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Branchen | Kenia | Medizintechnik

Marktentwicklungen und -trends

Die Pandemie hat großen Investitionsbedarf in Kenias Gesundheitssektor zu Tage geführt. Gleichwohl ist das Kapital für Anschaffungen derzeit knapp.

Von Carsten Ehlers | Nairobi

Der kenianische Gesundheitssektor bietet deutschen Zulieferern von Medizintechnik in verschiedensten Bereichen Liefer- und Investitionsmöglichkeiten. Trotz pandemiebedingter Wirtschaftsflaute gehen Experten von weiterem Marktwachstum aus. Auch hat die Pandemie das Augenmerk auf die Schwachstellen des Systems gelegt und daraus resultierenden Investitionsbedarf. Für deutsche Unternehmen bestehen zahlreiche Geschäftsmöglichkeiten.

Absatz von Medizintechnik dürfte trotz Konjunkturflaute weiter steigen

Marktkenner erwarten einen wachsenden Absatzmarkt für Medizintechnik in Kenia und gehen von einem Umsatzwachstum von zwischen sechs und sieben Prozent in US-Dollar (US$) im Jahr 2021 aus. Eine Rate, die oberhalb des Wachstums der kenianischen Wirtschaft liegt. Die wirtschaftlichen Aussichten Kenias bleiben pandemiebedingt insgesamt gedämpft. Die Folgen sind eine drastische Verschuldung des Staates und Liquiditätsprobleme bei vielen privaten Kliniken und Praxen. Die Marktforschungsfirma Fitch Solutions schätzt die Marktgröße für Medizintechnik in Kenia 2021 auf etwa 133,8 Millionen US$ und 2022 auf circa 142,4 Millionen US$. Damit ist Kenia im weltweiten Vergleich ein kleiner Absatzmarkt; innerhalb Subsahara-Afrikas ragt das ostafrikanische Land zusammen mit Südafrika, Nigeria und Ghana indes heraus.

Die erwartete weitere Abwertung des kenianischen Shilling im Vergleich zum Euro und US-Dollar wird den Preisdruck weiter erhöhen. Flexible Finanzierungsbedingungen und ein günstiger Preis stellen daher neben der Qualität ein zunehmend wichtiges Kaufkriterium für kenianische Abnehmer dar. Die preisgünstigen chinesischen Lieferanten dominieren mit einem Importanteil von etwa 30 Prozent (2019; circa 37,6 Millionen US$). Deutsche Anbieter sind gut im Geschäft und stehen mit einem Marktanteil von etwa zehn Prozent (12,6 Millionen US$) auf dem zweiten Platz.  

Bevölkerungswachstum und wachsende Mittelschicht treiben den Gesundheitssektor an

Einer der wichtigsten Markttreiber für den Ausbau des Gesundheitssektors in Kenia ist das rapide Bevölkerungswachstum. Zu den etwa 55 Millionen Einwohnern 2021 kommen jährlich weitere rund 1,2 Millionen Menschen dazu. Die schnell wachsende kenianische Mittelschicht, welche sich teurere medizinische Versorgung leisten kann, ist vor allem für private Anbieter von Interesse. Deutlich gestiegen ist auch die Nachfrage nach Behandlungsmöglichkeiten chronischer Krankheiten, wie Krebs, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Markthindernisse sind unter anderem das niedrige Pro-Kopf-Einkommen der Bevölkerung, die Staatsverschuldung sowie Compliance-Probleme. 

Beim Ausbau des immer noch schlecht ausgestatteten staatlichen Gesundheitssektors spielen internationale Geber eine wichtige Rolle. Zusätzliches Geld soll die Ausweitung der staatlichen Krankenversicherung bringen. Branchenkenner erwarten daher im staatlichen Gesundheitssystem weiterhin Investitionen in allen Bereichen, von der ländlichen Grundversorgung bis hin zur Behandlung chronischer Krankheiten. Ob deutsche Zulieferer zum Zuge kommen, hängt aber auch vom Geber ab.  

