Mehr zu:
VietnamBau / Baustoffe, Glas, Keramik / Bau, übergreifend
Branchen
Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?
Branchen | Vietnam | Bauwirtschaft
Vietnams Glas-, Fliesen und Sanitäranlagenproduktion kommt unterschiedlich gut mit den Pandemiefolgen zurecht. Lokale Unternehmen müssen sich modernisieren.
27.05.2022
Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Hanoi
Die vietnamesische Glasindustrie konnte sich 2021 trotz der Pandemie behaupten. Das Verkaufsvolumen erreichte laut dem Bauministerium 186 Millionen Quadratmeter. Damit konnte die Branche ihre Umsätze um 24 Prozent gegenüber dem Vorjahr steigern. Dennoch leidet der Sektor unter Überproduktion, insbesondere im Bereich Einfachglas.
Die Branche befindet sich in der Umstrukturierung. Die Regierung hat in ihrem Masterplan zu Baumaterialien (Prime Minister's Decision No. 1266 / QD-TTg vom 18. August 2020) festgelegt, dass sich die Glasindustrie modernisieren muss. Bis 2025 sollen alle Glasbetriebe ihre Produktion auf moderne, energieeffiziente Technologien umstellen. Die Herstellung von Einfachglas soll beschränkt und dafür die Produktion von Spezialglas gefördert werden.
Dominierendes Unternehmen im Glasbereich ist Viglacera. Das ehemalige, mittlerweile teils in private Hände gegangene Staatsunternehmen kooperiert gerade in Bereichen moderner Glasproduktion mit einer Vielzahl ausländischer Akteure. So betreibt Viglacera ein Joint Venture mit dem japanischen Unternehmen Nippon Sheet Glass und produziert in dem Kooperationsunternehmen Vietnam Float Glass Flachglas.
Im Juli 2016 hat Viglacera in der Provinz Bac Ninh zudem das erste Werk in Südostasien zur Produktion von Energiesparglas in Betrieb genommen. Technologie und Ausrüstung lieferte die Von Ardenne GmbH aus Dresden. Das Werk hat eine Kapazität von 2,3 Millionen bis 2,7 Millionen Quadratmeter pro Jahr.
Im Oktober 2020 hat Viglacera in Kooperation mit dem chinesischen Unternehmen China Triumph International Engineering eine Ultraklarglasfabrik mit einer Kapazität von 600 Tonnen pro Tag eröffnet.
Die japanische Nippon Sheet Glass Gruppe ist zudem mit einer eigenen Solarglasproduktion im Land vertreten. Im Januar 2020 hat das Joint Venture eine zweite Schmelzwanne in ihrer Produktion bei Ho Chi Minh City in Betrieb genommen. Das Solarglas geht unter anderem an First Solar, einem der weltweit führenden Herstellern von Solarpaneelen.
Vietnam ist laut Ceramic World der viertgrößte Fliesenproduzent der Welt. Allerdings leidet der Sektor unter dem pandemiebedingten Nachfragerückgang. Nach Angaben des Vietnam Institute for Building Materials setzte die Branche in 2021 rund 440 Millionen Quadratmeter um, ein Rückgang gegenüber dem Vorjahr von 13 Prozent.
Die Analysten des Marktanalyseunternehmens Mordor Intelligence prognostizieren für den Zeitraum 2022 und 2026 ein aggregiertes Branchenwachstum von durchschnittlich bis zu acht Prozent. Die wieder anziehende Bautätigkeit dürfte den Markt im Jahr 2022 wieder beleben.
Die Produktionsqualität insbesondere von Keramikfliesen entspricht mittlerweile internationalen Standards. Allerdings sind die Produktionsanlagen in einem Großteil der vietnamesischen Werke veraltet und vor allem im Hinblick auf den Energieverbrauch ineffizient. Der Wettbewerb, auch durch internationale auf dem vietnamesischen Markt agierende Anbieter und Importe ist stark und wird auf dem lokalen Markt vor allem über den Preis ausgefochten. Gerade die vielen kleinen Branchenunternehmen leiden unter den steigenden Energie- und Ölpreisen. Entsprechend gering sind die finanziellen Spielräume für eine Modernisierung der Produktion.
Zudem fehlt es nicht nur am Budget sondern zu häufig auch an Know how, um in Forschung und Entwicklung neuer Technologien oder Designs zu investieren. Branchenexperten gehen davon aus, dass sich der Markt konsolidieren wird, insbesondere, wenn coronabedingte Projektverzögerungen auf die Nachfrage durchschlagen.
Wichtigster Produzent in Vietnam ist Viglacera. Das Unternehmen hat nach Aufkauf des Konkurrenten Bach Ma Ende 2021 eine Gesamtkapazität von 43 Millionen Quadratmeter pro Jahr erreicht. Zudem investiert Viglacera unter anderem durch den Kauf italienischer Technologie in die Modernisierung der Produktion. Anlagen von Sacmi sollen Viglacera internationale Konkurrenzfähigkeit auch im High-End-Bereich ermöglichen. Weitere wichtige Unternehmen sind laut Vietcombank Securities die Prime Group gefolgt von Unternehmen wie Toko Vietnam, Vitto, Mikado, Royal Ceramic oder Dong Tam. Als Fliesenfertiger im Land aktiv sind zudem ausländisch investierte Unternehmen wie Taicera oder Catalan Ceramics.
Vietnam war 2019 laut dem Branchenportal Ceramic World Web nach China, Mexiko, Indien, Türkei und Thailand der weltweit sechstgrößte Sanitärkeramikexporteur. Das jährliche Branchenwachstum (compound annual growth rate, CAGR) lag zwischen 2009 und 2019 bei 15,6 Prozent. 2021 setzte die Branche laut Bauministerium gut 16 Millionen Produkte ab und konnte damit ihre Umsätze um nominal rund sieben Prozent steigern.
Lokale Unternehmen wie Viglacera, aber auch internationale Branchengrößen wie Lixil oder Toto (beide aus Japan) produzieren in Vietnam für den lokalen sowie den asiatischen und US-amerikanischen Markt. Toto Vietnam erweitert seine Produktion und hat im Januar 2022 mit dem Bau eines fünften Standortes in der nördlichen Provinz Vinh Phuc begonnen, wo der japanische Sanitärhersteller vorwiegend Wasserhähne produzieren will. Toto will knapp 81 Millionen US$ investieren und plant mit einer jährlichen Gesamtkapazität von gut 1,2 Millionen Einheiten.
Der lokale Markt bietet zunehmend Chancen für europäische Ausstatter. Gerade wohlhabende Vietnamesen legen bei Küchen und Bädern Wert auf ein modernes, europäisches Design. Bei Luxusimmobilienprojekten sowie im Hotelbau sind Ausstattungen aus Europa, besser noch „Made in Germany“, beliebt. Die Kunden verlangen dafür entsprechende Belege, zum Beispiel Ursprungszeugnisse und Zertifikate. Sie wollen sichergehen, dass sie keine Nachahmerprodukte erwerben. Zudem erwarten Kunden dem gehobenen Preis entsprechende Beratung und Service. Der Lieferant sollte wiederum bei seinen Kunden strikte Richtlinien bezüglich der Zahlungsmodalitäten durchsetzen.
Dieser Beitrag gehört zu: