Der Umbruch des britischen Pkw-Markts hin zur Elektromobilität gewinnt an Fahrt. Die steigende Nachfrage wird auch durch ein Verbrennerverbot ab 2030 und neue Kaufprämien gestützt.
Nachfrage nach emissionsarmen Pkw steigt zweistellig
Die elektromobile Wende im britischen Automobilmarkt schreitet voran. Die Neuregistrierungen von Vollelektro-Pkw sind 2024 um über 21 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen und werden laut Prognosen der Society of Motor Manufacturers and Traders (SMMT) 2025 und 2026 ebenfalls jeweils um knapp 21 Prozent zulegen. Auch der Markt für Plugin-Hybride und Hybride wächst in diesem Jahr um 18 beziehungsweise 13 Prozent. Der Automarkt legt 2025 und 2026 aber nur um 0,6 beziehungsweise 1,4 Prozent zu, weil die Nachfrage nach Verbrennern weiter zweistellig fällt.
Im ersten Halbjahr 2025 übertreffen die Neuregistrierungen gar die Prognose mit einem Wachstum von fast 35 Prozent bei Vollelektro-Pkws. Der Markt für Plugin-Hybride wächst mit mehr als 31 Prozent ebenfalls stark, während die Neuzulassungen von Hybrid-Pkw eher moderat um 9 Prozent wachsen. Volkswagen bleibt mit einem Anteil von 9 Prozent die beliebteste Marke und legt bei den Pkw-Verkäufen um 12,5 Prozent zu. Auffällig ist die Expansionsstrategie chinesischer Elektroautohersteller. Mit Jaecoo, Omoda, Leapmotor, Xpeng und Skywell sind fünf neue Anbieter in den britischen Pkw-Markt vorgestoßen. Die kombiniert rund 16.000 neuregistrierten Fahrzeuge entsprechen etwa 1,5 Prozent des gesamten Marktvolumens.
Absatz von Kfz im Vereinigten KönigreichStückzahl | 2022 | 2023 | 2024 |
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Pkw | 1.614.063 | 1.903.054 | 1.952.778 |
Kleintransporter bis 3,5t | 282.139 | 341.455 | 351.834 |
Lkw | 45.503 | 52.027 | 54.247 |
davon Lkw ab 6,0t | 40.716 | 46.227 | 44.988 |
davon Lkw unter 6,0t | 4.787 | 5.800 | 9.259 |
Busse | 3.411 | 4.932 | 8.390 |
Quelle: The Society of Motor Manufacturers and Traders (SMMT) 2024, 2023, 2022
Staat verbietet Pkw-Verkauf von Verbrennern ab 2030
Auch angebotsseitig greift der Staat ein und verbietet den Verkauf von reinen Verbrennern ab 2030. Fünf Jahre später, ab 2035, dürfen auch keine Hydrid-Pkw mehr verkauft werden. Für die Übergangszeit bis zum vollständigen Verkaufsverbot gelten Verkaufsquoten.
über 1,3
Millionen
Elektro-Pkw fahren bereits auf britischen Straßen. Das sind etwa 3,7 Prozent aller Pkw.
Um die Transformation zu beschleunigen, fördert die britische Regierung nun auch wieder Elektroautokäufe mit einer staatlichen Prämie von bis zu 3.750 Pfund beziehungsweise etwa 4.313 Euro. Dafür müssen Autohersteller oder Autohändler ihre Modelle für die Kaufprämie beim Office for Zero Emission Vehicles qualifizieren lassen. Zugelassen werden nur Pkw ohne CO2-Ausstoß und einem Kaufpreis von maximal 37.000 Pfund (ca. 42.550 Euro) mit einer Batteriereichweite ab 100 Meilen (ca. 160 km) und weiteren Anforderungen, zum Beispiel an die Garantie. Außerdem müssen sie Nachhaltigkeitskriterien erfüllen, die die Erreichbarkeit der Prämie komplex machen.
Das Verkehrsministerium verlangt von den Herstellern ein zertifiziertes, wissenschaftlich basiertes Emissionsziel („Science Based Target“, SBTi), das eine emissionsarme Produktion der Fahrzeuge und verbauten Batterien belegt. So werden nur Pkw aus der emissionsärmsten Produktion mit dem höchsten Prämiensatz von 3.750 Pfund (Band 1) berücksichtigt. In der Stufe darunter (Band 2) können Hersteller ihre Pkw mit einem Rabatt von 1.500 Pfund (ca. 1.725 Euro) anbieten. Werden die Nachhaltigkeitsanforderung an die Produktion nicht erfüllt, ist auch keine Elektroautoprämie verfügbar. So werden bewusst solche Hersteller benachteiligt, die zwar emissionsarme Pkw verkaufen, dabei aber selbst nicht auf eine umweltfreundliche Herstellung achten.