Private Akteure im Gesundheitssektor konzentrieren sich auf lukrative medizinische Dienstleistungen. Dazu zählen neben der Behandlung chronischer Erkrankungen auch Kinderkliniken, Zahnarztpraxen, Orthopädie, Schönheitschirurgie, Augenheilkunde sowie Diagnostik. Auch bei privaten Akteuren spielen Geberhilfen eine Rolle. So investieren einige der privaten Krankenhäuser wie das Aga Khan Hospital mit Geberzuschüssen in neue Dienstleistungen. Eine wichtige Rolle spielen im Gesundheitssektor auch von religiösen Organisationen wie den Kirchen betriebene „Non-Profit“-Krankenhäuser

Mehr Effizienz durch digitale Gesundheitslösungen

E-Health spielt eine zunehmende Rolle bei den Beschaffungen, insbesondere Softwarelösungen sind gefragt. Seitens der staatlichen und auch privaten Krankenhäuser besteht Nachholbedarf bei der Erfassung und Transparenz von Patientenakten. Auch die Krankenversicherungen benötigen intelligente Softwarelösungen für die Erfassung ihrer Mitglieder sowie der eingereichten Arztrechnungen. Der Staat hat zudem Interesse an einer verbesserten Gesundheitsanalyse der allgemeinen Bevölkerung. Darüber hinaus spielen unter anderem Telemedizin, Gesundheitsapps, Onlinevertrieb von Medikamenten und die Belieferung mit Drohnen eine Rolle.

Die Gesamtausgaben für Gesundheitsdienstleistungen in Kenia im Jahr 2020 werden von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) auf etwa 4,1 Milliarden US$ geschätzt. Dabei halten sich die Anteile des staatlichen und privaten Gesundheitssektors nach groben Schätzungen in etwa die Waage. Qualitativ sind die Unterschiede groß. Wer das nötige Geld hat, lässt sich daher in privaten Einrichtungen behandeln. Innerhalb des staatlichen Gesundheitssystems gibt es auch regional gesehen ein großes Qualitätsgefälle: Während es in der Hauptstadt Nairobi gute Einrichtungen in großer Anzahl gibt, fehlen auf dem Land oft schon kleinere einfache Kliniken für die medizinische Grundversorgung.

Aktuelle Investitionsvorhaben im Gesundheitssektor in Kenia (Auswahl)

Projekt

Investitionssumme 

 Anmerkung

Aga Khan Health Services

25 Mrd. KES 2) bis 2025 (ca. 194,2 Mio. Euro)

Ausbau der Krankenhäuser in Nairobi, Mombasa und Kisumu. Zusammenarbeit mit verschiedenen Gebern.

AAR Healthcare

2,5 Mrd. KES (ca. 19,4 Mio. Euro)

Bau eines neuen Krankenhauses in Nairobi.

Bau von 24 kleineren Slum-Kliniken durch Nairobi Metropolitan Services (NMS)

2 Mrd. KES (ca. 15,5 Mio. Euro)

Einige Kliniken wurden Mitte 2021 bereits fertiggestellt.

Avenue Healthcare

1,6 Mrd. KES bis 2025 (ca. 12,4 Mio. Euro)

Bau und Aufkauf neuer Krankenhäuser mittlerer Größe

M.P. Shah Hospital

1 Mrd. KES bis 2026 (ca. 7,8 Mio. Euro)

Ausbau der Einrichtungen in Nairobi. Zudem Aufbau von Sauerstoffproduktionsanlagen.

Nairobi Hospital

1 Mrd. KES (ca. 7,8 Mio. Euro)

Bau einer Covid-19-Behandlungseinrichtung mit 150 Betten in Partnerschaft mit den Vereinten Nationen.

Cerba Lancet Africa

k.A.

Ausbau der Diagnostikkapazitäten u.a. in Kenia mit finanzieller Unterstützung von IFC (Weltbank) und Proparco (Frankreich).

Kenyatta National Hospital (KNH)

k.A.

Geplant ist der Bau eines neuen Krankenhauses mit 300 Betten in Nairobi. Modernisierung und Ausbau der existierenden Einrichtungen im Rahmen eines PPP.

