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Vietnam will den Ausbau erneuerbarer Energien beschleunigen
Für einen stärkeren Ausbau der Energieerzeugung hat Vietnam den Rechtsrahmen angepasst. Das Land hofft, dass dadurch eine neue Investitionswelle beginnt.
06.05.2025
Von Peter Buerstedde | Hanoi
Die vietnamesische Regierung hat am 15. April 2025 eine angepasste Version ihres Ausbauplans für den Energiesektor (Power Development Plan 8; PDP8) verabschiedet. Der ursprüngliche Plan wurde im Mai 2023 veröffentlicht. PDP8 ist sowohl ein Schlüsseldokument für die Ausrichtung des Strommixes im Land bis 2030 beziehungsweise 2050 als auch für den Ausbau der Stromkapazitäten und der Leitungsnetze. Nur Vorhaben, die im PDP8 verzeichnet sind, haben eine Aussicht auf Umsetzung.
Die Anpassung war notwendig geworden, weil die Regierung das Wirtschaftswachstum ab 2026 auf zweistellige Werte anheben will, von durchschnittlich 6 Prozent in der letzten Dekade. Der Strombedarf steigt also stärker als bisher angenommen. Gleichzeitig hat eine Antikorruptionskampagne viele Kraftwerksprojekte verzögert.
Die revidierte Fassung umfasst wichtige Veränderungen. Zunächst hat die Regierung den Bedarf an Stromkapazitäten bis 2030 auf 183 bis 236 Gigawatt deutlich angehoben. Der ursprüngliche Plan ging von einer Leistung von 148 bis 151 Gigawatt bis 2030 aus.
Deutlich mehr Solar- und Windkraft
Erneuerbare Energien haben im neuen PDP8 deutlich höhere Ausbauziele erhalten, während der Zubau an fossilen Quellen gleichbleibt. Große Gewinner sind die Windkraft an Land oder in Küstennähe und die Solarenergie. Bei diesen Energieträgern ging 2021 eine starke Expansionsphase mit vielen Unregelmäßigkeiten zu Ende. Eine große Anzahl an Projekten ist fernab der Verbrauchszentren entstanden und etliche sind noch immer nicht ans Netz angeschlossen worden. In einigen Fällen verweigert der Staatsmonopolist Vietnam Electricity (EVN) die Einspeisevergütungen.
Nach den schlechten Erfahrungen wollte die Regierung den Ausbau eigentlich bremsen. Im neuen PDP8 soll Windkraft an Land und in Küstennähe aber von rund 22 Gigawatt auf bis zu 38 Gigawatt steigen. Auch Solarenergie soll stärker expandieren, von 12,8 Gigawatt im ursprünglichen Plan auf bis zu 73,4 Gigawatt in der neuen Version. Offshore-Windprojekte jedoch brauchen mehr Vorbereitung und wurden auf nach 2030 vertagt.
2024 | 2030 | |
---|---|---|
Gesamt | 82,4 | 183,0-236,0 |
Biomasse | 0,4 | 1,5 bis 2,7 |
Kernenergie | 0 | 4,0 bis 6,4* |
Offshore-Windkraft | 0 | 6,0 bis 17,0* |
Stromspeicher | 0 | 10,0 bis 16,3 |
Windkraft, an Land und in Küstennähe | 5,0 | 26,1 bis 38,0 |
Kohle | 26,8 | 31,1 |
Gas und Öl | 8,7 | 33,4 bis 37,5 |
Wasserkraft | 23,7 | 35,7 bis 40,7 |
Solarenergie | 16,5 | 46,5 bis 73,4 |
Entsprechend wird der Anteil erneuerbarer Energien zulegen, während der von fossilen Energieträgern zurückgeht. Die Regierung hatte bis 2030 zunächst 29 Prozent Anteil an erneuerbaren Energien angepeilt und 45 Prozent für Kohle und Gas. Nach den revidierten Plänen steigen die Erneuerbaren auf 45 bis 57 Prozent (inklusive Wasserkraft sogar auf 63 bis 71 Prozent), während Kohle und Gas auf 29 bis 35 Prozent zurückfallen.
Auch Batteriespeicher und Pumpwasserkraftwerke werden ausgebaut. Sie sollen als Ausgleich für die wechselhaften erneuerbaren Energien dienen. Hinzu kommen deutlich höhere Stromimporte (von 1,2 Gigawatt in 2024 auf 9,4 bis 12,1 Gigawatt in 2030), vor allem aus Laos und den dort entstehenden Wasserkraftwerken.
