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Wirtschaftsumfeld | Welt | Transport und Logistik

Huthi-Rebellen greifen Welthandel an

Viele Schiffe umfahren derzeit den Suezkanal. Die Waren sind zwar länger unterwegs, aber die globalen Lieferketten halten. Die Frage ist nur, wie lange noch.

Von Sherif Rohayem | Kairo

In Friedenszeiten passieren 12 Prozent des globalen Seehandels das Rote Meer. Seit Mitte Januar ist die Zahl der Schiffe, die auf ihrem Weg zwischen Asien und Europa die Abkürzung durch den Suezkanal nehmen, um 40 Prozent gesunken. Wer sich dennoch traut, zahlt eine um das Zehnfache gestiegene Transportversicherung, zuzüglich einer üppigen Gefahrenzulage für die Besatzung. 

Trotz der Kosten und Gefahren gibt es noch einige Frachter, die sich in die Kampfzone wagen. So berichtet ein Branchenexperte, der anonym bleiben will, dass die Flotte der italienischen Grimaldi nach wie vor den Golf von Aden passiere. Dies lohne sich für Spediteure und Kunden, weil die auf Kraftfahrzeuge spezialisierte Reederei einen Aufschlag von gerade mal 10 Prozent pro Auto nehme. 

Frachtraten haben sich vervierfacht

Für diejenigen, die den Umweg nehmen, verlängert sich die Reise um bis zu zwei Wochen. Die Folge: Es stehen wieder weniger Schiffe und Container zur Verfügung, was sich unmittelbar auf die Frachtraten auswirkt. So sind die Kosten für Container von China zum Mittelmeer seit vergangenem November um das Vierfache gestiegen – gleichwohl liegen die Preise deutlich unter dem Niveau zu Zeiten der Coronakrise, als sie Preise bis zu 20.000 US-Dollar (US$) erreichten.

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Lieferketten nur in Einzelfällen gestört – bislang

Trotz der Verzögerungen haben die Angriffe im Roten Meer nur begrenzte Auswirkungen auf die globalen Lieferketten und die Inflation. Nur in Einzelfällen kommt es zu Störungen. Zum Beispiel in der Automobilindustrie, die mit ihren kleinteiligen und dichten Lieferketten besonders anfällig ist. So berichtet das Online-Magazin Factory, dass Tesla einen Großteil seiner Fahrzeugproduktion im Werk Grünheide in Brandenburg bis zum 11. Februar 2024 eingestellt hat. Aufgrund der Ereignisse im Roten Meer und der dadurch verschobenen Transportrouten fehle es dem Hersteller von elektrischen Autos an Bauteilen. 

Aus den gleichen Gründen hat Volvo nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters Mitte Januar 2024 die Produktion seiner Pkw im belgischen Gent für drei Tage gestoppt. Betroffen ist auch die Bekleidungsindustrie, die zu großen Teilen in Fernost fertigen lässt und von dort die Welt beliefert.

Weniger Kraftstoff passiert den Suezkanal

Weil die Lieferverzögerungen und die gestiegenen Transportkosten vergleichsweise moderat geblieben sind, ist auch der Druck auf die globale Inflation gering. Dennoch sind die Zentralbanken alarmiert und erwägen laut einem Artikel des Finanznachrichtendienstleisters Bloomberg von Ende Januar 2024, ihre geplanten Leitzinssenkungen aufgrund des Konflikts und des damit verbundenen Inflationsrisikos zu verschieben. Der Artikel zitiert eine Studie von JP Morgan & Chase. Darin prognostizieren die Analysten der US-amerikanischen Bank für die erste Hälfte des laufenden Jahres einen Anstieg der globalen Inflation um 0,7 Prozentpunkte – sollte die Situation unverändert bleiben. 

Tatsächlich hat sich die Situation verändert, als Huthi-Rebellen im Februar 2024 erstmals einen Öltanker russischer Herkunft angriffen. Seit die westlichen Staaten Sanktionen gegen Russland verhängt haben, ist die Bedeutung des Roten Meeres als Transportroute für russischen Treibstoff gestiegen. Wenn diese Route nun auch für russische Tanker nicht mehr sicher ist, zieht das Kreise bis in die Länder, die russisches Öl sanktioniert haben. Grund dafür ist der hohe Anteil des russischen Erdöls an der weltweit gehandelten Gesamtmenge. Folglich stieg der globale Ölpreis unmittelbar nach der Attacke um 2 US$. Mittlerweile meiden nicht nur Containerschiffe, sondern auch die meisten Öl- und Gastanker das Rote Meer. 

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Weitere Störungen im Schiffsverkehr könnten Lieferketten unterbrechen

Lieferketten drohen zu reißen, wenn zu den Huthi-Angriffen eine weitere Störung auf einer anderen für den Seehandel wichtigen Route hinzukommt. Kein unwahrscheinliches Szenario, zumal sich die Lage im Roten Meer nicht allzu schnell zu beruhigen scheint. So erklärten Vertreter der dänischen Reederei Maersk und der japanischen Mitsui OSK gegenüber Bloomberg, dass ihrer Meinung nach die Situation im Roten Meer weiter eskalieren beziehungsweise noch ein Jahr andauern werde. Zum einen, weil die verschiedenen militärischen Gegenmaßnahmen vor allem der USA im Roten Meer wenig Erfolg zeigen. Zum anderen ist ein Ende des Krieges in Gaza nicht absehbar.

Dr. André Wortmann, Leiter des Maritimen Kompetenzzentrums bei PricewaterhouseCoopers, sagte im Rahmen eines Webinars der Industrie- und Handelskammer Düsseldorf von Anfang Februar 2024, dass es auf den Weltmeeren noch andere riskante Routen für die internationale Schifffahrt gebe. Angesichts ihrer Vielzahl sei es nur eine Frage Zeit, bis es zur nächsten Störung des Seehandels komme. Sollte es zu einer weiteren Störung kommen, würden Reedereien schnell an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen. Das liege laut Wortmann daran, dass die Branche aufgrund ihrer Kapitalintensität in hohem Maße auf Effizienz getrimmt sei. Moderne Schiffe sind sehr teuer in der Anschaffung und im Unterhalt. Reedereien halten daher keine Reserveflotte vor, falls die erste Flotte länger als geplant unterwegs ist. 

Ägypten: Einnahmen aus Suezkanal um 50 Prozent eingebrochen

Derweil ist Ägypten schon jetzt von dem bewaffneten Konflikt im Roten Meer betroffen, und zwar in Form von rückläufigen Einnahmen aus dem Suezkanal. Diese sind im Januar 2024 gegenüber dem Vorjahr um fast die Hälfte auf 428 Millionen US$ gesunken. Angesichts einer grassierenden Wirtschaftskrise erreicht dieser Einbruch an Deviseneinnahmen Ägypten zur Unzeit. 

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