Y Combinator (YC) aus dem Silicon Valley. Andere debütierten erfolgreich an US-Börsen.
Von der Coronapandemie profitierte zum Beispiel Uberall. Der Berliner SaaS-Anbieter (Software as a Service) hilft Firmen dabei, kanalübergreifend mehr Kunden zu gewinnen. Seine Dienste sind sehr gefragt, denn im Vertrieb setzen sich zusehends hybride Formen durch. Um in den USA weiter zu expandieren, kooperiert Uberall seit Juni 2022 mit Amazon Alexa.
Deutschen Start-ups gelang auch der Eintritt in Märkte, die besonders von der aktuellen Geopolitik und von Marktunsicherheiten profitieren. So eröffnete das Berliner FinTech Moonfare Anfang 2022 ein Büro in New York, um mit seiner Private-Equity-Investmentplattform auf dem US-Markt zu wachsen. Denn Anleger investieren nun stärker in Minderheitsbeteiligungen an mittelständischen und größeren Unternehmen.
Im Gegensatz zu „traditionellen“ Industriefirmen genießen deutsche Start-ups in den USA zwar keinen Vertrauensvorschuss. Dennoch versuchen einige, sich den guten Ruf des „German Engineering“ zunutze zu machen, um sich von lokalen Wettbewerbern abzuheben. Für Adsquare, eine Datenplattform für mobile Werbung auf Smartphones, sind zum Beispiel hohe Datenschutzstandards wichtig. Ihre Technologie vermarktet die Firma daher unter dem Label „Made in Germany“.
Kurseinbrüche sowie Inflations- und Zinsentwicklung lassen Investoren vorsichtiger werden
Um weiter wachsen zu können, bräuchten viele Start-ups größere Kapitalerhöhungen. Doch das ist angesichts stark gesunkener Bewertungen schwer. Der Münchner Solarautobauer Sono Motors wendete durch den Gang an die US-Technologiebörse Nasdaq Ende 2021 immerhin die drohende Insolvenz ab. In den ersten Folgewochen legte die Aktie sogar zu. Allerdings büßte der Kurs im ersten Halbjahr 2022 gut vier Fünftel ein.
Bei Lilium brach er seit Erstnotierung „nur“ um rund drei Viertel ein. Auch das Debüt des Münchner Lufttaxi-Start-ups an der Nasdaq spülte weniger Geld in die Kasse als erhofft.
Trends scheinen manchmal kurzlebiger als erwartet. So wollten mit Jokr und Gorillas zwei deutsche Start-ups vom pandemiebedingten Boom der Just-in-Time-Lieferdienste profitieren, vor allem in großen US-Metropolen. Jokr hat seine Niederlassungen in New York und Boston Ende Juni 2022 aber wieder geschlossen. Auch Gorillas legte seine Wachstumspläne für die USA vorerst auf Eis.
Weiterhin hohes Wachstum verspricht dagegen der Markt für medizinische KI-Software. Das Hamburger Start-up Mindpeak könnte 2023 die US-Zulassung für seine KI-Technologie erhalten, was bisher erst wenigen deutschen Anbietern gelang. Der Algorithmus wird bereits in 14 Laboren verwendet, darunter auch große Laborketten in den USA. „Unsere KI ist europaweit und in den USA die erste, die jemals im klinischen Routinebetrieb in der Pathologie eingesetzt wird“, sagt Mitgründer und CEO Felix Faber. „Damit haben wir alle Mitbewerber, zum Teil auch sehr gut finanzierte Start-ups aus den USA, geschlagen.”
Auch Tenac.io kooperiert eng mit US-Partnern und -Investoren. Die Berliner Firma bietet digitale kardiovaskuläre Versorgung an und gründete 2021 eine Niederlassung in New York City. Zuvor hatte Tenac.io an STEP USA teilgenommen: Das Startup & Entrepreneur-Programm der AHK New York bringt deutsche Start-ups und Unternehmer aus verschiedenen Branchen zusammen, um die New Yorker Techszene zu erleben.
Deutsche Partner stehen Start-ups bei der Internationalisierung zur Seite
Außerdem bieten noch weitere deutsche Institutionen Jungfirmen Hilfe auf dem Weg in die USA. So unterstützt der German Accelerator deutsche Start-ups - darunter auch die genannten Firmen Uberall und adsquare - mit Know-how, Mentoring und lokalen Anlaufstellen mit Büros in den Hubs New York, Silicon Valley und Boston. „Mehr als 500 Start-ups haben bisher an GA-Programmen teilgenommen und über 12 Milliarden US$ an Finanzierungsvolumen eingesammelt, davon einige Unicorns“, sagt Christian Jorg, Managing Partner beim vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geförderten Gründerprogramm. Ein wichtiges Kompetenznetzwerk ist auch die Digital Hub Initiative des BMWK: Die Hubs haben einen enormen praktischen Erfahrungsfundus und nehmen regelmäßig an internationalen Start-up Summits teil.
Die AHK USA - San Francisco baut eine Brücke in den Westen der USA und ins Silicon Valley. Mithilfe eines Netzwerks an Experten hilft die Kammer Firmen, konkrete Herausforderungen der Digitalisierung zu meistern. Nicht alle, die das Silicon Valley besuchen, um Ökosystem und Mindset besser zu verstehen, gründen danach gleich ihre eigene Firma. „Oft erhoffen sich Unternehmen Zukunftstechnologien besser zu verstehen und die Erkenntnisse zu Hause beim Aufsetzen von Innovationsprojekten anzuwenden“, sagt Kammergeschäftsführer Sven-Thorsten Potthoff. Andere wollen wissen, wie es ihren US-Pendants gelingt, gerade in der Wachstumsphase so schnell an Wagniskapital zu kommen. Beim Innovation Camp BW lernen sie, wie sich disruptive Geschäftsmodelle und Technologien auf ihre Industrie auswirken können und wie sich damit Innovation und digitale Transformation im eigenen Betrieb vorantreiben lassen. Dabei stehen ihnen Mentoren zur Seite. Potthoffs Team ist Partner der vom Land Baden-Württemberg geförderten Initiative.
Auch die Kooperation mit Forschungseinrichtungen steht im Fokus: „Forschungsbasierte deutsche Start-ups können sich über uns mit potenziellen Partnern vor Ort vernetzen“, sagt Zahar Barth-Manzoori, Direktorin des Deutschen Wissenschafts- und Innovationshauses (DWIH) in San Francisco. Als Schwerpunkte nennt Barth-Manzoori dabei Nachhaltigkeitsthemen wie Mobilität und Energieversorgung.