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Branche kompakt | Italien | Chemische Industrie

Italiens Chemieindustrie investiert in Nachhaltigkeit

Italiens Chemieindustrie ist forschungsstark. Große Bedeutung haben in den kommenden Jahren die Digitalisierung und der klimagerechte Umbau der Produktion.

Von Torsten Pauly | Mailand

Ausblick der chemischen Industrie in Italien

Bewertung:

 

  • Die italienische Chemieproduktion soll 2025 um 1,5 Prozent steigen.
  • Die Hersteller investieren, auch um den Ressourceneinsatz zu optimieren.
  • Höhere Zölle auf dem wichtigen US-Markt können jedoch den Export beeinträchtigen.

Anmerkung: Einschätzung des Autors für die kommenden zwölf Monate auf Grundlage von prognostiziertem Umsatz- und Produktionswachstum, Investitionen, Beschäftigungsstand, Auftragseingängen, Konjunkturindizes etc.; Einschätzungen sind subjektiv und ohne Gewähr; Stand: Mai 2025

  • Markttrends

    Italiens Industrie, Land- und Bauwirtschaft fragen neue nachhaltigere chemische Produkte nach. Der Importbedarf ist hoch und Deutschland ist der führende ausländische Lieferant.

    Dank steigender Produktion und hoher Kapazitätsauslastung erweitern die Chemieproduzenten ihre Anlagen. Allein Italiens größter Branchenkonzern Versalis wendet hierfür 2 Milliarden Euro bis 2027 auf. Viele Hersteller bringen neue nachhaltige Chemieprodukte auf den Markt, wonach eine große Nachfrage besteht.

    58 Milliarden Euro

    betrug Italiens Import chemischer Erzeugnisse 2024.

    Die italienische Chemieindustrie hat ihren Anteil am EU-weiten Nettoumsatz 2023 auf 9,5 Prozent erhöht. Noch 2022 waren es 9,1 Prozent gewesen. Damit ist Italien laut Eurostat der viertgrößte Markt für chemische Erzeugnisse nach Deutschland, Frankreich und den Niederlanden. Allerdings verzerrt der Transit in Europas größtem Hafen Rotterdam die Binnenmarktgröße der Niederlande.

    Deutschland ist größter ausländischer Lieferant

    Die italienischen Importe von chemischen Erzeugnissen sind 2024 um 0,8 Prozent auf 57,7 Milliarden Euro gestiegen. Erfasst ist dabei die SITC-Position 5 ohne die Arzneiuntergruppe 54. Mit einem Einfuhranteil von 18,5 Prozent lag Deutschland an erster Stelle. Es folgten die Volksrepublik China mit 15 Prozent und Frankreich mit 11,1 Prozent.

    Importe decken einen Großteil des italienischen Bedarfs an Chemiewaren ab. Im Jahr 2023 haben eine Inlandsproduktion von 67,3 Milliarden Euro und ein Einfuhrüberschuss von 14 Milliarden Euro den italienischen Chemiemarkt beliefert. Dies berichtet der Branchenverband Federchimica.

    Die italienische Importnachfrage konzentriert sich dabei auf einige Sparten. So haben organische Chemikalien 2024 allein 32,9 Prozent aller eingeführten chemischen Erzeugnisse ausgemacht. Es folgten Kunststoffe in Primärform mit einem Anteil von 22,8 Prozent und diverse Produkte der SITC-Position 59 mit 14,5 Prozent.

    Investitionen lassen Markt wachsen

    Seit Anfang 2023 bis zum 1. Quartal 2025 haben mindestens 98 Prozent der vom italienischen Statistikamt befragten Chemieproduzenten ihre Kapazitätsauslastung als zufriedenstellend oder besser bezeichnet. Investitionen lassen den Markt für chemische Erzeugnisse daher weiter steigen.

    Im Jahr 2022 haben Italiens Chemieunternehmen laut neuesten Zahlen 1,8 Milliarden Euro für Sachanlagen aufgewandt, davon 1,4 Milliarden Euro für Maschinen und Anlagen. Weitere 1,5 Milliarden Euro haben die Pharmahersteller investiert, davon 1,3 Milliarden Euro in Maschinen und Anlagen. Viele Projekte laufen zur Verbesserung der Nachhaltigkeit.

