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Klimaschutz-Atlas

Energie: Dekarbonisierung der Stromerzeugung bis 2035

Das zukünftige britische Energiesystem setzt nicht nur auf Offshore-Windenergie, sondern auch auf Atomkraft. Es sind Milliardeninvestitionen geplant.

Von Marc Lehnfeld | London

Energieversorgung

Die geplante Klimaneutralität sorgt für einen tiefgreifenden Umbau der Energiewirtschaft. Dafür setzt der Staat auf ein baldiges Ende der Kohleverstromung und die rasante Erschließung des Offshore-Windpotenzials entlang der Küste.

Fossile Energieträger werden bis zur anvisierten Dekarbonisierung des Landes im Jahr 2050 durch erneuerbare Energieträger ersetzt werden. Auch Abscheidung, Transport und Endlagerung von Kohlenstoff (CCS) sollen für die Energieversorgung eine bedeutende Rolle einnehmen, so die Powering Up Britain-Strategie der Regierung. CCS soll nicht nur für die Schwerindustrie genutzt werden, sondern auch bei der Energieerzeugung zum Einsatz kommen.

Laut der Zukunftsprognose des Netzbetreibers National Grid ESO schrumpft der Bedarf für Gas zwischen 2022 und 2030 von 986 TWh auf 533 TWh bis 671 TWh – überwiegend soll damit die aufkeimende Wasserstoffökonomie versorgt werden. Entscheidend ist, ob die Regierung die Wärmewende im alten Wohnungsbestand schafft.

Das geplante Verbot für Pkw mit Verbrennungsmotor ab 2030 und das Zulassungsende von Hybridfahrzeugen ab 2035 wird die Nachfrage nach Erdöl im Straßenverkehr streichen.

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Stromerzeugung

Die Stromerzeugung soll bereits bis 2035 vollständig dekarbonisiert sein. Die Nachfrage nach Elektrizität wird sich allerdings deutlich erhöhen. National Grid ESO prognostiziert, dass der Strombedarf je nach Szenario von 286 TWh im Jahr 2022 auf 325 TWh bis 369 TWh im Jahr 2030 ansteigt. Das ermöglichen soll vor allem ein starker Ausbau der Offshore-Windenergie. Das Vereinigte Königreich würde dadurch vom Nettoim- zum Nettoexporteur von Strom.

Große Pläne für Offshore-Windenergie

Im Zentrum des zukünftigen Strommix steht die Windkraft. Das Königreich verfügt mit einer Offshore-Windenergie-Kapazität von 13,7 Gigawatt über einen Weltmarktanteil von knapp einem Viertel und will seine Kapazitäten bis 2030 deutlich auf 50 Gigawatt ausbauen. Dazu sollen auch schwimmende Anlagen im Umfang von 5 Gigawatt beitragen. Um das Ziel zu erreichen sind Investitionen von über 178 Milliarden Euro nötig. Auch deutsche Unternehmen sind am Goldrausch beteiligt, vor allem RWE Renewables und EnBW.

Die Herausforderungen, um das Ziel der Verfünffachung zu erreichen, sind groß. Allein um die nötigen Kapazitäten in elf Häfen auszubauen sind laut Berechnungen von Renewable UK Investitionen von bis zu 4,6 Milliarden Euro nötig. Auch der in der Branche übliche Subventionsrahmen, das Contracts for Difference (CfD)-Modell, gerät zunehmend unter Druck. Energy UK warnt vor dem Preisverfall im auktionsbasierten CfD-Modell, während andererseits die Installationskosten bei den Projektierern steigen. Greifbar wird das Problem nun mit der Ankündigung von Vattenfall, das geplante 1,4-Gigawatt-Windprojekt Norfolk Boreas zu stoppen.

An der Entwicklung der Offshore-Windkapazitäten hängt auch der Aufbau der britischen Wasserstoffwirtschaft. Sie soll nicht nur die Inlandsnachfrage bedienen, sondern auch das Exportgeschäft befeuern. Die 2021 veröffentlichte Wasserstoffstrategie des Vereinigten Königreichs setzt allerdings nicht nur auf grünen, sondern in Kombination mit CCS-Lösungen auch auf sogenannten blauen Wasserstoff. Bis 2030 sollen 10 Gigawatt Erzeugungskapazitäten aufgebaut werden, die Hälfte davon basierend auf Elektrolyse. Die CO2-Speicher können dabei auch Gaskraftwerken dienen, wie das Projekt Net Zero Teesside Power zeigt.

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Kohleverstromung endet im Herbst 2024

Die Stromerzeugung aus Kohle machte zu Jahrtausendbeginn noch fast ein Drittel aus. Sie soll nun bis Oktober 2024 beendet werden. Von den zwei verbliebenen Kohlekraftwerken wird das Kilroot-Kraftwerk in der Nähe von Belfast die Kohleverstromung voraussichtlich schon im September 2023 einstellen. Es wird zu einem Gaskraftwerk (660 Megawatt) mit angeschlossenem Energiepark umgebaut. Das von Uniper betriebene letzte englische Kohlekraftwerk in Nottinghamshire wird zum nationalen Kohle-Aus 2024 außer Betrieb gestellt und soll dann zu einem Industriepark umgebaut werden. Eine fortgeführte Nutzung als Kraftwerk ist bisher nicht in Sicht.

Kernkraft mit neuen Projekten und Kleinreaktoren

Die Briten halten außerdem an der Kernkraft als wichtigen Bestandteil des Strommix fest. Die Erzeugungskapazitäten sollen auf 24 Gigawatt im Jahr 2050 verdreifacht werden und dann bis zu einem Viertel des Stromverbrauchs abdecken.

Dafür wird die Produktionslandschaft modernisiert. Fast alle bisher in Betrieb befindlichen Meiler werden schrittweise bis 2030 abgeschaltet. Davon ausgenommen sind der Wasserreaktor Sizewell B im ostenglischen Suffolk und das sich bereits im Bau befindliche Kraftwerk Hinkley Point C in Somerset. Die neue Landschaft britischer Kernkraftwerke soll aus kleinen modularen Reaktoren (small modular reactors, SMR) bestehen, die in den 2030er-Jahren ans Netz gehen sollen.

In einer ersten öffentlichen Ausschreibung im August 2023 wurden bis zu vier Technologieanbieter für SMRs gesucht. Als offenes Geheimnis gilt, dass Rolls-Royce gute Chancen hat: Das Unternehmen konnte bereits in einem Forschungskonsortium einschließlich staatlicher Förderung Mittel von umgerechnet 600 Millionen Euro bündeln, um Kleinreaktoren zu entwickeln. Die Financial Times nennt GE, Hitachi und X-energy als weitere mögliche Bieter.

Die finale Investitionsentscheidung für ein letztes konventionelles Atomkraftwerk (AKW) ist mit der Erweiterung des ostenglischen AKW Sizewell um den Block C getroffen. Die Gesamtkosten für den Bau des C-Meilers werden auf umgerechnet 23 Milliarden Euro geschätzt.

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