In der italienischen Abfallwirtschaft gibt es viele Start-ups und einige größere Cluster. Ein Entwicklungsschwerpunkt ist die Anwendung künstlicher Intelligenz.
Kennzeichnend für die italienische Abfallentsorgung sind eine im europäischen Vergleich hohe Recyclingquote und eine relativ geringe Bedeutung der energetischen Verwertung. So haben italienische Entsorger 2023 laut Eurostat 72,3 Prozent des Haushaltsmülls wiederaufbereitet, jedoch nur 23,4 Prozent verbrannt und 2,7 Prozent verkippt. Der Rest wurde anderweitig entsorgt. EU-weit wurden im selben Jahr 51,3 Prozent der Abfälle energetisch verbrannt, 13,8 Prozent recycelt und 32,3 Prozent deponiert.
Abfallentsorger sind unterschiedlich strukturiert
Großstädte beauftragen ein Unternehmen mit der Abfallentsorgung. Diese können in städtischem Besitz oder privatwirtschaftlich sein und auch andere Dienstleistungen, etwa die Strombelieferung von Endabnehmern, anbieten. Kleine Kommunen bilden zur Abfallentsorgung oft gemeinsame Konsortien oder Verbände. Letztere heißen Ambito di Raccolta Ottimale (ARO) oder Ambito Territoriale Ottimale (ATO).
Kommunen mit weniger Einwohnern haben höhere Pro-Kopf-Ausgaben für die Abfallbehandlung. In dünner besiedelten Gebieten sind die Gebühren daher höher: Während im bevölkerungsreichen Norditalien 2024 im Schnitt 178 Euro pro Haushalt anfielen, waren es in südlichen Regionen 199 Euro und in Mittelitalien 222 Euro. Dieses Problem wird sich wegen der geringen Geburtenrate und der Abwanderung aus strukturschwachen in wirtschaftsstarke Gebiete in den kommenden Jahren noch verstärken.
Hilfreich sind da EU-Fördergelder aus der Aufbau- und Resilienzfazilität in Höhe von 2,1 Milliarden Euro. Davon fließen 1,5 Milliarden Euro in neue und zu modernisierende Abfallbehandlungszentren und 600 Millionen Euro in Leuchtturmprojekte in der Kreislaufwirtschaft. Die Aufbau- und Resilienzfazilität läuft noch bis 2027.
Italien erfüllt bereits fast alle EU-Recyclingziele für 2030
Die Wiederverwertungsquoten der Wertstoffe Papier, Glas, Holz, Aluminium und Stahl waren bereits 2023 zum Teil deutlich höher als die Raten, die Italien 2030 laut Vereinbarung mit der EU vorweisen muss. Erheblicher Investitionsbedarf besteht jedoch noch beim Recyceln von Elektro- und Elektronikschrott: Diese Quote muss sich zwischen 2024 und 2030 noch mehr als verdoppeln, von 30 Prozent auf 65 Prozent. Auch bei Kunststoffen erreicht Italien die EU-Vorgabe für 2030 noch nicht.
Zur Behandlung einzelner Wertstoffe hat die Abfallwirtschaft Konsortien gebildet. Diese heißen für biologisch abbaubare Kunststoffe Biorepack und für alle anderen Plastikverpackungen Corepla, für Papier Comieco, für Glas Coreve , für Holz Rilegno, für Aluminium Cial und für Stahl Ricrea. Zuständig für Elektro- und Elektronikschrott ist die Institution RAEE.
Italien weißt eine hohe Wiederverwertung bei fast allen Abfallsorten aufRecycling 2023 nach Wertstoffen in Italien; Aufkommen in Tausend Tonnen; Quoten in Prozent Wertstoff | Abfallaufkommen | Recyclingquote | Recyclingzielquote 2030 1) |
|---|
Papier | 3.727,0 | 92,3 | 85,0 |
Glas | 2.317,5 | 77,4 | 75,0 |
Stahl | 394,3 | 87,8 | 80,0 |
Biomüll | 7.470,5 | k.A. | k.A. |
Aluminium 2) | 91.500 | 68,2 | 60,0 |
Holz | 1.048,0 | 64,9 | 30,0 |
Kunststoffe | 1.722,8 | 48,0 | 55,0 |
Elektro-, Elektronikschrott 2) | 1.824,6 | 29,6 | 65,0 |
1 laut Vereinbarung mit der Europäischen Kommission; 2 Im Jahr 2024. Quelle: ISPRA 2025, RAEE 2025; Cial 2025
Es gibt regionale Unterschiede bei der Kommunalmüllaufbereitung
Alle italienischen Regionen recyceln mehr als im EU-Schnitt. Die Quoten variieren dabei jedoch stark. Tendenziell haben norditalienische Gebiete höhere Recyclingquoten als in Mittel- und Süditalien. Die niedrigsten Raten gab es 2023 in Kalabrien mit 54,8 Prozent, auf Sizilien mit 55,2 Prozent, in Latium mit 55,4 Prozent und in Kampanien mit 56,6 Prozent. Aber auch das norditalienische Ligurien hat 2023 mit einer Recyclingquote von 58,3 Prozent das EU-Ziel für 2030 noch nicht erreicht.