    Ausgewählte Investitionsprojekte der chemischen Industrie in Italienin Millionen Euro
    Akteur/Projekt

    Investitionssumme 

    ProjektstandAnmerkungen
    Versalis: Dekarbonisierung der Produktion

    2.000

    Planung, tw. BauRealisierung bis 2027
    Eni: Biodieselraffinerie in Livorno

    600

    Planung, tw. BauRealisierung bis 2027; Jahreskapazität 500.000 Tonnen
    NextChem: Waste-to-hydrogen-Anlage in Genua

    300

    PlanungFertigstellung 2026 geplant; aus Abfall gewonnener Biomethanol dient der Herstellung von grünem Wasserstoff durch Elektrolyse
    Henkel, Nordmeccanica, Ecopol: Entwicklung einer umweltschonenden Produktion von Polyvinylalkoholen (PVOH)

    k. A.

    PlanungEntwicklungsbeginn 2025; die Polyvinylalkohole werden in der Zellstoffindustrie zum Einsatz kommen
    Enilive: Ausbau der Produktion von Biotreibstoffen für Flugzeuge in Gela

    k. A.

    Planung, tw. BauKapazitätserweiterung von 400.000 Tonnen auf 5 Millionen Tonnen jährlich bis 2030
    NextChem, Eni, Iren: Waste-to-hydrogen-Anlage in Sannazzaro

    k. A.

    PlanungIn Anbindung an eine Raffinerie von Eni
    NextChem, Newcleo: Entwicklung einer klimaneutralen Chemieproduktion

    k. A.

    PlanungKooperationsvereinbarung 2024; Einsatz von kleinen Nuklearreaktoren und Wasserstoffproduktion
    Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 2025

    Fein- und Spezialchemikalien haben hohe Marktanteile

    In der italienischen Industrieproduktion haben hochwertige Konsumwaren wie Mode, Möbel, Drogerieartikel und Lebensmittel große Bedeutung. Daher sind auch die hierfür benötigten Chemikalien mit hoher Wertschöpfung in Italien sehr gefragt.

    Laut Verband Federchimica haben Kosmetika, Reinigungsmittel, Arzneien, Farben und sonstige Fein- und Spezialchemikalien 2021 zusammen 57 Prozent der italienischen chemischen Erzeugung ausgemacht. Dieser Anteil war fast anderthalbmal so hoch wie im EU-Durchschnitt mit 37 Prozent.

    In den kommenden Jahren ist bei der Nachfrage der Modeindustrie ein besonders hohes Wachstum bei umweltschonenderen Gerb- und Farbstoffen, Abwasserklärchemikalien und neuen synthetischen Fasern zu rechnen. Auch die Möbelindustrie setzt zunehmend auf ökologisch verträglichere Farben, Lacke und Stoffe zur Materialbehandlung. Die in Italien bedeutende Kosmetikindustrie ist gleichfalls an nachhaltigeren Inhaltsstoffen interessiert.

    Der Bedarf der Kfz-Industrie an chemischen Erzeugnissen soll laut einer Prognose von Federchimica von 2024 bis 2035 um 30 Prozent steigen, da die Umstellung auf Elektrofahrzeuge neue leichtere und festere Kunststoffe sowie Batteriekomponenten erfordert.

    Ein wichtiger Abnehmer ist die Pharmaindustrie. Deren Produktion ist 2024 laut Fachverband Farmindustria um 3,9 Prozent auf 52 Milliarden Euro gestiegen. Laufende Investitionen lassen den Markt weiter wachsen. Bedeutend ist die Auftragsfertigung für andere Pharmahersteller. Der Umsatz hiermit war 2023 mit 3,6 Milliarden Euro höher als in jedem anderen EU-Land.

    Insgesamt hat die Industrie 2020 laut neuesten verfügbaren Zahlen von Federchimica 68,4 Prozent der italienischen Chemieerzeugung abgenommen. Die mit Abstand bedeutendste Branche war dabei die Kunststoff- und Gummiverarbeitung mit 19,4 Prozent. Es folgten die Nahrungsmittel- und Getränkeverarbeitung mit 5,6 Prozent, die Metallindustrie mit 5,1 Prozent, die Modeindustrie mit 5 Prozent, die Pharmabranche mit 4,7 Prozent, die Elektroindustrie mit 4,3 Prozent und die Fahrzeug- und Papierindustrie mit jeweils 3,6 Prozent.

