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Wirtschaftsumfeld | Ägypten | Gaza-Krieg

Krieg in Gaza bedeutet mehr denn je: Ägypten muss stabil bleiben

Mit dem Krieg im Nahen Osten wächst die geopolitische Bedeutung Ägyptens - und die Verhandlungsmacht gegenüber seinen Partnern. Ein Kriegsgewinner ist das Land aber nicht.

Von Sherif Rohayem | Kairo

In Gaza und Sudan herrschen Krieg. Gleichzeitig kämpft Ägypten mit der schwersten Wirtschaftskrise seit Jahren - ist aber noch stabil. Dass das so bleibt, ist wichtiger denn je - zumal Ägypten mittlerweile eine halbe Millionen sudanesische Flüchtlinge aufgenommen hat und im Krieg zwischen der Hamas und Israel als relativ glaubwürdiger Vermittler agiert.

Ägyptische Staatsanleihen mit hohen Kursgewinnen

Noch bis vor kurzem war bei den traditionellen Partnern Ägyptens wie den USA, der Europäischen Union (EU) und einigen Golfstaaten nach zahlreichen Hilfsprogrammen, Notkrediten und Einlagen eine gewisse Ägypten-Verdrossenheit zu beobachten. Diese Haltung dürfte inzwischen überholt sein. Vielmehr hat das Bedrohungsszenario eines Abrutschens des bevölkerungsreichsten Landes der Region wieder an Schrecken und die Regierung in Kairo an Verhandlungsmacht gewonnen.

Dieser geopolitische Bedeutungszuwachs manifestiert sich laut dem Informationsdienstleister Bloomberg in steigenden Kursen an den internationalen Finanzmärkten. Denn seit dem Angriff der Hamas auf Israel verzeichnen Dollar-nominierte, ägyptische Staatsanleihen die höchsten Kursgewinne im Nahen Osten. Angesichts einer Staatsverschuldung von 167 Milliarden US$ oder 35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes sind das seltene, gute Nachrichten. 

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IWF wird auf Wechselkursfreigabe pochen

Wie Ägypten seine verbesserte Verhandlungsposition nutzen wird, stellt sich zunächst im Verhältnis zum Internationalen Währungsfonds (IWF). Diesem schuldet das Land bereits 22 Milliarden US$. Einen weiteren Kredit in Höhe von 3 Milliarden US$ bewilligte der Fonds Ende 2022. Nachdem das Washingtoner Geldinstitut die erste Tranche in Höhe von 490 Millionen US$ ausgezahlt hat, hält es die zweite Tranche zurück, weil Ägypten eine zentrale Forderung nicht erfüllen will. Gemeint ist die Freigabe des Wechselkurses des ägyptischen Pfundes

Hintergrund dieses Unwillens sind drei vorangegangene Abwertungen, in deren Folge das Pfund seit dem Frühjahr 2022 die Hälfte seines Außenwertes gegenüber dem US$ verloren hat. Daraufhin schnellte die Teuerungsrate auf knapp 40 Prozent in die Höhe. Eine noch höhere Inflation wäre mit sozialen Härten verbunden, deren Folgen kaum absehbar sind. Trotz dieser Härten wird nach Aussagen eines Diplomaten, der aufgrund der laufenden Verhandlungen mit dem IWF anonym bleiben will, der Währungsfonds bei seiner Linie bleiben und auf die Freigabe des ägyptischen Pfundes pochen.

Ägypten könnte höhere Kreditsumme vom IWF aushandeln

Die Kursfreigabe ist sowohl kurz- als auch mittelfristig im Interesse Ägyptens. Erstens muss die Regierung knappe Devisen aufwenden, um die Bindung an den Dollar aufrechtzuerhalten. Zweitens ist eine Abwertung erforderlich, um die Hartwährung, die aufgrund der besseren Notierung im Schwarzmarkt verschwunden ist, wieder in offizielle Kanäle zu leiten. Dadurch würde das Geld der Wirtschaft zur Verfügung stehen und der seit mehr als zwei Jahren gestörte Außenhandel könnte wieder normal verlaufen.

In der gegenwärtigen Situation wäre aus ägyptischer Sicht eine Aufstockung der Kreditsumme durch den IWF hilfreich. Das könnte Investoren dazu bewegen, ihr Kapital wieder Richtung Ägypten zu lenken - idealerweise in Mengen, um ein Devisenpuffer aufzubauen. Ausgestattet mit einem solchen Puffer wäre eine Abwertung, die Anfang 2024 nach der Präsidentschaftswahl erwartet wird, weniger einschneidend.

Golfnachbarn und EU unterstützen Ägypten

Bei dem Aufbau dieses Devisenpolsters unterstützen mutmaßlich Ägyptens verbündete vom Golf. So berichteten lokale Medien Ende Oktober 2023, dass Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate einen Betrag von insgesamt 5 Milliarden US$ bei der ägyptischen Zentralbank hinterlegen wollen. Außerdem zitierte Reuters im November 2023 eine Bankerin aus Abu Dhabi, die davon ausgeht, dass einige Golfländer sich durchringen und der ägyptischen Regierung helfen werden.

Das Entgegenkommen seiner Partner bräuchte Ägypten auch bei den Verhandlungen über die Beteiligungsverkäufe ägyptischer Staatsunternehmen. Dissens gibt es hier bei zwei Punkten: Zunächst hätten die potenziellen Käufer vom Golf gerne Mehrheitsbeteiligungen, was in Ägypten unpopulär ist. Außerdem wollen die Interessenten erst nach einer Abwertung zuschlagen, weil dann ihre Kaufkraft steigt. Ägypten benötigt die Devisen aber gerade vor einer Abwertung. In diesem Sinne war der jüngste Erwerb von Minderheitsbeteiligungen von drei staatlichen ägyptischen petrochemischen Unternehmen durch den Vermögensfonds von Abu Dhabi im Wert von 800 Millionen US$ eine Transaktion wie Ägypten sie noch mehrmals benötigt. 

Schließlich berichtet Bloomberg Mitte November 2023 unter Berufung auf anonyme Quellen, dass auch die EU Ägypten helfen will. Unter anderem möchte die Union einen Betrag von knapp 10 Milliarden US$ in verschiedene Wirtschaftszweige investieren, um die Folgen des Krieges im ägyptischen Grenzgebiet aufzufangen.

Tourismus droht in Folge des Gaza-Krieges einzubrechen

Selbst wenn es aus ägyptischer Sicht mit den IWF-Verhandlungen und den Unternehmensverkäufen ideal liefe, so ist das Land kein Kriegsgewinner. Als Folge des Gaza-Krieges steht der Tourismus vor dem nächsten Einbruch. Ein Manager von Hilton Ägypten, der anonym bleiben möchte, berichtet von 30 Prozent Stornierungen, bei dem Tourismusriesen Travelco sind es Medienberichten zufolge sogar 50 Prozent. 

Außerdem hat Israel nach dem Angriff der Hamas den Betrieb seines Tamar-Gasfeldes vor der Mittelmeerküste eingestellt und in der Folge die kompletten Gaslieferungen nach Ägypten. Nun wurden die Lieferungen zwar wieder aufgenommen, jedoch deutlich unter dem Vorkriegsniveau. Die Mangellage an Erdgas, die Ägypten seit dem Hochsommer plagt, hat sich nun verschärft.

Schließlich steht Ägyptens gestärkte Verhandlungsposition unter dem Vorbehalt, dass der Konflikt sich nicht ausweitet. Experten halten es zwar für unwahrscheinlich, dass sich der Konflikt ausweitet. Sie können es aber auch nicht ausschließen. 

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