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Vietnam ein neuer Player in der Halbleiterindustrie
Mit weiteren Halbleiterfabriken etabliert sich Vietnam in der globalen Chipindustrie. Jetzt investieren auch vietnamesische Unternehmen und neue Lieferketten entstehen.
18.09.2025
Von Peter Buerstedde | Hanoi
Mit dem Bau einer Halbleiterfabrik durch den vietnamesischen Telekommunikationskonzern Viettel beginnt für Vietnam ein neues Kapitel in der Halbleiterindustrie. Die Anlage soll 2025 den Betrieb aufnehmen und wird rund 100 Millionen US-Dollar (US$) kosten. Laut Regierungsangaben werde Viettel später sogar circa 500 Millionen US$ in das Vorhaben investieren.
Die Fabrik entsteht in der Hightech-Zone Hoa Lac bei Hanoi und soll Forschung, Design, Produktion und Test von Halbleitern unter einem Dach vereinen. Das Projekt setzt einen Meilenstein in der staatlichen Halbleiterstrategie, die im September 2024 verabschiedet wurde, und soll zur technologischen Unabhängigkeit des Landes beitragen.
Viettel untersteht dem Verteidigungsministerium und hat Details seiner Chipproduktion noch nicht veröffentlicht. Beobachter vermuten, dass zunächst Halbleiter für militärische Anwendungen und die Telekommunikation produziert werden. Viettel ist ein bedeutender Rüstungshersteller und hat nach eigenen Angaben bereits einen 5G-Chip entwickelt.
Halbleiterindustrie kommt aus den Startlöchern
Auch internationale Experten sehen eine rosige Zukunft. Die US-amerikanische Semiconductor Industry Association erwartet in ihrer Analyse vom Mai 2024, dass Vietnam seinen Anteil an den weltweiten Kapazitäten im Bereich Verpackung und Testung bis 2032 von unter 1 Prozent auf 8 Prozent steigern könnte. Damit würde das Land nur noch von Malaysia übertroffen, das dann auf einen Anteil von 9 Prozent käme.
Investor (Herkunft) | Standort | Status | Investition (in Mio. US$) | Segment |
---|---|---|---|---|
Intel (USA) | Ho-Chi-Minh-Stadt | Seit 2006 in Betrieb, größtes OSAT-Werk *) von Intel weltweit | 1.500 | OSAT |
Hana Micron (Südkorea) | Bac Giang | Erste Fabrik seit 2020 in Betrieb, zweite Fabrik 2023 eröffnet | 1.000 | OSAT |
Amkor Technology (USA) | Bac Ninh | Phase 1 seit 2023 in Betrieb, Phase 2 im Bau (circa 1 Mrd. US$) | 560 | OSAT |
Kine SIC Semi (USA) | Bac Ninh | Geplant | 200 | OSAT |
Coherent Group (USA) | Dong Nai | Seit Juli 2025 in Betrieb | 127 | OSAT |
CT Semiconductor (CT Group, Vietnam) | Binh Duong | Fabrik seit Mai 2025 im Bau | 100 | OSAT |
Shunsin Technology (Teil von Foxconn, Taiwan) | Bac Giang | Geplant | 80 | OSAT |
VSAP Lab (Vietnam) | Da Nang | Im Bau, Fertigstellung bis 4. Quartal 2026 geplant | 69 | Labor für neuartige Packaging-Technologien |
Private vietnamesische Akteure wollen mitmischen
Die Kommunistische Partei kündigte im Mai 2025 an, dass private Unternehmen eine führende Rolle in Technologie und Innovation einnehmen sollen. Bisher wurden staatseigene Unternehmen bevorzugt behandelt. Bis 2030 sollen über die Wirtschaft verteilt mindestens 20 einheimische Großunternehmen entstehen, die international wettbewerbsfähig sind und in globale Lieferketten integriert werden.