    Smart Farming erlangt für Agrarchemikalien immer mehr Bedeutung

    Agrarchemikalien haben 2020 etwa 5,8 Prozent der italienischen Branchenproduktion ausgemacht. Deren Einsatz erfolgt immer mehr mit Smart Farming. Der Hersteller Bayer entwickelt digitale Produkte wie ResiYou, um dies effizienter zu machen.

    Auch Biotechnologie soll die Produktion effizienter und Agrarchemikalien nachhaltiger machen, so Federchimica. Der Klimawandel hat 2024 laut dem Agrarverband Coldiretta landwirtschaftliche Schäden von 9 Milliarden Euro verursacht. Daher gibt es im Agrarsektor eine große Nachfrage nach Chemikalien zur Wasserwiederaufbereitung. Neue Aromastoffe und Verarbeitungschemikalien fragt Italiens Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie nach.

    Neue Bauchemikalien sind gefragt

    Wachstum generieren laut Federchimica auch neue Chemikalien für nachhaltiges Bauen. Der Absatz von Bauchemikalien insgesamt soll jedoch 2025 auf hohem Niveau fast stagnieren, was an der Einstellung von Hochbauförderungen liegt. Die italienische Zentralbank hat im April 2025 prognostiziert, dass die realen Bauinvestitionen im Gesamtjahr nur leicht um 0,2 Prozent zulegen. Die Bauwirtschaft hat 2020 laut Federchimica 4,7 Prozent der italienischen Chemieerzeugung abgenommen.

    Von Torsten Pauly | Mailand

  • Nachhaltigkeit in der Chemieindustrie

    Die Hersteller investieren in einen effizienteren Ressourcenverbrauch und in Umweltschutz. Wasserstoff wird eine wichtige Rolle bei der künftigen Energieversorgung zugesprochen.

    Die Dekarbonisierung erfordert in den kommenden Jahren große Anstrengungen. Der Verband Federchimica schätzt, dass die italienische Chemieindustrie für eine klimaneutrale Produktion von 2023 bis 2050 etwa 31 Milliarden Euro aufwenden wird. Zwischen 2018 und 2022 haben bereits 59 Prozent aller italienischen Chemiefirmen in die Verbesserung ihrer ökologischen Bilanz investiert. Dies ist der höchste Wert unter allen Branchen des italienischen verarbeitenden Gewerbes.

    Die Energieeffizienz der italienischen Chemieindustrie war 2021 um 33 Prozent höher als 2000. Damit erfüllt sie die EU-Vorgabe für das Zieljahr 2030, die eine Verbesserung um 32,5 Prozent vorsieht. Ein starker Anreiz für weitere Einsparungen sind die teuren Energiekosten. So lagen etwa die Strompreise für italienische Unternehmen vom 2. Halbjahr 2022 bis zum 1. Halbjahr 2024 laut Eurostat um 16 Prozent bis 54 Prozent über dem EU-Durchschnitt.

    Italiens Chemieindustrie hat ihren Kohlendioxidausstoß 2022 um 64 Prozent gegenüber 1990 gesenkt. Auch damit erfüllt sie die von der EU geforderte Reduktion um 55 Prozent bis 2030. Die Emissionen sind jedoch weiterhin hoch. Chemiehersteller waren 2021 für 14 Prozent des gesamten Kohlendioxidausstoßes von Italiens verarbeitendem Gewerbe verantwortlich.

    Chemieindustrie hat große Bedeutung für Green Deal der EU

    Die Chemieindustrie muss auch neue Produkte entwickeln, um Italiens Industrie eine nachhaltigere Erzeugung zu ermöglichen. Damit ist sie laut Federchimica zentral, um die von der EU 2018 im Green Deal formulierten Ziele für die Mitgliedsstaaten zu erreichen. Der Verband sieht Wachstumschancen insbesondere durch neue chemische Erzeugnisse für die Abfall- und Wasserwirtschaft, die Nutzung von Wind- und Solarenergie, die Elektromobilität, die Kohlendioxidabscheidung und -speicherung, Energieeffizienz und smarte Gebäudesteuerung, den Gesundheitssektor und die Bioökonomie.

    Eine Wachstumssparte sind laut Federchimica auch chemische Erzeugnisse aus Biomasse. So hat etwa das Start-Up Bi-rex aus Bologna zusammen mit der Polytechnischen Universität Mailand ein patentiertes Verfahren entwickelt, um mit umweltschonenden Lösungsmitteln Polymere und Zellstoff aus Agrarabfällen zu gewinnen.