1) Eurobetrag nach aktuellem Wechselkurs im August 2021; 2) KES = Kenianische Shillinge;Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

Private Akteure wollen Qualität und beim Staat spielt der Preis die größte Rolle

Für deutsche Zulieferer sind sowohl staatliche als auch private Kunden von Interesse. Die beiden Gruppen weisen jedoch ein stark unterschiedliches Nachfrageverhalten auf. Private Käufer von Medizintechnik legen tendenziell größeren Wert auf Beratung, Qualität und After-Sales-Service. Sofern es die finanzielle Lage zulässt, wird eher ein teureres langlebiges Produkt gekauft. Muss der Gürtel enger geschnallt werden, wird auch gebrauchte Medizintechnik guter Fabrikate beschafft anstelle von neuer „Billigware“.  

Hingegen kauft der Staat immer neues Gerät. Bei einigen geberfinanzierten staatlichen Projekten bestimmt der Geber mit, wo eingekauft wird. Kommt der Geber zum Beispiel aus China, dann wird fast ausschließlich bei chinesischen Zulieferern eingekauft. Unabhängig davon ist der Staat bei seinen Ausschreibungen preissensibel, sodass die Margen eher gering sind. Interessant ist mitunter die große Liefermenge speziell bei medizinischen Gebrauchsgütern. Compliance-Probleme sowie eine oft mäßige Zahlungsmoral der Behörden erschweren das Geschäft für Zulieferer.

Universelle medizinische Grundversorgung steht im Fokus der Politik

Politisch genießt der Ausbau des Gesundheitswesens derzeit Priorität, insbesondere durch die vom gegenwärtigen Präsidenten Uhuru Kenyatta begründete „Big Four“-Agenda. Im Jahr 2022 finden in Kenia Präsidentschaftswahlen statt, bei denen Kenyatta nicht mehr antreten kann. Daher bleibt abzuwarten welche Rolle der Sektor unter der neuen Regierung spielen wird. Politisch vorangetrieben wird seit Jahren die schrittweise Einführung einer universellen medizinischen Grundversorgung, zu der laut WHO bislang nur vier von fünf Kenianern einen Zugang haben.

Zu diesem universellen Zugang soll die staatliche Krankenversicherung National Hospital Insurance Fund (NHIF) mittelfristig beitragen, bei der 2019 immerhin schon etwa 8,4 Millionen Kenianer Mitglied waren. Angestrebt wird die Mitgliedschaft der gesamten Bevölkerung mit einer geplanten jährlichen Abgabe von 6.000 Kenianischen Shillingen (nach derzeitigem Wechselkurs etwa 47 Euro) pro Kopf. Diese reicht laut Kritikern nicht ansatzweise, um zum Beispiel chronische Krankheiten zu behandeln. Private Krankenversicherer wie Britam, Jubilee, ICEA Lion oder die südafrikanische Sanlam spielen eine zunehmende Rolle für die Versorgung der Mittel- und Oberschicht. Noch sind nur kleine Teile der Bevölkerung versichert, aber immer mehr Arbeitgeber schließen inzwischen eine private Krankenversicherung für ihre Arbeitnehmer ab, die ihnen Zugang zum privaten Gesundheitssystem verschafft.


Rahmendaten zum Gesundheitssystem in Kenia

Indikator

Wert

Einwohnerzahl (2021 in Mio.)

55,0

Bevölkerungswachstum (2020 in % p.a.)

2,3

Altersstruktur der Bevölkerung (2020)

  Anteil der unter 14-Jährigen (in %)

38,6

  Anteil der über 65-Jährigen (in %)

2,5

Durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt (2019 in Jahren)

66,7

BIP pro Kopf (2021 in US$)

2.129

Gesundheitsausgaben pro Kopf (2018 in US US$)

88,4

Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP (2018 in %)

5,2

Ärzte/100.000 Einwohner (2018)

15,7

Zahnärzte/100.000 Einwohner (2019)

2,5

Krankenhausbetten/100.000 Einwohner (2010)

140

Quelle: The Economist Intelligence Unit, The World Bank, World Health Organization, IMF World Economic Outlook

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