Rechtsbericht Vietnam Recht der künstlichen Intelligenz
Vietnam verabschiedet Gesetz über künstliche Intelligenz
Mit dem neuen Gesetz will das Land ein günstiges rechtliches Umfeld für Start-ups schaffen und Projekte im Bereich der digitalen Technologie fördern. (Stand: 01.09.2025)
01.09.2025
Von Dr. Julio Pereira | Berlin
Am 14. Juni 2025 verabschiedete die Nationalversammlung Vietnams das Gesetz über die digitale Technologieindustrie (Luật số: 71/2025/QH15). Im Wesentlichen handelt es sich um ein Gesetz mit Schwerpunkt auf künstlicher Intelligenz (KI) – eines der ersten in Südostasien. Für Vietnam stellt das Gesetz einen bedeutenden legislativen Meilenstein bei der Regulierung der digitalen Wirtschaft insgesamt dar. Das Gesetz kombiniert Maßnahmen zur wirtschaftlichen Förderung mit Kontrollmechanismen. Der vorliegende Bericht erläutert die wichtigsten Punkte des Gesetzes.
Ziele und Grundsätze des Gesetzes
Obwohl das Gesetz Nr. 71/2025 verschiedene Bereiche der digitalen Technologie abdeckt – wie Halbleiter, digitale Vermögenswerte und Infrastruktur –, liegt sein spezifischer Schwerpunkt eindeutig auf künstlicher Intelligenz. Gemäß Art. 4 verfolgt das Gesetz unter anderem folgende Ziele:
- Förderung der Entwicklung künstlicher Intelligenz und ihrer Anwendung in allen Sektoren, Bereichen und Aspekten des wirtschaftlichen und sozialen Lebens;
- Etablierung künstlicher Intelligenz als neues Produktionsmittel;
- Ausgleich zwischen Innovation und ethischen Schutzmaßnahmen, Cybersicherheit und Schutz personenbezogener Daten;
- Entwicklung eines Binnenmarktes für die digitale Technologiebranche.
In Bezug auf KI legt Art. 41 spezifische Grundsätze fest: im Mittelpunkt stehen der Mensch, Steigerung der Produktivität und Achtung der Grundrechte. Darüber hinaus legt der Artikel ausdrücklich die „Kontrolle von Algorithmen” und „Risiken während des gesamten Lebenszyklus von Systemen der künstlichen Intelligenz” fest und gewährleistet die Einhaltung von Verbraucherschutzvorschriften und anderen geltenden Rechtsvorschriften.
Relevante Rechtsbegriffe
KI-System wird im Gesetz definiert als „ein Produkt der Digitaltechnologie”, das Hardware, Software und Daten kombiniert und in der Lage ist, aus den Informationen, die es erhält, zu lernen. Es kann mit unterschiedlichen Graden an Autonomie und Anpassungsfähigkeit arbeiten und Prognosen, Empfehlungen, Inhalte oder Entscheidungen hervorbringen, die sowohl die physische als auch die digitale Welt beeinflussen (Art. 3, Nr. 9).
In Art. 43 legt das KI-Gesetz zwei Kategorien für KI-Systeme fest:
- Hochriskante KI-Systeme: Dies bezieht sich auf Systeme, deren Anwendungen die Gesundheit, die Grundrechte oder die öffentliche Ordnung ernsthaft beeinträchtigen können.
- KI-Systeme mit großer Reichweite: Dies umfasst Systeme mit einer großen Anzahl von Nutzenden, Parametern und Datenmengen.
Beide unterliegen Anforderungen hinsichtlich Datenverwaltung, technischer Überwachung, Transparenz der Dokumentation und verstärkten Cybersicherheitsmaßnahmen. Art. 44 schreibt außerdem die Kennzeichnung von KI-generierten digitalen Inhalten vor, um den Verbraucherschutz zu gewährleisten.
Zuständige Behörde
Art. 5 des KI-Gesetz überträgt der Regierung die Verantwortung für die einheitliche Verwaltung der digitalen Technologiebranche, wobei das Ministerium für Wissenschaft und Technologie als zuständige Behörde für die Umsetzung des Gesetzes eine zentrale Rolle spielt. Dieses Ministerium ist für die Herausgabe technischer Normen, die Pflege des nationalen Informationssystems und die Registrierung von KI-Systemen verantwortlich, die als risikoreich oder weitreichend eingestuft sind (Art. 43, Nr. 3).
Besonderheiten: Investitionsrecht, Visa und Steueranreize
Öffentliche Investitionen und Start-ups
Die Artikel 11, 28 und 29 des Gesetzes befassen sich mit den Mechanismen der öffentlichen Finanzierung und der Förderung von Investitionen in künstliche Intelligenz und innovative Projekte im digitalen Sektor. Art. 11 sieht die Bereitstellung von Mitteln aus dem Staatshaushalt für Projekte im Zusammenhang mit Innovation und digitaler Transformation vor. Art. 28 gewährt der Entwicklung von KI-Systemen, KI-Datenzentren und Halbleitern den Status einer „besonders geförderten Tätigkeit” und sichert direkte Unterstützung für Infrastrukturkosten zu. Art. 29 sieht hingegen öffentliche Mittel für technologiebasierte Start-ups, Unterstützung für die Ausbildung von Fachkräften und Anreize für Forschung und Entwicklung vor. Zusammengenommen zeigen diese Bestimmungen die Absicht des vietnamesischen Staates, rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen, um globale Unternehmen anzuziehen und Innovationen zu fördern.
Visa für Fachkräfte und Steueranreize
Darüber hinaus gewährt Art. 19 hochqualifizierten ausländischen Fachkräften im Bereich der digitalen Technologie Visa und eine befristete Aufenthaltsgenehmigung von bis zu fünf Jahren mit Steueranreizen bei der Einkommensteuer, was für deutsche multinationale Unternehmen, die Fachkräfte entsenden möchten, von zentralem Interesse ist. Art. 12 wiederum legt verbotene Verhaltensweisen fest, wie zum Beispiel die Nutzung von KI zur Verletzung von Grundrechten, der nationalen Sicherheit oder kulturellen Werten, und setzt damit klare Grenzen für unternehmerische Aktivitäten.
Gültigkeit des Gesetzes
Das Gesetz tritt in zwei Phasen in Kraft:
- Phase 1: Die in den Artikeln 11, 28 und 29 vorgesehenen Anreize gelten bereits seit dem 1. Juli 2025.
- Phase 2: Die übrigen Bestimmungen treten am 1. Januar 20226 in Kraft.
Zum Thema:
- GTAI-Publikation Recht kompakt Vietnam