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Marktchancen

Im Hochbau liegt der Start neuer Bauprojekte auf einem historischen Tief. Sparmaßnahmen des Staates bremsen den Tiefbau. Nur der Energiebereich verzeichnet Rekordinvestitionen.

Von Michał Woźniak | Stockholm

Nach zwei verhältnismäßig guten Jahren stehen der norwegischen Baubranche mindestens zwei weitaus schwierigere bevor. Obwohl die letzten Prognosen des dortigen Bauverbandes BNL für 2023 mit einem stagnierenden Geschäft rechneten und 2024 ein nur leichtes Minus voraussagten, suggerieren die Statistiken des Jahresanfangs zumindest für den Wohnungsbau einen deutlicheren Rückgang.

Laut der monatlichen BNL-Mitgliederumfrage scheint der Tiefpunkt noch nicht erreicht zu sein. Seit Oktober 2022 überwiegt bei den Befragten bezüglich der Marktsituation der Pessimismus. Zwar schien sich zum Jahresanfang 2023 wieder ein Aufwärtstrend abzuzeichnen, im April stieg der Anteil der Schwarzseher aber wieder. Positiver entwickeln sich die Aussichten auf die Marktentwicklung in den nachfolgenden sechs bis zwölf Monaten. Allerdings wurden auch diesbezüglich befragte Unternehmen im April wieder zurückhaltender: Aufgenommen wurden fast doppelt so viele negative, wie positive Einschätzungen.

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Wohnungsbau gerät ins Stocken

"Wir verzeichnen einen dramatischen Rückgang der Verkäufe und Baubeginne bei Wohnhäusern. Seit Beginn der Messungen im Jahr 1999 haben wir kein schwächeres 1. Quartal gemessen", erklärte Mitte April 2023 Lars Jacob Hiim, Chef des Verbandes norwegischer Wohnungsbauer. Demnach wurden im 1. Quartal 2023 um 45 Prozent weniger Wohneinheiten fertiggestellt als im gleichen Vorjahreszeitraum. Noch düsterer gestaltet sich die Zahl der Baubeginne: Mit 2.425 seien weniger als die Hälfte des Wertes der ersten drei Monate 2022 erreicht worden. Am aktivsten waren noch Kleininvestoren - gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum wurden 23 Prozent weniger Einfamilienhäuser begonnen. Bei Mehrfamilienhäusern lag der Rückgang zum Vergleich bei 62 Prozent.

Schuld an der Misere sind hauptsächlich drei Faktoren. Zum einen zwang die höchste Inflationsrate seit den 1980er Jahren die Norwegische Zentralbank den Leitzins zu erhöhen: von 0 auf 3 Prozent binnen 20 Monaten und somit auf ein Vierzehnjahreshoch. Das schmälert die Kauflust der laut Eurostat nach den Dänen am zweithöchsten verschuldete Nation im Europäischen Wirtschaftsraum.

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Zum anderen legen die Immobilienpreise wieder kräftig zu. Laut dem Immobilienmaklerverband Real Estate Norway machte der im 1. Quartal 2023 verzeichnete Anstieg um nahezu 6 Prozent das Gro der letztjährigen Verluste wieder wett. Demnach lag der landesweite Durchschnittspreis für eine Wohnimmobilie in Norwegen Ende März bei knapp 394.000 Euro.

Eine Erklärung dafür - neben der Angebotsarmut - und den dritten Grund für die Bauflaute liefern die steigenden Baukosten. Wie das norwegische Statistikamt (SSB) ausrechnete sind daran weniger die Arbeitskosten schuld - diese stiegen 2022 um etwa 3 Prozent, im 1. Quartal 2023 lagen sie etwa 4 Prozent über dem Wert des gleichen Vorjahreszeitraums. Die Materialkosten machten dagegen 2022 einen Sprung von knapp 17 Prozent. Anfang 2023 bremste die Teuerungsrate - im 1. Quartal lag sie laut SSB aber weiterhin bei 9 Prozent.

Marktvolumen der Bauwirtschaft in Norwegen (Umsatz in Milliarden Euro, Veränderung in Prozent)

Umsatz1)

Veränderung2)

2019

2020

2020/19

Bauwirtschaft gesamt; davon:

63,8

58,4

-0,4

  Hochbau

30,6

27,6

-1,9

  Spezialisierte Bauleistungen (u.a. Elektro, Sanitär, Dachdecker)

25,8

24,0

1,3

  Tiefbau; davon:

7,4

6,8

0,1

    Bau von Straßen

3,2

2,9

-0,6

    Bau von Bahnverkehrsstrecken

0,5

0,7

44,7

    Brücken-, Tunnelbau

1,6

1,3

-11,8

    Rohrleitungstiefbau, Brunnen-, Kläranlagenbau

0,4

0,4

1,1

    Kabelnetzleitungstiefbau

1,2

1,2

4,4

    Wasserbau 

0,2

0,1

-34,2

1 Umrechnung nach dem jeweiligen Jahresdurchschnittskurs der EZB; 2 auf Basis Landeswährung.Quelle: Norwegisches Statistikamt SSB 2023

Investitionszurückhaltung bremst den Gewerbebau

Im Gewerbebau lag der Preisanstieg bei Materialkosten auch in den ersten drei Monaten 2023 noch im zweistelligen Prozentbereich im Vergleich zum gleichen Vorjahreszeitraum - bei Sanitärinstallationen nur knapp unter 20 Prozent. Die Bauaktivität in dem Bereich unterbot zum Jahresanfang den bisherigen Tiefpunkt der 2000er Jahre: Selbst im bisher schlechtesten Januar und Februar 2014 wurde fast 10 Prozent mehr Gewerbefläche angefangen, wie in den ersten beiden Monaten 2023. Gegenüber dem gleichen Zeitraum 2022 bedeuteten die 736.100 Quadratmeter einen Rückgang um 22 Prozent.