Je Einwohner fielen in Italien 2022 laut Eurostat 3.212 Kilogramm an Abfall an. Diese Summe ist im europäischen Vergleich gering: Im EU-Schnitt waren es 55,1 Prozent und in Deutschland 44,4 Prozent mehr. Insgesamt betrug das Abfallaufkommen 2022 in Italien 189,6 Millionen Tonnen.
Künstliche Intelligenz findet zunehmend Anwendung
Eine intensive Forschungs- und Entwicklungstätigkeit gibt es in der Nutzung künstlicher Intelligenz (KI) in der Abfallwirtschaft, etwa um Prozessabläufe und Materialflüsse zu optimieren. So ist das Unternehmen Recycleye unter anderem auf KI-gestützte Sortierroboter spezialisiert. KI-automatisierte Sortier- und Zerleganlagen für Elektro- und Elektronikschrott entwickelt Hiro Robotics.
Ganiga AI setzt KI in neuen Abfalleimern für den Handel und öffentlichen Raum ein, um das Aufkommen zu erfassen und automatisch zu trennen. Speziell für die Modeindustrie konzipiert das Startup Atelier Riforma das Produkt Re4Circular, um gebrauchte Textilfasern zu identifizieren und wiederzuverwerten. Auch das Projekt t!Upcyclin von Temera und Mermec entwickelt KI-Optimierungen für das Textilrecycling.
Es gibt eine rege Start-up-Szene
Ende 2025 existieren in Italien insgesamt 109 Start-ups für die Kreislaufwirtschaft. Dies berichtet das Portal Tracxn. Von 2019 bis Mitte 2025 zogen junge Abfall- und Recyclingfirmen Wagniskapital in Höhe von 46 Millionen Euro an, so die Vereinigung Cleantech for Italy. Bedeutende Inkubatoren sind BIC Zero Waste in Genua, Encubator im Großraum Mailand und das Ecoarea Startup Lab in Coriano in der Emilia-Romagna. Auch das römische Startup-Areal Tecnopolo hat neben anderen Branchen einen Fokus auf der Kreislaufwirtschaft.
Italiens Abfallwirtschaft hat auch Cluster gebildet. Etwa 170 Mitglieder in ganz Italien zählt Spring, das seinen Fokus auf der biologischen und chemischen Kreislaufwirtschaft hat. Spring hat seinen Hauptsitz in Mailand. Eine bedeutende regionale Kooperationsplattform ist das Veneto Green Cluster in Venetien. Diesem gehören 110 Unternehmen, Hochschulen und Forschungsinstitute für die Kreislaufwirtschaft an.
Die italienische Abfallwirtschaft hat 2023 laut Eurostat 6.703 Unternehmen gezählt. Diese haben mit 174.000 Beschäftigten einen Nettoumsatz von 36 Milliarden Euro erzielt. Die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Abfallbranche ist durch Spill-Over-Effekte noch größer: Jeder dort erwirtschaftete Euro erzielt eine um das 3,4-fache höhere Bruttowertschöpfung in anderen italienischen Sektoren, etwa durch den Einsatz des aufbereiteten Abfalls oder durch Investitions- und Forschungsaufträge. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Instituts Althesys.
Wichtige Branchenunternehmen in ItalienIn Millionen EuroUnternehmen | Sparte | Umsatz Jahr 2023 |
|---|
| A2A Ambiente S.p.A. | Abfallsammlung und -behandlung, u.a. Energiegewinnung aus Abfällen | 903 |
| Alia Servizi Ambientali S.p.A. | Abfallsammlung und -behandlung | 558 |
| Gruppo Veritas | insbesondere chemische Abfallsammlung und -behandlung | 536 |
| Herambiente S.p.A. | Abfallsammlung und -behandlung | 524 |
| Iren S.p.A. | Abfallsammlung und -behandlung | 320 |
Quelle: Unternehmensangaben
Von Torsten Pauly
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Mailand