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Zollbericht WTO WTO

Blockade der WTO-Streitschlichtung: Wie geht es weiter?

Die WTO befindet sich derzeit in turbulenten Zeiten, sodass ein zukunftsfähiges Handelssystem unausweichlich scheint.

Von Dr. Melanie Hoffmann | Bonn

Seit dem 10. Dezember 2019 verfügt das Streitschlichtungsgremium der WTO nicht mehr über die Mindestzahl von drei Richtern, sodass derzeit über keine neuen Berufungen entschieden werden kann.

Zur Überwindung dieser Blockade sind bereits die Europäische Union (EU) und weitere WTO-Mitglieder tätig geworden. Eine Übergangslösung wurde geschaffen, die am 15. April 2020 vom Europäischen Rat genehmigt und am 30. April 2020 der WTO mitgeteilt wurde.

Aber wie geht es weiter? Welche Schritte bereits eingeleitet wurden und was noch folgt, können Sie hier chronologisch (von unten nach oben) nachverfolgen. 

  • Funktionsfähiges WTO-Streitbelegungssystem nicht in Sicht

    Das im Rahmen der 12. Ministerkonferenz (MC12) vereinbarte Ziel, ein funktionsfähiges Streitbelegungssystem bis spätestens 2024 wiederherzustellen, wurde nicht erreicht.

    Auch wenn das anvisierte Ziel nicht erreichte wurde, wurden bedeutende Fortschritte bei den Gesprächen über die Reform der Streitbeilegung erreicht, so der Vorsitzende des Allgemeinen Rates. Zusammenfassend erklärte er bei einer Sitzung Mitte Dezember den bisherigen Fortschritt: Die Mitglieder verfügen über einen Entwurf eines Verhandlungsdokuments zu Reformen im Berufungs- und Überprüfungsverfahren. Dieser Entwurf würde die Überprüfung von Ansprüchen auf Berufung/Überprüfung eingrenzen, die Rollen der Entscheidungsträger bei der Bewertung der objektiven Faktenprüfung durch ein Gremium klarstellen, die Zwischenprüfungsphase zur Fehlerkorrektur verbessern und die Einhaltung der verfahrensrechtlichen Zeitvorgaben stärken.

    Ministerbeschluss zur Reform der Streitbeilegung auf MC13 verabschiedet

    Bei der MC13 im Jahr 2024 wurden keine konkreten Fortschritte erzielt, doch die Mitglieder vereinbarten, die Gespräche fortzusetzen und das Ziel der MC12 zu bekräftigen. Ein Ministerbeschluss anerkennt bisherige Fortschritte und fordert alle Mitglieder zur weiteren Teilnahme und Klärung offener Fragen auf.

    Weitere Informationen:

    Von Dr. Melanie Hoffmann | Bonn

  • EU erhält Befugnisse bei blockierten WTO-Schlichtungsverfahren

    Die neue Vorschrift erlaubt es der EU, Gegenmaßnahmen bei Blockaden von WTO-Streitbeilegungsverfahren zu ergreifen. 

    Die Europäische Union (EU) hat neue Vorschriften verabschiedet, die sich auf die Durchsetzungsverordnung (EU) Nr. 654/2014 beziehen. Die EU soll mit diesen Vorschriften die Möglichkeit erhalten, eigene Handelsinteressen gegen illegal handelnde Partner zu schützen. Der EU wird es damit ermöglicht, Gegenmaßnahmen gegen die Länder zu ergreifen, die Handelsregeln verletzen und gleichzeitig die Beilegung von Streitigkeiten blockieren.

    Der Anwendungsbereich der Verordnung wurde stark ausgeweitet. Die Verordnung deckt nun Streitigkeiten im Zusammenhang mit Waren, Dienstleistungen sowie bestimmten Rechten an geistigem Eigentum ab. Zudem wird sichergestellt, dass die Kommission auch solche Verstöße untersucht, die sich negativ auf Arbeitnehmer oder die Umwelt auswirken. Solche Verstöße sollen die gleiche Aufmerksamkeit erhalten wie die Verstöße gegen den Marktzugang. 

    Weiterhin ist die Einführung eines Instruments vorgesehen, welches die EU vor Zwangsmaßnahmen durch Drittländer schützen soll. Die Kommission wird aufgefordert, dazu bis spätestens Ende 2021 ein Gesetz vorzuschlagen.

