Wirtschaftsausblick | Zypern
Zyprische Wirtschaft wächst schneller als der EU-Durchschnitt
Die Wirtschaft Zyperns soll 2025 um 3 Prozent wachsen. Vor allem Investitionen aus dem EU-Aufbaufonds beleben die Konjunktur. Ein wichtiges Projekt stockt allerdings.
01.07.2025
Von Michaela Balis | Nikosia
Top Thema: Bau des internationalen Stromkabels bleibt ungewiss
Die zyprische Regierung plant, den Bau des Abschnitts Zypern-Griechenland des Unterseestromkabels "Great Sea Interconnector" zwischen Israel, Zypern und Griechenland mit einem Kredit über 100 Millionen Euro aus dem EU-Aufbaufonds zu unterstützen. Der Bau ist noch nicht sicher. Es gibt Verzögerungen bei der Vergabe der Genehmigungen für Untersuchungen des Meeresbodens. Verantwortlich hierfür ist das angespannte Verhältnis zur Türkei.
Ausschlaggebend ist jedoch der finanzielle Teil: Die Projektkosten belaufen sich auf 1,9 Mlliarden Euro. Das Projekt wird als sogenanntes Europäisches Projekt von gemeinsamem Interesse (PCI) mit 657 Millionen Euro aus EU-Töpfen kofinanziert. Den Rest müssen die beiden Länder über einen Zeitraum von 35 Jahren beisteuern. Hier kommt es zu Spannungen: In Griechenland müssen die Stromverbraucher voraussichtlich bereits ab dem 1. Juli 2025 ihren Beitrag für den Bau des Kabels zahlen. Die zyprische Seite wartet ab und will erst im Jahr 2029 mit den Zahlungen beginnen. Der Betrag soll aus den Einnahmen der Versteigerung von Emissionsberechtigungen stammen.
Das Kabel zwischen Zypern und Kreta soll Anfang 2026 verlegt werden. Das bestätigt der Träger des Projekts, der griechische Übertragungsnetzbetreiber Admie. Der Abschnitt Israel-Zypern liegt wegen der Nahostkrise auf Eis.
Wirtschaftsentwicklung: Spürbares Wachstum erwartet
Laut der EU-Kommission liegt Zypern 2025 mit einem prognostizierten Wachstum von 3 Prozent weit über dem EU-Durchschnitt von 1,1 Prozent. Im Jahr 2026 soll die Wirtschaft etwas langsamer zulegen. Vor allem Investitionen, die aus dem EU-Aufbaufonds kofinanziert werden, treiben die Entwicklung an. Auch der private Konsum stützt das Wachstum. Die Inflation ist rückläufig und wird für 2025 auf rund 2 Prozent geschätzt. Diese Entwicklung stärkt die Kaufkraft der privaten Haushalte. Ebenso die Gehaltserhöhungen, die dem zyprischen Arbeitsminister zufolge seit 2023 nominal bei durchschnittlichen 13 Prozent pro Jahr liegen.
Die direkten Auswirkungen der US-Zollpolitik sind begrenzt. Nur rund 1,5 Prozent der zyprischen Exporte gehen in die USA. Indirekt könnten der Tourismus sowie die Exporte Zyperns in wichtige Handelspartner der USA leiden. Geopolitisch ist die Wirtschaft des Inselstaates aufgrund seiner Lage im östlichen Mittelmeer großen Risiken ausgesetzt. Als isolierter Strommarkt ist die Insel bei der Energieerzeugung zu rund 70 Prozent von Erdölimporten abhängig. Somit ist die Wirtschaft extrem anfällig für externe Preisschocks oder für kriegsbedingte Störungen bei der globalen Schifffahrt.
Gefährdet ist auch die Immobilienbranche. Etwa 45 Prozent der Käufer sind Investoren aus Drittländern (Stand 2024). Nach dem russischen Käuferpool bricht nun kriegsbedingt mit Israel die zweitwichtigste Käufergruppe weg.