Vietnam steigt in Kernkraft ein
In der Neufassung des PDP8 will Vietnam nun mit zunächst zwei Kernkraftwerken in die Kernenergie einsteigen. Das ist eine deutliche Abkehr vom Originalplan. Die Regierung hatte 2016 die Vorhaben an den beiden Standorten in der Provinz Ninh Thuan gestoppt. Auf diesen Projekten will sie jetzt aufbauen und die Kraftwerke mit den damaligen japanischen und russischen Partnerunternehmen umsetzen. Trotzdem geht etwa die vietnamesische Fachzeitschrift Nang Luong von drei Jahren Vorbereitung und sechs bis acht Jahren Bauzeit aus. Somit dürften die Kraftwerke bestenfalls 2035 ans Netz gehen.
Der ursprüngliche PDP8 sah Investitionen von 134,7 Milliarden US-Dollar (US$) vor. Verteilt auf den Zeitraum von 2024 bis 2030 waren das rund 19,2 Milliarden US$ pro Jahr.
In der revidierten Fassung ist der Investitionsbedarf mit 136,3 Milliarden US$ ähnlich hoch. Die jährlichen Investitionen von 2026 bis 2030 steigen aber deutlich auf 27,3 Milliarden US$.
Rechtsrahmen für neue Investitionswelle weitgehend komplett
Der revidierte Plan ist sehr ambitioniert und die Umsetzung wird den Behörden auf allen Ebenen viel abverlangen. Die staatliche Verwaltung durchläuft derzeit eine grundlegende Reform. Vier Ministerien sind im 1. Quartal 2025 durch Zusammenlegungen weggefallen, 20 Prozent der Staatsbediensteten sollen ihren Job verlieren. Auch die Anzahl der Provinzen wird von 63 auf 34 sinken. Mittelfristig könnte die Reform tatsächlich Vorhaben erleichtern, aber zunächst erwarten Unternehmer längere Genehmigungsverfahren.
Auf der Habenseite gibt es einen neuen Rechtsrahmen für erneuerbare Energien, der in den letzten Monaten im Eiltempo mit einer Vielzahl von Dekreten komplettiert worden ist. Dabei geht es vor allem um direkte Abnahmeverträge (direct purchasing power agreements), die jetzt zwischen privaten Erzeugern und privaten Großabnehmern von Strom möglich sind. Auch die Regeln für Aufdachsolaranlagen sind vereinfacht worden. Wenn kein Netzanschluss erfolgt, gibt es etwa für Industrieparks keine Obergrenze mehr. Das dürfte zahlreiche Projekte für Exportfirmen anstoßen, die seit Jahren den garantierten Zugang zu grünem Strom verlangen.
Noch fehlen die Höchstpreise für die Vergütung von Batteriespeichern als Grundlage etwaiger Preisverhandlungen zwischen EVN und den privaten Abnehmern. Bei Solarparks auf Land oder auf Wasser gibt es allerdings eine höhere Vergütung, wenn Projekte mit Speichern gekoppelt werden, die mindestens 10 Prozent der Leistung der Anlagen umfassen. Unternehmer sprechen von einer Übergangsphase, in der sich die neuen Regeln erst in der Praxis beweisen müssen. Auch müssen Vorhaben oft erst vorbereitet werden. Deshalb rechnen Beobachter Anfang 2026 mit dem Beginn einer neuen Investitionswelle im Bereich erneuerbarer Energien.
Qualität gewinnt an Stellenwert
Deutsche Firmen wie Enertrag, wpd und PNE haben seit Jahren Projekte vorbereitet und stehen in den Startlöchern. Für deutsche Techniklieferanten in Vietnam hat sich die Konkurrenz aus China verschärft, sowohl bei Wechselrichtern als auch bei Windkraftanlagen. Die Hoffnung ist, dass viele Entwickler auf europäische Anbieter zurückgreifen werden, weil diese mehr Referenzprojekte vorweisen können und als verlässlicher gelten. Etliche Entwicklerfirmen hatten in der letzten Expansionsphase bis 2021 Projekte zu schnell und in schlechter Qualität umgesetzt. Sie hatten dann Probleme, diese weiterzuverkaufen und könnten daher künftig stärker auf Qualität achten.