    Wasserstoff soll Klimaneutralität sicherstellen

    Große zukünftige Bedeutung hat der Einsatz von Wasserstoff. Italiens Regierung erwartet laut der Nationalen Wasserstoffstrategie von Ende 2024, dass die Chemie- und Raffinerieproduzenten 2050 zwischen 34 Prozent und 82 Prozent ihres Energiebedarfs mit Wasserstoff decken werden. Die tatsächliche Höhe hängt nicht nur vom Wasserstoffhochlauf im Inland, sondern auch im Ausland ab, da Italien laut Regierung 30 Prozent seines Bedarfs importieren wird.

    Drei Anlagen zur Herstellung von grünem Wasserstoff durch Elektrolyse plant der Hersteller Marie Tecnimont in Genua, dem lombardischen Sannazzaro und im toskanischen Empoli. Das Verfahren sieht zunächst die Erzeugung von Biomethanol aus Abfällen und dann dessen Nutzung für die Wasserstofferzeugung vor. Marie Tecnimont gehört zum Konzern NextChem, der sich auf nachhaltige Chemie- und Energieerzeugung spezialisiert.

    Neben grünem soll auch rosafarbener, das heißt aus Atomstrom gewonnener Wasserstoff zum Einsatz kommen. Kleine Nuklearreaktoren für die Industrie entwickelt Maire Tecnimont mit dem britischen Startup Newcleo. Konkretes Interesse hat bereits der Raffineriekonzern Enel geäußert. Im Jahr 2026 wollen Maire Tecnimont und Newcleo zunächst einen kleinen Versuchsreaktor mit 10 Megawatt in Betrieb nehmen.

    Digitalisierung soll Ressourceneinsatz verbessern

    Ein wichtiger Trend ist die "Chemieindustrie 5.0" (Industria chimica 5.0). Eine digitale Vernetzung der gesamten Wertschöpfungskette soll den Sektor nachhaltiger machen. Dazu gehört die Steigerung der Energieeffizienz ebenso wie die Entwicklung ressourcenschonender Chemikalien und deren klimaneutrale Produktion, Auslieferung und Wiederverwertung.

    Im Jahr 2023 wurden 51,7 Prozent des italienischen Chemiemülls recycelt oder auf andere Weise umweltgerecht aufbereitet. Dagegen wurden 5,2 Prozent der Rückstände verkippt und 5,8 Prozent verbrannt. Der Rest wurde anderweitig behandelt.

    Der Verband Federchimica hat für seine Mitglieder das Programm Coach (Circularity-Oriented Assistance for Chemical Companies) entwickelt. Dieses verbessert die Erfassung aller Materialflüsse und ermöglicht so eine nachhaltigere Nutzung im gesamten Kreislauf.

    Auch der italienische Staat fördert Investitionen in eine digitalisierte und nachhaltige Produktion nach dem Industrie-5.0-Prinzip mit dem Programm "Transizione 5.0". Weitere spezielle Branchenförderungen können für Chemieunternehmen in Frage kommen, etwa das Programm "Agricoltura 5.0" für die Hersteller von Agarchemikalien.

    EU-Fördergelder stehen bereit

    Investitionen in Nachhaltigkeit unterstützen in Italien auch Fördergelder der EU im Rahmen der Aufbau- und Resilienzfazilität. Diese wurde 2021 zur Überwindung der Coronarezession ins Leben gerufen und läuft bis 2027. Chemieproduzenten können dabei von mehreren Programmen profitieren. Für eine kreislaufgerechte Biomethanproduktion stehen unter dem Fördertitel M2C2.1.4 insgesamt 1,9 Milliarden Euro zur Verfügung.

    Darüber hinaus können 2 Milliarden Euro für Wasserstoffprojekte in besonders energieintensiven, sogenannten Hard-to-abate-Industriesektoren abgerufen werden (M2C2.3.2). Weitere 500 Millionen Euro können für Elektrolyseanlagen in bestehenden Brownfield-Industrieanlagen abgerufen werden (M2C2.3.1). Sonstige Wasserstoffforschungen unterstützt die EU mit 160 Millionen Euro (M2C2.3.5) und Vorhaben in der Abfallwirtschaft mit 2,1 Milliarden Euro (M2C1.1). Ein Programm für die Abwasserwirtschaft ist mit 600 Millionen Euro aufgelegt (M2C2.4.4).