Deutsche Marken gehören zu den beliebtesten Pkw unter britischen AutokäufernBritische Pkw-Neuzulassungen 2024 nach den zehn absatzstärksten Marken (Stückzahl; Marktanteil und Veränderung in Prozent)Hersteller | Neuzulassungen | Veränderung ggü. der Vorperiode | Marktanteil | Anteil Vollelektro-Pkw *⁾ |
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Volkswagen | 166.304 | 2,6 | 8,5 | 13,3 |
BMW (ohne Mini) | 125.265 | 12,1 | 6,4 | 26,5 |
Audi | 122.431 | -11,0 | 6,3 | 19,4 |
Kia | 112.252 | 4,2 | 5,8 | 13,8 |
Ford | 109.955 | -23,7 | 5,6 | 8,4 |
Mercedes-Benz | 102.757 | 17,1 | 5,1 | 23,5 |
Toyota | 101.444 | -7,7 | 5,2 | 7,0 |
Nissan | 100.446 | 12,3 | 5,1 | 11,8 |
Hyundai | 91.808 | 5,4 | 4,7 | 19,7 |
MG | 81.536 | -0,9 | 4,2 | 26,7 |
Deutsche Marken hervorgehoben; * Berechnung von Germany Trade & Invest auf der Basis von Daten der britischen Zulassungsbehörde DVLA für das Jahr 2024.Quelle: The Society of Motor Manufacturers and Traders (SMMT) 2025; GTAI-Berechnungen
Das dürfte vor allem chinesische Hersteller treffen, die allerdings teilweise auf die Förderankündigung reagieren. So senkt Leapmotor schlichtweg selbst die Preise auf bestimmte Modelle um die gleiche Höhe wie die neue Förderung und macht so zum Beispiel den To3 zum günstigsten im Königreich angebotenen Elektroauto. Somit bestehen Zweifel, ob das Nachhaltigkeitskriterium seine gewünschte Wirkung erzielen kann.
Neue Kaufprämie kommt mit Hindernissen
Der komplexe Akkreditierungsprozess selbst hat Nachteile. So sind die einzigen Automobilhersteller mit förderfähigen Modellen Alpine, Citroen und Renault – allerdings nur mit der reduzierten Kaufprämie. Die Fahrzeuge werden nach Unternehmensangaben in Europa gefertigt. Gute Chancen auf die höchste Förderung dürfte Nissan haben, welcher das SBT bereits erfüllt und auch im Vereinigten Königreich produziert.
Autokäufer werden die neue Prämie und der wachsende Preiswettbewerb gefallen. Sie profitieren von günstigen Elektrofahrzeugen. Das ist auch nötig, denn Marktforscher bewerten das organische Wachstum für ein Erreichen des Verbrenner-Verbots ab 2030 skeptisch. Zwar steigt der Anteil batterieelektrischer Fahrzeuge (BEV) an den Neuzulassungen, laut SMMT lag er im Juli 2025 bei 23,8 Prozent. Es ist jedoch eine Vervielfachung innerhalb von fünf Jahren nötig, um die gesetzlich vorgeschriebenen Quoten des ZEV-Mandats zu erfüllen.
Im britischen Kaufverhalten dominiert die Rolle der Benziner noch deutlich. Laut einer YouGov-Umfrage sind Benziner bei 50 Prozent der Befragten die erste Wahl, sowohl bei Neufahrzeugen als auch bei Gebrauchten. Die höchste Präferenz für Elektroautos liegt bei Neufahrzeugen mit 29 Prozent. Hybride schneiden als zweite Wahl von 30 Prozent der Verbraucher von zertifizierten Gebrauchtwagenhändlern gut ab.
Preis und Reichweite als größte Hürden für Verbraucher
Die Kaufprämie setzt bei einer der größten Hürden von Käufern an. Nur 22 Prozent lehnen Elektroautos kategorisch ab. Bei 52 Prozent der Verbraucher, den sogenannten „Potentials“, die in den nächsten fünf oder mehr Jahren einen elektrischen Pkw kaufen möchten, dominieren die Sorgen über den hohen Preis und die Reichweite der Batterien. Das belegt eine Umfrage des britischen Automobilclubs AA. Gerade der im Vergleich zu Verbrennern höhere Kaufpreis schreckt Käufer ab, obwohl die laufenden Kosten geringer sind.
Auch das Ladenetz bemängeln viele Verbraucher als unzureichend, wegen hoher Preise und umständlicher Zahlungssysteme. Dabei hat das Land stark aufgerüstet und verfügt mit über 100.500 Ladepunkten mittlerweile über das fünftgrößte Netzwerk Europas. Mit einer Abdeckung von 148 Ladepunkten pro 100.000 Einwohnern liegt das Königreich hingegen im unteren Mittelfeld. Hinzu kommen starke regionale Unterschiede auf der Insel. Während in London 300 Ladepunkte auf 100.000 Einwohner kommen, sind es in Nordirland nur 60.
Von Marc Lehnfeld
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London