Wirtschaftsausblick | Vereinigtes Königreich
Britische Wirtschaft profitiert von Wachstum und Deals
Die britische Wirtschaft erreicht 2025 das zweithöchste Wachstum unter den G7-Staaten. Hinzu kommt eine erfolgreiche Handelsdiplomatie mit den USA und der EU.
25.06.2025
Von Marc Lehnfeld | London
Top-Thema: Britische Regierung im Balanceakt zwischen Washington und Brüssel
Im Mai 2025 gelangen der britischen Regierung mehrere diplomatische Coups. Sie konnte sich mit der US-Administration auf ein Handelsabkommen einigen und mit der EU eine engere Zusammenarbeit vereinbaren.
Das Handelsabkommen mit den USA ist symbolträchtig. Es ist das erste Abkommen, das die USA seit Ankündigung ihrer Strafzölle geschlossen haben. Die Briten sichern sich zollfreie Exporte für die Luftfahrtindustrie, ein großzügiges, zollvergünstigtes Kontingent für Pkw-Exporte und Zollbefreiungen auf Stahl- und Aluminiumlieferungen. Zugleich konnten sie den amerikanischen Wunsch nach einer Angleichung an US-Lebensmittelstandards abwehren.
Darüber hinaus profitiert das Königreich für alle Güter von einem vergleichsweise niedrigen US-Einfuhrzollsatz von 10 Prozent. Das ist halb so viel wie aktuell der Satz für EU-Exporteure. Doch auch die EU verhandelt mit den USA und könnte mit ähnlichen Bedingungen gleichziehen.
Allerdings ist die Vereinbarung kein durchschlagender handelspolitischer Erfolg. So konnten die zollfreien Kontingente für Stahl- und Aluminiumprodukte noch nicht festgeschrieben werden. Außerdem gelten spezielle Anforderungen an die Lieferkettensicherheit und die Eigentumsverhältnisse der produzierenden Unternehmen. Die Analysten von Oxford Economics erwarten insgesamt, dass das Abkommen die globale Verteuerung des Handels infolge der US-Zollandrohungen vom April 2025 nicht kompensieren kann.
EU und Briten vereinbaren engere Zusammenarbeit
Nur zwei Wochen nach dem amerikanisch-britischen Abkommen erreichte die britische Regierung auf dem UK-EU-Gipfel in London auch eine nähere Zusammenarbeit mit der EU. Die neue sicherheitspolitische Partnerschaft birgt großes Potenzial. Sie wird dem Vereinigten Königreich Zugang zum europäischen SAFE-Verteidigungsfonds gewähren und soll die Rüstungsindustrien beider Seiten enger verzahnen.
Handelspolitisch bekräftigen beide Seiten, dass sie den Lebensmittel- und den Stromhandel erleichtern wollen. Von einer besseren Integration Großbritanniens in den europäischen Strommarkt würden langfristig auch deutsche Unternehmen und Haushalte profitieren. Die Ergebnisse des Gipfels sind jedoch noch nicht beschlossen und würden lediglich Lücken schließen, die der Brexit hinterlassen hat.
Wirtschaftsentwicklung: Zweitstärkstes Wachstum der G7-Staaten
Die britische Wirtschaft könnte 2025 nach den USA das zweithöchste Wachstum unter den G7-Staaten erreichen. Dies geht aus einer Prognose der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) von Juni 2025 hervor.
Auch die Analysten von Oxford Economics sind zuversichtlich. Angesichts des überraschend starken Anstiegs des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im 1. Quartal 2025 gegenüber dem Vorquartal haben sie ihre Prognose für das BIP-Wachstum im Jahr 2025 auf 1,2 Prozent angehoben. Wachstumstreiber sind die Bruttoanlageinvestitionen mit einem Anstieg von 2 Prozent, die von milliardenschweren öffentlich finanzierten Infrastrukturprojekten profitieren. Auch die Staatsausgaben steigen überdurchschnittlich um 1,5 Prozent.
Doch die Prognosen für das Jahr 2025 sind stark risikobehaftet, einerseits wegen der Auswirkungen der US-Handelspolitik auf die Weltwirtschaft und damit auch auf die Konjunktur im Vereinigten Königreich. Hinzu kommen – als interner Faktor – die Folgen der Anhebung der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung auf die Beschäftigungs- und Lohnentwicklung. Zweifellos hemmen sie den Privatkonsum.
Die Bank of England beurteilt die aktuelle Inflationsrate von 3,4 Prozent im April 2025 wegen gestiegener Energiekosten als "temporär" und rechnet weiterhin mit einem abfallenden Inflationspfad. Deshalb sieht die Nationalbank weiterhin Spielräume für Leitzinssenkungen. Aktuell liegt der Leitzins bei 4,25 Prozent. Oxford Economics preist weiterhin zwei Zinssenkungen bis zum Jahresende um insgesamt 50 Basispunkte auf 3,75 Prozent ein.
Das größte strukturelle Risiko bleibt die hohe Staatsverschuldung und der geringe fiskalpolitische Spielraum. Im Rahmen der mehrjährigen Haushaltsüberprüfung versprach Finanzministerin Rachel Reeves jährlich um preisbereinigt 2,3 Prozent steigende Haushaltsmittel, wovon vor allem der Gesundheitssektor und die Verteidigungsindustrie profitieren werden. Die Risikomarge in den Haushaltsplänen ist so stark geschrumpft, dass nun alle Augen auf dem Autumn Budget liegen, für das Steuererhöhungen nicht mehr auszuschließen sind.
Deutsche Perspektive: Bilateraler Handel wächst
Deutsche Unternehmen zeigen sich im britischen Marktumfeld äußerst resilient. Laut der Frühjahrsumfrage der Deutsch-Britischen Industrie- und Handelskammer vom April 2025 bewertet fast die Hälfte aller Befragten ihren Geschäftserfolg auf der Insel als sehr positiv oder positiv. Gleichzeitig haben aber nur 10 Prozent der Befragten für die britische Wirtschaft insgesamt positive Zukunftserwartungen.
Die positive Stimmung spiegelt auch der deutsch-britische Warenhandel wider. Trotz eines herausfordernden Marktumfelds im 1. Quartal 2025 verzeichnete er – bereinigt um den Einfluss des Goldhandels – einen Zuwachs von über 8 Prozent im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum.
Das liegt vor allem an starken deutschen Chemie- und Pharmaeinfuhren, die die Gesamtimporte aus dem Vereinigten Königreich um fast 17 Prozent ansteigen ließen. Aber auch die deutschen goldbereinigten Exporte wuchsen um fast 5 Prozent, auf der Basis starker Pkw- und Elektronikausfuhren.
Deutsche Unternehmen expandieren weiterhin im britischen Markt. So hat der Logistikkonzern DHL bekanntgegeben, einen Anteil am britischen Paketzusteller Evri zu erwerben. Der Biotech-Konzern BioNTech verspricht lokale Investitionen von rund 1,2 Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren zur Erweiterung seiner Forschungsaktivitäten, vor allem zu personalisierten mRNA-Immuntherapien.
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