    Von Torsten Pauly | Mailand

  • Branchenstruktur

    Italien ist der viertgrößte Chemieproduzent in der EU. In der Forschung gewinnt künstliche Intelligenz rasch an Bedeutung. Viele Hersteller beklagen jedoch einen Fachkräftemangel.

    Der Verband Federchimica erwartet, dass die Erzeugung seiner Mitglieder 2025 um 1,5 Prozent steigt. Die Chemieindustrie hat 2023 laut neuesten Zahlen 4,2 Prozent der Bruttowertschöpfung im italienischen verarbeitenden Gewerbe erbracht. Darüber hinaus entfielen 3,7 Prozent auf die Pharmaindustrie und 2,4 Prozent auf die Petrochemie.

    Die Chemiebranche im weiteren Sinne ist somit der drittgrößte italienische Industriezweig nach dem Maschinenbau und der Nahrungsmittel- beziehungsweise Getränkeverarbeitung. In der EU ist Italien nach Deutschland, Frankreich und den Niederlanden der viertgrößte Produzent chemischer Erzeugnisse.

    Die Lombardei ist die fünftgrößte europäische Chemieregion

    Italiens Chemieindustrie konzentriert sich in nördlichen Regionen. Allein in der Lombardei befanden sich 2022 laut aktuell verfügbaren Zahlen von Federchimica 41 Prozent aller Branchenarbeitsplätze. Es folgen die Emilia-Romagna mit 13 Prozent und Venetien mit 10 Prozent aller Beschäftigten. Im EU-Vergleich lag die Lombardei 2021 an fünfter Stelle, nach der Île-de France, Nordrhein-Westfahlen, Bayern und Rheinland-Pfalz.

    Ein Vorteil der italienischen Hersteller sind die moderaten Lohnkosten. Im Jahr 2022 waren die Lohnstückkosten in der italienischen Chemieindustrie laut Eurostat um 42 Prozent günstiger als in Deutschland.

    Fachkräftemangel nimmt zu

    Viele Branchenunternehmen können jedoch offene Stellen nicht zügig besetzen. Dies gilt insbesondere für forschungsintensive Sparten wie die Biotechnologie, in der es bei drei von fünf Ausschreibungen derartige Probleme gibt. Die demografische Entwicklung wird diesen Trend verschärfen, denn Anfang 2025 waren 42 Prozent aller Beschäftigten älter als 50 Jahre und nur 22 Prozent jünger als 35 Jahre. Allerdings gibt es regionale Unterschiede: Während der Fachkräftemangel in Norditalien ausgeprägt ist, wandern aus dem strukturschwachen Süden Talente ab. 

    In Italien gab es 2023 insgesamt 3.916 Chemieunternehmen. Diese haben 117.000 Mitarbeiter beschäftigt. Der Nettoumsatz pro Arbeitnehmer war 2023 in Italien mit 523.000 Euro um 1,6 Prozent höher als in Deutschland. Der Verband Federchimica schätzt, dass in Italien 2023 weitere 212.000 Stellen in der direkten Weiterverarbeitung chemischer Erzeugnisse bestanden.

    Intensive Forschung in vielen Sparten

    Die italienische Chemiebranche hat 2022 etwa 698 Millionen Euro für Forschung und Entwicklung ausgegeben. Eine eigene Abteilung dafür unterhielten 2020 laut aktuell verfügbaren Zahlen von Federchimica 1.231 Chemieunternehmen. Europaweit gibt es nur in Deutschland mit 1.408 Produzenten mehr derartige Firmen. Es gibt auch eine rege Startup-Szene. Das Portal Tracxn nennt 2025 insgesamt 476 italienische Neugründungen, die sich mit der Entwicklung von Chemikalien, Nano- und weiteren innovativen Materialien beschäftigen.

    Künstliche Intelligenz spielt in der Forschung inzwischen eine wichtige Rolle. Viel genutzt ist etwa das Programm DeepChem, das die Erforschung neuer chemischer Moleküle beschleunigt und kostengünstiger macht. Auch Hochschulen befassen sich mit künstlicher Intelligenz in der Chemieindustrie, insbesondere in Rom, Mailand, Turin und Modena. Dies berichtet der Verband der Chemiker und Physiker (Federazione Nazionale degli Ordini e dei Fisici).

