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Rechtsbericht Vereinigtes Königreich Brexit

Brexit soll zu besserer Regulierung führen

Zwei Jahre nach dem Austritt aus der Europäischen Union veröffentlicht die britische Regierung ein Policy Paper. Die zukünftige Regulierung soll auf fünf Prinzipien beruhen.

Von Karl Martin Fischer | Bonn

Die britische Regierung hat stets betont, der Austritt aus der Europäischen Union (EU) bringe viele Vorteile. Zwei Jahre nach dem Austrittstag, und circa 13 Monate seit dem Ende der Übergangsphase, ist allerdings noch nicht jeder Beobachter davon überzeugt, dass die Vorteile die Nachteile überwiegen. Das Papier soll Zweifelnde davon überzeugen, dass dies langfristig der Fall sein wird.

Die fünf Prinzipien künftiger Regulierung

Das Papier identifiziert einige Probleme gegenwärtiger Regulierung. Regeln seien häufig zu inflexibel, die Einhaltung sei oft zu teuer und werde auf eine nicht zeitgemäße Art und Weise kontrolliert. So könne das volle Wachstums- und Innovationspotential der britischen Wirtschaft nicht ausgeschöpft werden.

Die Reform des regulatorischen Rahmens soll vier wirtschaftliche Ziele erreichen: Ermöglichung modernster Technologien, moderne Herangehensweise an regulierungsbezogene Aufgaben, weniger Verwaltungsaufwand für Unternehmen, und schließlich Förderung des Wettbewerbs. Erreichen will man diese Ziele unter Beachtung der folgenden fünf Prinzipien:

  • "A sovereign approach" - Regulierung basiert auf britischem Recht, weicht - wo angemessen - von übernommenen europäischen Vorgaben ab und trägt somit einen unverwechselbar "britischen Stempel". Als ersten Schritt bezeichnet das Papier die Veröffentlichung der Economic Regulation Policy (über Energie, Wasser und Telekommunikation) vom selben Tag.
  • "Leading from the front" - Modere Technologien und neue Märkte sollen mithilfe schneller, geschickter Regulierung erschlossen werden. Dies kann auch experimentelle Regulierung umfassen.
  • Verhältnismäßigkeit - wo immer möglich, sollen Märkte mit einem Minimum an staatlicher Regulierung auskommen. Wenn hingegen Regulierung zu besseren Ergebnissen beiträgt, soll sie nicht nur implementiert, sondern auch effizient überwacht werden.
  • Evaluierung - Folgeneinschätzungen sollen erneuert werden und einem ganzheitlichen Ansatz folgen. Evaluierung wird an Bedeutung gewinnen.
  • Hohe Standards, die auch weltweit durchgesetzt werden sollen.

Diese Prinzipien sind nicht revolutionär. Aber es dürfte spannend sein zu sehen, wie sie konkret in die Tat umgesetzt werden.

Regulierung nur wenn erforderlich

Bereits bei der Entwicklung neuer Regulierung soll künftig eine unabhängige Kontrolle stattfinden, die die Notwendigkeit von Regulierung beurteilt beziehungsweise sinnvolle Alternativen aufzeigt. Hierbei hilft ein spezielles Team, das beim "Better Regulation Executive" angesiedelt ist. Dieser wiederum ist beim britischen Wirtschaftsministerium angesiedelt.

Ebenfalls erwogen worden war eine "one in, two out" - Regelung, also die Verpflichtung, zwei alte Regulierungen zu streichen, wenn eine neue eingeführt werden soll. Man hat sich aber im Ergebnis dagegen entschieden. Bei der Regulierung der gegenwärtigen technologischen Revolution und dem Erreichen der emissionsfreien Wirtschaft sei eine solche Regelung nicht realistisch, so die britische Regierung.

Internationale Aspekte der Regulierung

Die britische Regierung will sich auch international, mit "robuster regulatorischer Diplomatie", engagieren. Man will gemeinsam mit anderen Regierungen, Normungsinstituten und Wirtschaft Lösungen gerade in sich schnell entwickelnden Bereichen der Hochtechnologie finden. Die britische Interessenvertretung soll sich besonders auf langfristig relevante Wirtschafts- und Sicherheitsinteressen konzentrieren.

Sorge macht im internationalen Zusammenhang der britische Plan, die Datenschutzthematik aufzugreifen und materielle Änderungen vorzunehmen. Hier steht, je nach konkretem Inhalt der Änderungen, ein Ende des Angemessenheitsbeschlusses der EU-Kommission vom 28. Juni 2021 zu befürchten.  

Auch die Behörden werden besser

Nicht nur die Regulierung selbst, sondern auch ihre Implementierung soll besser werden. Rechte und Pflichten der Regulierungsbehörden sollen, wo angemessen, besser adjustiert werden. Sie sollen künftig in einem engeren Dialog mit der Wirtschaft stehen, Rückmeldungen über die Auswirkungen der Regulierung sollen eine Selbstverständlichkeit sein. Potentiell besonders interessant: Man will "kühne, ergebnisorientierte und experimentelle Aktivitäten" der Regulierer sehen, etwa Reallabore oder ähnliche Testumgebungen.  

Zur Verantwortung ziehen will man Ministerien, die Evaluierungen neuer regulatorischer Aktionen verzögern. Im Regelfall sollen Evaluierungen spätestens nach zwei Jahren stattfinden und die Ergebnisse im Laufe des dritten Jahres veröffentlicht werden. Je nach Stärke der Auswirkungen oder Verfügbarkeit von Daten können aber auch andere Fristen angemessen sein.

Der neue Umgang mit altem EU-Recht

Übernommenes EU-Recht wurde gemäß den Vorschriften des European Union (Withdrawal) Act 2018 als "retained EU law" in das britische Recht übernommen. Dort genießt es einen speziellen Status (siehe insbesondere Section 7 des EU (Withdrawal) Act 2018).

Die Regierung will diesen Status ändern und materielle Änderungen des übernommenen EU-Rechts deutlich erleichtern. Die "Brexit Freedoms Bill" soll dies ermöglichen. Insbesondere sollen viele Vorschriften durch Rechtsverordnung geändert werden können. Nach derzeitigem Recht ist in vielen Fällen ein - deutlich aufwändigeres - Parlamentsgesetz erforderlich. Zum Zeitpunkt dieses Berichts liegt allerdings noch kein Textentwurf vor.

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