Ungelöst bleibt der Zypernkonflikt, die Besetzung des Nordteils durch die Türkei seit 1974. Die Economist Intelligence Unit schätzt die Wahrscheinligkeit, dass der Konflikt gelöst werden kann, auf 20 Prozent. Die Vereinten Nationen bemühen sich um eine neue Verhandlungsrunde zwischen Zypern und der Türkei. Das gespannte Verhältnis zur Türkei hält an. Gespräche über einen möglichen NATO-Beitritt Zyperns mögen die Lösung beschleunigen.
Erste Abkommen für die Erdgasvermarktung geschlossen
Zypern und Ägypten unterzeichneten im Februar 2025 zwei Abkommen für die Förderung und Vermarktung des zyprischen Erdgases. Es handelt sich um die Vorkommen im Block 6 und im Feld "Aphrodite". Förderungsrechte haben jeweils ein Konsortium bestehend aus der US-amerikanischen Erdölgesellschaft Chevron, der israelischen NewMed Energy und dem Unternehmen BG Cyprus mit Sitz im Vereinigten Königreich sowie die internationalen Konzerne Eni aus Italien, TotalEnergies aus Frankreich.
Das Erdgas soll ab 2027 gefördert werden. Ein Teil wird für die Stromerzeugung genutzt, ein anderer Teil exportiert.
Verlängerung der Fristen des EU-Aufbaufonds in Sicht
Im Dezember 2024 beantragte die zyprische Regierung die Auszahlung der 5. Tranche aus dem EU-Aufbaufonds. Damit erhält Zypern insgesamt 568 Millionen Euro von den 1,23 Milliarden Euro, fast die Hälfte des gesamten Betrags, gibt das zyprische Finanzministerium an (Stand Juni 2025).
Die Projekte des EU-Aufbaufonds müssen bis Ende August 2026 abgeschlossen sein. Die letzte Zahlung seitens der EU soll Ende 2026 erfolgen. Mitte Juni 2025 beschloss das Europarlament eine 18-monatige Verlängerung für reife Projekte bei der EU zu beantragen.
Zu den laufenden Projekten des EU-Aufbaufonds zählen:
- Modernisierung öffentlicher Krankenhäuser
- Einrichtung eines neuen Blutzentrums / Anschaffung medizintechnischer Geräte
- Anschaffung eines IKT-Systems für das Gesundheitswesen
- Anschaffung und Installation intelligenter Strom- und Wasserzähler
- Installation von PV-Anlagen zum Aufladen von Elektrofahrzeugen
- Modernisierung der Zolldienste
Zyperns Außenhandel rückläufig
Die zyprischen Importe aus Deutschland stiegen 2024 um rund 2 Prozent. Die deutschen Pharmalieferungen legten um die Hälfte zu. Auch importierte Zypern knapp 7 Prozent mehr elektrische Maschinen dank der Anschaffungen, die vom EU-Aufbaufonds kofinanziert werden. Zypern importierte rund 17 Prozent mehr deutsche Milchprodukte.
Die Gesamtimporte und -exporte Zyperns sind 2024 um rund 5,5 beziehungsweise knapp 12 Prozent zurückgegangen. Ein Grund ist der Einbruch im Bootsbau, der für 17 Prozent der Exporte steht. Wichtigster Handelspartner Zyperns bleibt Griechenland, gefolgt von Italien und China. Deutschland liegt auf Platz 4. Zu den wichtigsten Exportgütern Zyperns zählen Erdölprodukte, Transportausrüstung, Arzneimittel sowie der Käse Halloumi. Zu den wichtigsten Importgütern zählen Erdölprodukte sowie Pharmaerzeugnisse, Kfz, Schiffe und Maschinen.
Deutsche Perspektive: Zypern etabliert sich als Start-up-Hub
Die Regierung steckt 20 Millionen Euro aus dem EU-Aufbaufonds in den Fonds "Equity Fund", um mit dem Europäischen Investitionsfonds und privaten Investoren Start-ups und innovative KMU mit rund 37,5 Millionen Euro zu unterstützen. "Das zyprische Start-up-Ökosystem befindet sich in einer spannenden Wachstumsphase: international geprägt, politisch unterstützt und von Jahr zu Jahr sichtbarer", sagt Alexander Jahn, Managing Partner des Medienunternehmens Doers Company mit Sitz in Zypern. "Internationale Gründer entdecken die Insel zunehmend als strategischen Standort zwischen Europa und dem Nahen Osten."
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