    Auch der Pharmasektor ist sehr forschungsintensiv. Die entsprechenden Ausgaben waren laut dem Verband Farmindustria 2023 mit 2 Milliarden Euro fast dreimal so hoch wie in der Chemiebranche. Künstliche Intelligenz gewinnt dabei ebenfalls stark an Bedeutung.

    Forschungs- und exportstark ist auch die italienische Kosmetikindustrie. Sie hat 2024 etwa 16,5 Milliarden Euro umgesetzt und investiert 6 Prozent davon in die Entwicklung neuer Produkte, so der Branchenverband Cosmetica Italia. Eine Spezialisierung ist Make-Up. Italien hat den EU-Markt hierfür 2022 zu 67 Prozent beliefert.

    Große Bedeutung hat zudem die Biotech-Sparte. Im Jahr 2022 haben 823 Branchenunternehmen 13,6 Milliarden Euro umgesetzt, so der Verband Assobiotec. Schwerpunkte der italienischen Branche sind Agrarchemikalien sowie Produktentwicklungen für die Industrie und Arzneien.

     

    Produktion ausgewählter chemischer Erzeugnisse in Italien in Millionen Euro; Veränderung in Prozent

    Sparte

    2022

    Veränderung 2022/2021

    Marktanteil 2022

    Kunststoffe in Primärformen

    10.745

    7,9

    32,3

    Farben, Lacke, Druckfarben 

    6.540

    19,3

    19,6

    Parfüms, Kosmetik und Seifen

    5.325

    10,8

    16,0

    Waschmittel, Reinigungs- und Poliermittel

    3.105

    11,3

    9,3

    Andere anorganische Basischemikalien

    2.081

    48,4

    6,3

    Farbstoffe und Pigmente

    1.815

    53,3

    5,4

    Düngemittel und Stickstoffverbindungen

    1.381

    20,6

    4,1

    Industriegase

    1.293

    48,0

    3,9

    Pflanzenschutzmittel und andere chemische Produkte für die Landwirtschaft

    594

    -5,4

    1,8

    Synthetische und künstliche Fasern

    447

    -35,6

    1,3

    Insgesamt

    33.326

    15,1

    100,0

    Quelle: ISTAT 2025

    Starke internationale Vernetzung

    Ausländische Investoren haben 2023 laut Federchimica 38 Prozent der italienischen chemischen Erzeugung erbracht. Weitere 21 Prozent entfielen auf italienische Chemieunternehmen, die international aufgestellt sind. Die restlichen 41 Prozent haben italienische Firmen produziert, die ganz überwiegend im Inland tätig sind. Auch viele deutsche Chemiekonzerne produzieren in Italien, meist an mehreren Standorten. Zu diesen zählen unter anderem BASF, Bayer, Covestro, Evonik, Henkel, Lanxess und Linde Gas Italia.

     

    Wichtige Branchenunternehmen in Italien Umsatz in Millionen Euro

    Unternehmen

    Sparte

    Umsatz Global 2023

    Umsatz Italien 2023

    Versalis S.p.A.Grundchemie und Zwischenprodukte, Kunststoffe, Kautschuke

    4.232

    2.970

    Gruppo Mapei

    Bauchemische Produkte für die Verlegung von Wand- und Bodenbelägen

    4.208

    1.219

    Gruppo BraccoPharmazie, Diagnostik

    1.852 

    818

    Gruppo SOLTechnische, industrielle, reine und spezielle Gase und Arzneimittel

    1.487 

    595

    COIM GroupPolyol, Polyurethane, Polyester und Spezialstoffe für Coating

    1.210 

    498

    DiaSorinMolekulare Diagnostik

    1.148 

    289

    Radici GroupPolyamid, Kunstfasern und Kunststoffe

    1.069 

    542

    Gruppo SIADIndustrielle Gase, technologische Verfahren, Gesundheitswesen

    1.008 

    687

    Gruppo IntercosKosmetik

    988 

    568

    Gruppo SapioIndustrielle Gase, technologische Verfahren, Gesundheitswesen

    847 

    720

    Quelle: Branchenverband Federchimica 2025

    Mögliche Zollerhöhungen bergen Unwägbarkeiten

    Italiens Chemieexport ist 2024 um 1,2 Prozent auf 48,2 Milliarden Euro gestiegen. Hierunter fallen Produkte der SITC-Position 5 ohne die Arzneiuntergruppe 54. Deutschland war mit einem Ausfuhranteil von 13,9 Prozent wichtigster Auslandsmarkt vor Frankreich mit 9,8 Prozent und Spanien mit 6,9 Prozent.