Die Privatwirtschaft zeigt nun auch Interesse an der Halbleiterindustrie. Zahlreiche Firmen haben Projekte in zukunftsträchtigen Geschäftsfeldern angekündigt. Im Halbleiterbereich tritt neben Viettel vor allem das Konglomerat FPT hervor. FPT ist mit Software-Dienstleistungen für internationale Kunden, unter anderem in Deutschland, erfolgreich und betreibt zudem die größte Apothekenkette des Landes. Das Unternehmen plant, sein Angebot im Bereich Chipdesign deutlich auszubauen.
Ein neuer Player in der Branche ist die CT Group, die im Mai 2025 mit dem Bau einer Verpackungs- und Testfabrik begonnen hat. Im August meldete das Unternehmen einen Auftrag über 100 Millionen Chips von einer nicht näher genannten koreanischen Firma.
Viele Arbeitskräfte für einfache Aktivitäten
Bisher beschränkt sich die Halbleiterproduktion in Vietnam auf weniger anspruchsvolle Tätigkeiten im Chipdesign sowie auf die Verpackung und Prüfung von Halbleitern. Nach Informationen der Regierung umfasst das Segment Chipdesign etwa 50 Firmen, die ungefähr 7.000 Ingenieure beschäftigen. Dazu zählen Infineon, Ampere, Marvell, Cadence, Renesas, Synopsys und Qorvo.
Hinzu kommen 15 Betriebe, die Chips verpacken und prüfen. Sie beschäftigen ungefähr 6.600 Ingenieure. Der US-amerikanische Konzern Intel ist hier ein Vorreiter und hat 2006 ein Werk für Montage und Prüfung von Halbleitern eröffnet. Es ist heute die größte derartige Fabrik im Gefüge des Konzerns.
Die Halbleiterstrategie der Regierung aus dem Jahr 2024 sieht einen Ausbau der Branche entlang der gesamten Wertschöpfungskette vor. Neben der Fabrik von Viettel sollen bis zum Jahr 2030 mindestens 100 neue Chipdesign-Unternehmen gegründet und zehn weitere Verpackungs- und Testbetriebe entstehen. Zur Unterstützung dieser Entwicklung plant die Regierung, ungefähr 50.000 Ingenieurinnen und Ingenieure auszubilden.
Ein Ausbildungsprogramm wurde Ende 2023 ins Leben gerufen und Mitte 2025 boten 166 Universitäten und Hochschulen halbleiterbezogene Studiengänge an, in denen sich rund 6.300 Studierende eingeschrieben haben. Zusätzlich sollen etwa 12.000 Absolventen anderer Fachrichtungen eine Zusatzausbildung erhalten, um in den Halbleitersektor zu wechseln.
Unternehmen wie Cadence, Siemens, ARM und Lam Research unterstützen die Offensive und stellen über 1.000 Softwarelizenzen für das Chipdesign zur Verfügung. Auch vietnamesische Technologieunternehmen wie Viettel, FPT und Phenikaa sowie internationale Partner wie Marvell, Coherent und Infineon arbeiten eng mit den Hochschulen zusammen. Der deutsche Halbleiterhersteller Infineon kooperiert bereits seit Jahren mit der Technisch-Wissenschaftlichen Universität in Hanoi.
Mangel an Erfahrung, wackelige Stromversorgung
Studierende nehmen die Ausbildungsinitiative gut an. Laut einem Branchenexperten wächst die Sorge, dass die Industrie die große Zahl an Absolventen nicht beschäftigen kann. Ein vorübergehender Einsatz im Ausland könnte helfen, damit die Absolventen praktische Erfahrungen sammeln. Denn den neu ausgebildeten Kräften fehlen Erfahrungen und der Mangel an Expertise und Routine des Personals gilt als zentrales Hindernis für die Gründung neuer Chipdesign-Firmen.
Ein weiteres Problem ist die unzureichende Stromversorgung. Berichten zufolge gab Intel im Jahr 2023 eine geplante Erweiterungsinvestition aufgrund von Stromausfällen auf. Diese Ausfälle betrafen mehrere Industrieparks im Norden des Landes. Der Ausbau der Stromerzeugung kommt auch derzeit nur schleppend voran, obwohl Vietnam den Ausbau erneuerbarer Energien beschleunigen will.