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Da die Investitionsausgaben sowohl der öffentlichen Hand, als auch der Industrie 2023 um kaum mehr als 1 Prozent steigen sollen, scheint eine Trendumkehr unwahrscheinlich. Nach dem Abschluss laufender Projekte dürfte sich vor allem bei Unternehmen ein sichtlicher Nachfragerückgang nach Bauleistungen einstellen - laut SSB planen sie für 2024 mit nahezu 2 Prozent weniger Investitionen.

Planungsmittel im Tiefbau gekürzt

Mittel- bis langfristig positiver gestalten sich die Aussichten für den Tiefbau. Der zu etwa Dreivierteln von staatlichen Aufträgen gespeiste Sektor sollte spätestens 2024 von einem deutlichen Anstieg der Regierungsausgaben profitieren - laut SSB um mehr als 4 Prozent gegenüber 2023.

Alleine der 2021 verabschiedete Nationale Transportplan 2022-2033 versprach die Realisierung von Vorhaben im Gesamtwert von über 100 Millionen Euro - davon knapp die Hälfte im Straßenwesen und etwa ein Drittel im Schienennetz. Doch nicht alle Projekte werden zeitig angegangen. Laut Kjell Inge Davik, Abteilungsleiter für Planung bei der norwegischen Straßenverwaltung, werden 2023 bei vielen Planungsprojekten die Aktivitäten heruntergeschraubt. "Die Planungsmittel im Haushalt für 2023 wurden um 30 Prozent gekürzt", erklärte er Anfang des Jahres. Gleichzeitig wies er darauf hin, dass es "deutliche Signale" für eine Senkung der Ausgabenpläne in der Aktualisierung des Nationalen Transportplans, die 2024 zu erwarten ist, gibt.

Energische Energiewirtschaft

Weniger Zurückhaltung ist derweil im Energiebereich zu erwarten. Anfang 2022 kündigte der Stromnetzbetreiber Statnett an, bis 2030 zwischen 5 Milliarden und 8,5 Milliarden Euro in seine Infrastruktur investieren zu wollen. Neben dem Anschluss neuer Stromquellen, gilt es Vorbereitungen für den steigenden Bedarf zu treffen: Bis 2050 soll der norwegische Stromverbrauch um über die Hälfte auf 220 Terawattstunden steigen. Die für den 1. November 2023 angekündigte Aktualisierung des Netzentwicklungsplans sollte konkretere Maßnahmen beinhalten.

Neben Produktionskapazitäten für Wasserstoff, kristallisieren sich auch immer mehr Pipelineprojekte heraus. Rohrleitungen aus ganz Europa werden auch im Rahmen der Kohlenstoffdioxid-Abscheidung und Speicherung geplant.

Ausgewählte Großprojekte in Norwegen

Vorhaben

Investitionssumme

(in Mio. Euro)

Projektstand

Projektträger

Fabrik für grüne Eisenerz-Pellets, Gildeskål

1.000 

endgültige Investitionsentscheidung 2025; geplante Inbetriebnahme 2028

Blastr Green Steel


Stadtentwicklungsprojekt Grønlikaia, Oslo

n.a.

Vorentscheidung bezüglich Architekturbüros zur Entwicklung des Bebauungsplans 13.2.23 gefallen; geplanter Baustart 2026

Hav Eiendom

Flughafen Bodø

623

Angebotsfrist für die Ausschreibung des Generalunternehmers (i.W.v. 173 Millionen Euro) lief am 20.3.23 ab, Bekanntgabe des Zuschlags geplant für 23.6.23

Avinor, Kommune Bodö, Forsvaret

Nullemissionen-Stadtentwicklungsprojekt Flytårnet, Kommune Bærum

n.a.

Baustart Herbst 2024

Kommune Bærum

Rogfast-Unterwassertunnel

346

Auftrag im Januar 2023 vergeben

Statens Vegvesen

Bauunternehmen: Implenia Norge

CO2-Terminal, Gismarvik, Kommune Haugesund

n.a.

Teil des CCS-Projektes Errai, zu dessen Kunden E.ON zählt; Bekanntgabe der Lizenzgenehmigung bis 2. Quartal 2023; Inbetriebnahme 2026

Horisont Energi, Neptune Energy


Pflegeheim Midtbygda, Bergen

86

Finanzierung in der Klärung; geplante Fertigstellung Januar 2027

Kommune Bergen

Bauunternehmen: Skanska

Produktionsanlage für grünen Ammoniak, Skipavika

n.a.

Geplante Fertigstellung 2026

Fuella

Technologielieferant: Casale SA

Biogasanlage, Kommune Sømna

35

Vorprojektphase; Klärung öffentlicher Förderung läuft

Sømna Biogass Eiendom AS

Kläranlage, Kommune Övre Eiker

30

Baustart 1. Quartal 2023; Bauzeit zwei Jahre

Kommune Övre Eiker

Bauunternehmen: NCC

Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

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