    Die USA sind für die italienische Chemieindustrie das viertwichtigste Ausfuhrziel: Dorthin gingen 2024 Branchenexporte von 3,2 Milliarden Euro. Die Hersteller betrachten daher mögliche US-Zollerhöhungen mit Sorge. Die USA sind auch für viele italienische Chemieabnehmer ein führender Exportmarkt, so dass eine geringere Ausfuhr deren Nachfrage nach chemischen Erzeugnissen schmälern kann. Höhere Importe aus der Volksrepublik China würden die Chemieproduktion ebenfalls beeinträchtigen, so Federchimica.

    Von Torsten Pauly | Mailand

  • Rahmenbedingungen

    Für deutsche Unternehmen bestehen im EU-Land Italien keine Beschränkungen beim Markteintritt. Landeskenner kritisieren jedoch lange Genehmigungsverfahren der zuständigen Stellen.

    Die Qualitätssicherung in der chemischen Produktion obliegt der Institution Unichim (Assoziazione per l‘unificazione nel settore dell’industria chimica). Für die Zulassung von Arzneimitteln ist die Pharmaagentur Aifa (Agenzia Italiana del Farmaco) zuständig. Der Verband Federchimica bietet Unterstützung bei der Zulassung chemischer Erzeugnisse an.

    Verschärfte Vorgaben zur Darlegung der Nachhaltigkeit

    Immer mehr italienische Chemieunternehmen müssen die Pflichten zur Nachhaltigkeitsberichterstattung erfüllen, welche die EU-Richtlinie 2014/95/EU festlegt. Seit dem Geschäftsjahr 2025 gilt das für Unternehmen mit mindestens 250 Mitarbeitern und ab 2028 für alle Hersteller.

    Italien wird am 01.07.2026 Abgaben auf Einwegverpackungen aus nichtkompostierbarem Kunststoff in Höhe von 45 Eurocent pro Kilogramm einführen. Dies fördert die Nachfrage nach chemischen Erzeugnissen, welche die Kunststoffe leichter und biologisch abbaubar machen.

    Tipps für den Markteinstieg

    • Detaillierte Kenntnisse des Chemiebedarfs sind von Vorteil.  
    • Regionale Marktunterschiede können mehrere Vertriebsstandorte sinnvoll machen.   
    • Bestehende Netzwerke von Verbänden und AHK sind hilfreich.
    • Professionelle Beratung bei Vorschriften und Steuerfragen ist anzuraten.

    Im innergemeinschaftlichen Warenverkehr der Europäischen Union sind die Regelungen des Umsatzsteuerkontrollverfahrens in der EU zu beachten. Informationen hierzu finden sich auf der Internetseite des Bundeszentralamtes für Steuern. Hinsichtlich der Normierung gelten die einschlägigen EU-Richtlinien (siehe etwa die Website des Deutschen Instituts für Normung e.V.).

    Germany Trade & Invest stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nicht tarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.

    Von Torsten Pauly | Mailand

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    Germany Trade & Invest

    Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft

    AHK Italien

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    Ministero delle Imprese e del Made in Italy 

    Ministerium für Unternehmen und Made in Italy

    Ministero della Salute

    Gesundheitsministerium
    Agenzia Italiana del FarmacoArzneimittelagentur
    UNICIMVeband zur Vereinheitlichung des Chemiesektors

    Federazione Nazionale dell'Industria Chimica

    Verband der Chemieindustrie
    Associazione Italiana di Ingegneria ChimicaVerband der Chemietechnik
    Associazione Italiana dei Chimici del CuoioVerband der Lederchemiker
    Associazione delle Imprese del FarmacoVerband der Pharmaindustrie
    Associazione delle Imprese CosmeticheVerband der Kosmetikindustrie
    COSMOFARMAJährliche Messe für Arzneien und Gesundheitsprodukte in Bologna; nächste: 08. bis 10.05.2026

    COSMOPROF

    Jährliche Messe für die Kosmetikindustrie in Bologna; nächste: 26.-28.03.2026
    Industry ChemistryInternetportal

    ABC-Cosmetici

    Internetportal

     

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