    Die Änderungen auf den Punkt gebracht

    Die neuen Vorschriften verbessern die Durchsetzung der EU, indem folgende Änderungen eingeführt werden:

    • Die EU wird ermächtigt, Maßnahmen zum Schutz ihrer Handelsinteressen in der WTO und im Rahmen bilateraler Abkommen zu ergreifen, wenn ein Handelsstreit blockiert wird, obwohl die EU nach Treu und Glauben bemüht ist, die Streitbeilegungsverfahren einzuhalten (Zuvor durften erst dann Gegenmaßnahmen eingeleitet werden, wenn der Streitbeilegungsprozess vollständig durchlaufen wurde)
    • Ausweitung des Geltungsbereichs der Verordnung und möglicher handelspolitischer Gegenmaßnahmen gegen Dienstleistungen und bestimmter handelsbezogener Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (IPR) (Zuvor waren nur Gegenmaßnahmen bei Waren erlaubt) 

    Quellen/Weitere Informationen

    Von Dr. Melanie Hoffmann | Bonn

  • Mehrparteien-Übergangsvereinbarung in Kraft getreten

    Ein weiteres Land beteiligt sich an der Übergangsvereinbarung zur Beilegung von Handelsstreitigkeiten. 

    Die Übergangsvereinbarung zur Beilegung von Handelsstreitigkeiten wurde am 30. April 2020 der Welthandelsorganisation (WTO) weitergeleitet. Diese Mitteilung markierte den Beginn der Mehrparteien-Schlichtungsvereinbarung (Multi-party interim appeal arbitration arrangement/MPIA). 

    Damit können die teilnehmenden Mitglieder sich auf ein zweistufiges Streitbeilegungsverfahren in der WTO stützen und von einer verbindlichen Beilegung profitieren und eine unabhängige und unparteiische Überprüfung der Panelberichte bewirken.

    Folgende Staaten haben der Vereinbarung bisher zugestimmt (Stand: Mai 2025): Australien; Benin; Brasilien; Kanada; China, Chile; Kolumbien; Costa Rica; die Europäische Union; Ecuador; Guatemala; Hongkong, China; Island; Japan; Macao, China; Mexiko; Montenegro; Neuseeland; Nicaragua; Norwegen; Pakistan; Paraguay; Peru; Philippinen; Singapur; Schweiz; Ukraine und Uruguay. Weitere Staaten können der Vereinbarung jederzeit beitreten. 

    Der Richterpool besteht aus zehn Richtern. Sollte eine Partei gegen einen WTO-Panelbericht Berufung einlegen, so werden drei Mitglieder des Richterpools nach dem Zufallsprinzip ausgewählt und angehört. 

    Die Mitteilung der Europäischen Kommission lesen Sie hier. Weitere Informationen entnehmen Sie dem WTO-Dokument.

    Von Dr. Melanie Hoffmann | Bonn

  • Ist die Streitschlichtung der WTO am Ende?

    Warum ein WTO-Mitglied die Nachbesetzung blockiert.

    Am 10. Dezember 2019 endet die Amtszeit zwei der drei verbliebenen Berufungsrichter des Streitschlichtungsgremiums der WTO. Mit diesem Ereignis gehen dem anerkannten Verfahren nicht nur zwei erfahrene Richter verloren, sondern es droht ein Stillstand der Berufungsinstanz. Die USA blockieren seit Jahren die Nachbesetzung neuer Berufungsrichter, sodass heute die Mindestanzahl zur Entscheidungsfindung von drei Richtern nicht mehr gewährt werden kann. Gründe dieser Blockade seien u.a. die Kompetenzüberschreitung der Berufungsrichter und die lange Verfahrensdauer.

    Aber wie geht es weiter? Der damalige Generaldirektor Roberto Azevêdo sieht diese Situation selbstverständlich als ernsthafte Herausforderung, jedoch nicht als das Ende des multilateralen Handelssystems. Die bestehenden Regeln der WTO gelten weiterhin, dennoch muss eine Lösung zur Fortführung des Streitbeilegungssystems gefunden werden. Die EU setzt auf eine Übergangslösung und arbeitet entsprechende Pläne aus. Wie die WTO in Zukunft schlichtet, bleibt vorerst abzuwarten.

    Eins ist jedoch klar: Ohne Streitschlichtungsgremium und eine verlässliche Regeldurchsetzung steigt die Unsicherheit der Wirtschaft. Mit Blick auf die Zollkonflikte könnte dies unkalkulierbare Handelskonflikte und Auswirkungen auf Wertschöpfungsketten und Zukunftsinvestitionen bedeuten. 

    Von Dr. Melanie Hoffmann | Bonn

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